FontBook-Obduktion zu Forschungszwecken

Vor zwei Wochen schrieb mir die Designerin Sigrid Dold aus Waldshut, wie sie das 1998er-FontBook ausein­ander genommen, foto­ko­piert, zerschnitten und neu sortiert habe. Sie bat um ein Mängelexemplar der aktu­ellen Auflage, um ihre Schriftmustersammlung zu aktua­li­sieren. Ich fand eins im Keller und schickte es ihr mit der Bitte, mir mehr über ihr Klassifizierungssystem zu schreiben.

Von Januar bis Juli 2004 zerlegte und zerschnip­pelte Sigrid Dold das »alte« Fontbook, entwi­ckelte ein Register und erfasste die Fonts in einer Excel-Datei. Bis heute fügte sie diesem System weiter »Kataloge« hinzu, beispiels­weise einen alten Letraset-Band, aber auch Neuerscheinungen aus Mailings und FontFont-Katalogen.

»Mit dem neuen FontBook kommt eine Vielzahl an neuen Schriften dazu, die ich sehr gerne einsor­tieren möchte. Allerdings: Die neuen Muster fort­lau­fend in das bestehende, hand­ge­klebte System und die Excel-Listen zu inte­grieren, bedeutet einen enormen Aufwand. Vor allem, da viele Fonts in mehrere Kategorien einge­teilt werden können, was ich bisher noch nicht berück­sich­tigt habe. Und so denke ich über eine Sortiermöglichkeit mittels Access-Datenbank und digi­talen Schriftmustern nach.«

Die Doldsche Klassifizierung glie­dert sich in 6 Hauptgruppen und 3 Nebengruppen, die maximal drei­fach verzweigt sein können. Ein Beispiel: 4 Display – 4.2 Flower Power – 4.Gemusterte – Streifen. Mehr über das System in diesem 2-seitigen PDF (1,2 MB): Dold-Schriftklassifizierung …


4 Kommentare

  1. indra

    Besonders gefällt mir die Gruppe 5.4.5: fürch­ter­liche kaputte Schreibschriften oder auch 5.8.5: Schreibschriften/Schöngeschriebene/Schöne

    Ich habe auch mal das letzte Fontbook durch klas­si­fi­ziert (natür­lich kupferschmid’sch ;-) Allerdings brauche ich nur Listen, da mir das sepa­rate Inhaltsverzeichnis des FB als Referenz reicht.
    Au ja – eigent­lich sollte es noch eine »Taschen-Variante« des Fontbook geben, alles Schriften nur mit Hamburgefonstiv oder so. Endlich wieder hand­lich, trans­por­tabel, schnell navigierbar …

  2. Jürgen

    Verschone mich bitte mit solchen sinn­vollen Ideen ;-)

  3. Jens

    ich finde eine solch subjek­tive Klassifizierung vom Ansatz gesehen sehr gut, da ich auch einen Haufen alter Schriftquellen in Form von Katalogen, Prospekten etc.pp. besitze und mir die ’normale‘ Klassifizierung zu ober­fläch­lich ist. 

    Besonders im Displaybereich könnte man wirk­lich noch reich­lichst unter­glie­dern. Ebenso im Script- oder im Bereich histo­ri­scher Schriften. Dazu auch eine reine Sortierung nach Hersteller und nach dem Alphabet würde für mich Sinn machen. Das hat den Vorteil, bei einer Recherche von verschie­denen Richtungen aus, wesent­lich schneller zum Ziel zu kommen… :)

  4. Henning

    Und da ist auch wieder der Latinozentrismus, der zu dieser ozea­ni­schen Gruppe Non-Latin führt. :)

    Muntere Mischung kunst­ge­schicht­li­cher, tech­nik­ge­schicht­li­cher, typo­gra­fie­im­ma­nenter und glattweg subjek­tiver Kriterien (»lustige« – das KANN nur die Comic Sans sein!). 

    Viel Freude habe ich auch an »4.4.4 = Display:Retro:Rückblickend«. Rückblickend retro­spektiv? Selbstbezügliche Ringverweise? Doppeltgemoppelte Tautologien? Diese Kategorie würde ich eher in »Lustige« einsor­tieren, zusammen mit den schönen Schöngeschriebenen.

    Ich krich’n taxo­no­mi­sches Schleudertrauma …

    Ernsthaft: brauch­bare (anwend­bare, sinn­stif­tende) Klassifikationen können in Zukunft nur noch als mehr­di­men­sio­nale Datenbank-Systeme ange­legt werden, bei denen man – unter anderem, nur SEHR grobe Beispiele! – histo­ri­sche, geogra­fi­sche, grafi­sche, tech­ni­sche, lingu­is­ti­sche Kategorien einzeln oder mitein­ander boolsch‘ verhei­ratet zur Suche verwenden kann. 

    Beispiele:
    • Schriften aus der Zeit der Französichen Revolution UND die in England ODER Deutschland entworfen wurden
    • Schriften, die für beson­ders kleinen Druck opti­miert wurden UND die in den 1970ern entworfen wurden UND deren Entwerfer US-Amerikaner ist. 

    Den posi­tiven Aspekt des vorlie­genden Ansatzes sehe ich wie Jens eben­falls darin, den gängigen Deformationen und Varianten der Display-Schriften mit Systematik auf die Pelle zu rücken (3D-Effekt, Shadow, Outline, Inline, Rauh, Unscharf, Deformiert usw.). Wir sehen, dass sich DIESE Kategorien auch auf jedes Schreibsystem (Hebräisch, Latein, Arabisch etc), jede typo­gra­fi­sche Stilistik (verbun­dene, gebro­chene), jede geome­tri­sche Proportion (Schmal, fett, links­kursiv usw) und jede kunst­ge­schicht­liche Epoche anwenden liessen.

    Ich habe auch wirk­lich nichts gegen subjek­tive Kriterien, soweit sie mit einer gewissen statis­ti­schen Berechtigung einge­führt sind und nicht im Schleudergang mit den anderen Sortierachsen durch­ein­an­der­wir­beln. Web-2.0-Technologien sollten auch dies möglich machen.

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