»Nagelneue« Jan-Tschichold-Schrift
Die neue geometrische Schriftfamilie Iwan Reschniev basiert auf einer Titelsatzschrift von Jan Tschichold und ist soeben bei fonts.info erschienen. Sie wurde von Sebastian Nagel entworfen … mit Unterstützung der treuen Leserschaft des Forums typografie.info. In einer Pressemitteilung von heute liest sich die Entstehungsgeschichte so:
»August 2007 auf typografie.info: FlorianG zeigt die Titelseite von Christopher Burkes Buch »Jan Tschichold and New Typography«, und stellt eine kleine Quizfrage: ›Welche Schrift wird auf dem Umschlag verwendet?‹. Die Frage bleibt unbeantwortet.
Norbert Riedi aus Graubünden lässt das keine Ruhe, und bietet eine Bündner Nusstorte als Kopfgeld. Es stellt sich heraus, dass es sich um Tschicholds Entwurf einer »leicht und schnell konstruierbaren Schrift« handelt. Schmorkohl zeigt ein Bildchen, FlorianG bestätigt. Nusstorten gehen raus, mit dem Wermutstropfen, dass es die Schrift nicht digital gibt.
Sebastian Nagel fragt: ›Soll ich mal machen?‹ und macht dann, anhand der kleinen Vorlage und ein paar wenigen Informationen, mit viel Interpretation und möglichst wenig Fantasie. Dafür wird ihm von Norbert Riedi eine Nusstorte versprochen und nach einer ersten Testversion auch prompt gebacken und geliefert. Ein Genuss.
Zusätzlich motiviert, entstehen weitere Strichstärken und Erweiterungen des Zeichensatzes. Tschicholds Entwurf soll nicht verfälscht, aber in einigen Details (Satzzeichen) praxistauglicher gemacht werden. Zusätzlich gibt es einen ›Authentizitätsmodus‹ für Puristen.
Ein Name wird gesucht. ›Tschichold‹ ist zu groß für die Schrift. ›Nagel‹ wäre vereinnahmend. Der Entwurf stammt aus Jan Tschicholds Phase der ›neuen Typografie‹; sein Kampfname zu dieser Zeit: Iwan. Nun noch die Neugestaltung einbringen … Der Bündner Tortenbäcker Norbert Riedi schlägt ›Nagelneu‹ vor – übersetzt ins Rätoromanische: ›Reschniev‹. Das passt zu ›Iwan‹ und zur Schrift. Der Name ist gefunden: ›Iwan Reschniev‹.«
Iwan Reschniev ist ab sofort auf fonts.info in zwei Paketen auf CD-ROM und als Download verfügbar. Schriftmuster-PDF …
9 Kommentare
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Boris Noll
Ich freu mich wie ein kleines Kind ich liebe die Bauhausidee und Jan Tschichold schon alleine wegen des Buches „Erfreuliche Drucksachen durch gute Typografie“ :)
Andrzej
Typographen werden also mit Nusstorten geködert. Das darf jetzt aber niemand wissen außer uns, oder?!? Das wäre ja sonst, hmmmmm… ;-)
Wieviel Typo kriegt man denn für ne Sacher-Torte?
Trash-Gordon
Zum ersten Mal sehe ich ein großes „ß“ ,ohne dass es mich stört. –> s. Schriftmuster PDF
Christian
Tolle Schrift. Gefällt mir gut.
mirc
Typographen werden also mit Nusstorten geködert. Das darf jetzt aber niemand wissen außer uns, hmmm nice pages.
Yanone
Also schick ist das !
Was mich aber wundert und stört ist, dass man sieben Schnitte braucht, um zwischen einer Light und einer Black zu interpolieren. Die Unterschiede sind viel zu marginal, und somit unsinnig. Und dabei kommt die Black, das Original, eher als Regular daher; von Black kann keine Rede sein. Ich fände eine Thin, Light, Regular (Original) und Bold viel sinnvoller.
Jo
Gefällt mir generell auch gut. Besonders die Kapitälchen finde ich sehr gelungen. Trash-Gordon stimme ich auch absolut zu: das Versal-ß sehe ich hier auch zum ersten Mal überhaupt harmonisch integriert. Das mit den verschiedenen, sich nur marginal unterscheidenden Schnitten sehe ich leider genauso.
Sebastian Nagel
Vielen Dank für die Meldung und natürlich die schönen Rückmeldungen. Ist ja meine erste, dementsprechend freue ich mich! :)
Bezüglich den Gewichten:
Natürlich sind 7 Abstufungen sehr fein. Ich hatte ja erst 4 Gewichte in Planung und gezeichnet. Nachdem ich aber in Testläufen mehrere Anfragen hatte ob es nicht noch was dazwischen gäbe, „weil das grade besser passen würde“, habe ich nochmal 3 Zwischenschritte erstellt. Nicht weil ich die Anzahl der Gewichte hochtreiben wollte, sondern vor allem um die Schrift flexibler nutzbar zu machen. Ich denke dass bei so einer Display-Schrift ja schon die gleichzeitige Verwendung von mehr als zwei Gewichten zu viel ist, aber welche tatsächlich zum Einsatz kommen hängt davon ab was man machen möchte, insofern ist es für mich aus Sicht des Typographen (der ich die meiste Zeit über bin) angenehm, diese Möglichkeit zu haben falls ich sie benötige.
Eine noch fettere Variante habe ich ausprobiert: wäre natürlich möglich, allerdings jenseits von Tschicholds ursprünglichem Ansatz einer Art „Pixelschrift“. Die Rundungen (z.B. beim „o“), die im Originalschnitt an deren Innenseite als Ecken mit Radius=0 ihren Extremwert erreichen, habe ich vorläufig als natürliche Grenze des Entwurfes festgelegt. Klar könnte man … ich bin ja in die andere Richtung auch gegangen. Mal sehen was noch wird.
erik
Könnt ihr bitte mit dieser unsäglichen bezeichnung „gewichte“ aufhören?
Das ist ein dummer anglizismus und heißt auf deutsch „schnitte“ oder „garnituren�?, wobei dabei vor allem die zu einer familie gehörenden schnitte wie gewöhnlich, kursiv, fett etc gemeint sind.
Natürlich belege ich auch die schnitte meiner schriften mit englischen bezeichnungen wie bold oder italic, weil die programme es nicht anders erkennen wollen. Aber in einem text über den entwurf der schriften sagen wir ja auch noch nicht „typefaces“, oder? Immerhin beneiden uns kollegen aus anderen ländern um das wort „schrift“, weil es alles umfasst, was mit geschriebenem zu tun hat, von der druckschrift über die handschrift zur abschrift und anklageschrift.
Dazu haben wir auch den schriftentwurf, den schriftträger, die schriftdatei (alias font) und sogar die Heilige Schrift. Aber nirgends ein schriftgewicht.
Desungeachtet hat Sebastian ein beachtliches erstlingswert abgeliefert.