Scheinschlag 1990 – 2007

Es gibt zwei Zeitungen, deren Zähigkeit und Qualität mich seit Jahren faszi­nieren: die Taz und der Scheinschlag. Letztere wird kaum jemand kennen: sie hat es nicht mal zu einem Wikipedia-Eintrag geschafft. Scheinschlag ist eine kosten­lose Stadtteilzeitung im Tabloid-Format für Berlin Mitte, Prenzlauer Berg und angren­zende Stadtteile. Sie war 17 Jahre lang Forum für Kiezinitiativen, Hausbesetzer sowie Kunst- und Kulturprojekte.

Nun wird der Scheinschlag einge­stellt: Die Juli-Ausgabe wird die letzte sein. Bereits im Mai traf ihr Herausgeber, der »Verein zur Begleitung öffent­li­cher Diskussionen in den Innenstadtbezirken«, diesen Entschluss. Man verab­schiedet sich mit einer Sonderausgabe, in der noch einmal die beson­dere Geschichte des Blattes erläu­tert wird. Gleichzeitig kündigten einige Mitglieder der Redaktion an, demnächst ein ähnli­ches Projekt zu starten.


3 Kommentare

  1. microboy

    oft hab ich zwar nicht rein­ge­schaut aber ich finde
    es trotzdem sehr schade – der schein­schlag gehoerte
    irgendwie dazu …

  2. Hans

    Ach, Schade. Selten eine gelesen (wohn nicht im Verbreitungsgebiet), aber wenn dann grafisch immer positiv aufge­fallen & lang aufge­hoben. Präzedenzfall dafür, daß »sauber designt« und »kostenlos, alter­nativ« keine Gegensatzpaare sein müssen.

  3. Benjamin Hickethier

    Das Ende des Scheinschlages bedeutet viel für die Berliner Presselandschaft. Für den Großbezirk Mitte ist es viel­leicht ein letztes Signal der voll­endeten Umstrukturierung und Gentrifikation, auch weil der Scheinschlag die para­doxe Finanzierungssituation nutzte, eigent­lich offi­ziell nur Beilage zur ›Sanierungsbeilage‹ (die vom Bezirksamt bezu­schußt wurde) war. Doch wie wichtig eine Stadtteilzeitung ist, für Diskussionen inner- und außer­halb der Innenstadtbezirke, zur Begleitung von Veränderung und dem kriti­schen Hinterfragen von Stadtentwicklungsprozessen, vor allem aber für ein gemein­sames kommu­nales Erleben und Austausch von Erfahrungen, wie sehr wir aber auch die guten JournalistInnen des Scheinschlages, ebenso wie die vielen ehren­amt­li­chen Redakteure, MitarbeiterInnen und GrafikerInnen, IllustratorInnen (von denen viele den Scheinschlag als Sprungbrett nutzten), vermissen werden, werden wir erst merken, wenn es zu spät ist – nämlich jetzt. Angekündigt war es ja lange. Zu verhin­dern war es wohl kaum, jetzt ist es Tatsache. Die Archive des Scheinschlages werden einst von Stadthistorikern als unver­gleich­liche Quelle zur Geschichtserschließung Berlins geschätzt werden. Das weiss jeder, dem beim Aufräumen ein älteres Exemplar dieses einzig­ar­tigen Zeitungsprojektes begegnet ist. Rest in peace, lieber Scheinschlag.

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