»Ein weiteres Buch …« von Stefan Sagmeister

Stefan Sagmeister sorgt seit Jahren vor allem mit seinen freien, künst­le­ri­schen Arbeiten, Aktionen und Installationen für Furore. Ab nächster Woche stellt er in Lausanne die von ihm und seinem Team entwor­fenen Promotion- und Werbematerialien aus. Das Musée de design et d’arts appli­qués contem­po­rains (Mudac) zeigt die Ausstellung vom 9. März bis 13. Juni 2011, danach wird sie vom 13. Oktober bis 19. Februar 2012 in Paris zu sehen sein (Les Arts Décoratifs). Zur Ausstellung hat der Verlag Hermann Schmidt Mainz diese Woche ein Buch veröf­fent­licht. Es ist kein Ausstellungskatalog im klas­si­schen Sinn, sondern ein aktu­elles Lese- und Bilderbuch, das – unab­hängig von der Ausstellung – die Methodik eines jeden Design-Praktikers stimu­lieren kann. Es ist also ein Lehrbuch!

Der ausführ­liche Titel der Neuerscheinung lautet Another Book … about Promotion & Sales Material (29,80 €, FontShop-Link), und es ist heraus­ge­geben von Stefan Sagmeister, Chantal Prod’Hom und Martin Woodtli (Gestaltung). Das Buch beginnt mt einem ausführ­li­chen, offen­her­zigen Interview, das die Herausgeberin und Kuratorin Chantal Prod’Hom mit Sagmeister in seinem New Yorker Büro geführt hat. Sie bezeichnet ihn als »Popstar des Grafikdesigns«, und wer einmal einen Sagmeister-Vortrag auf der TYPO gesehen hat, wird das bestä­tigen. In den 80er Jahren arbei­tete er selbst für berühmte Popstars wie Lou Reed, die Talking Heads und die Rolling Stones. Heute, 30 Jahre später, sind es Designer und Techniker, die wie Popstars die Welt bereisen oder mit Keynotes Einschaltquoten erzielen, wie früher der WDR Rockpalast. Sagmeister ist einer dieser Visionäre. In seinen Auftritten zele­briert er sein Privatleben als die Verlängerung seiner Arbeit, wo Schönheit, Moral, Geld und Ethik stets eine Rolle spielen.

Sagmeister gelingen scheinbar spie­le­risch Dinge, von denen andere Kollegen seit Jahren träumen. Angeblich kann er sich seine Kunden aussu­chen. Er mache keine Kompromisse. Er schlägt die Brücke zwischen Kunst und Kommerz. Er über­schreitet Grenzen. Und er ist ein genialer Verkäufer: im Dienst seiner Auftraggeber aus Wirtschaft und Kultur, seiner Freunde und seiner selbst. Seine Arbeiten sind das Ergebnis konzen­trierten Denkens. Und das ist echte Arbeit, auch wenn die Ergebnisse oft heiter und verspielt wirken.

Sein neustes Buch zeigt Arbeiten aus den letzten sieben Jahren. Es sind Jobs, die weder in »Things I have learned …« noch in »Made you look« vorge­stellt wurden. Vor allem gibt es Einblick in Sagmeisters Denken und Handeln, woraus er auch nie ein Geheimnis machte. Ganz im Gegenteil, er begrüßt das gegen­sei­tige Teilen von Wissen und Erfolg. Er verrät, warum krea­tive Freiheit perfekte Organisation braucht, und warum er das attrak­tive Angebot, für Obama tätig zu werden bislang ausge­schlagen hat. Er spricht über seine Liebe zu Codes, Geheimsprachen und subtilem Humor, über seine Ablehnung von Stil und darüber, was und wer in seine Notiz- und Skizzenbücher kommt.

Und er lässt Menschen zu Wort kommen, für die oder mit denen er gear­beitet hat. Und die sagen zum Beispiel über ihn: »Stefan ist zu intel­li­gent, zu beharr­lich und über­zeu­gend, um die Brillanz seiner Vorstellungskraft von so etwas Profanem wie Machbarkeit trüben zu lassen.« Der gebür­tige Österreicher besteht hart­nä­ckig auf Bildern, die große Marken, Wohltätigkeitsorganisationen und Ideen darstellen und einen unglaub­lich eigen­stän­digen Wert haben, der den flüch­tigen Medien von heute stand hält. Seine Arbeit doku­men­tiert die Dynamik von Information, Politik und Wirtschaft.

Sagmeisters Arbeit hat etwas Obsessives. Die Art, wie er Millionen von Münzen sorg­fältig auslegt, Tausende von Bananen in einer New Yorker Galerie auftürmt, auf den Wind und die Sonne wartet … all das für einen Augenblick der Ekstase, der so schnell vergeht wie er gekommen ist. Seine Arbeit ist temporär und vergäng­lich, drückt aber genau aus, worum es in einem erfüllten Leben geht.

Jede der gezeigten Auftragsarbeiten befasst sich mit dem Verkauf eines Produktes und dessen Werbestrategien. Wie die Ausstellung glie­dert sich auch das Buch in vier Schwerpunkte: Werbung für Kulturinstitutionen, Unternehmen, Freunde und Eigenwerbung für sein Büro Sagmeister Inc. Es sind die vier Standbeine seiner Arbeit. Und genau diese Standbeine sollten eigent­lich alle Designer im Auge haben, egal ob sie alleine arbeiten oder im Team.


12 Kommentare

  1. Asaad El Salawi

    Ich bin wohl einer der wenigen, der diesen Hype um Stefan Sagmeister nie verstehen wird.

  2. Thomas

    Das erste Buch seit langem, was ich unge­sehen kaufe!

  3. rainer

    »Und er ist ein genialer Verkäufer … « das und nur DAS ist das ware geheimnis von stefan sagmeister. genau dieses text­frag­ment bringt es zusam­men­ge­fasst auf dem punkt!

    nebenbei bemerkt ein weiteres span­nendes buch(projekt). hoffent­lich demnächst auch als ebook erhältlich.

  4. Jürgen Siebert

    Und er ist ein genialer Verkäufer …

    Auf diese Art isoliert klingt es wie ein Vorwurf. Ich halte es jedoch für eine Qualität, ein guter Verkäufer zu sein. Deshalb lautet mein Satz auch voll­ständig: Und er ist ein genialer Verkäufer: im Dienst seiner Auftraggeber aus Wirtschaft und Kultur, seiner Freunde und seiner selbst.

    Genial verkaufen kann man übri­gens nur, wenn man gute Ware hat … nur mal so zur Ergänzung.

  5. thomas junold

    sagmeister ist glaub­haft, das ist sein großer vorteil, der ihn von fast jeder werbe­agentur abhebt und ihn deshalb erfolg­reich sein lässt.

    verkaufen musst du um leben zu können, wenn du das inkl. authen­ti­zität schaffst, umso besser.

    warum als ebook?

  6. rainer

    @jürgen siebert: mein satz ist nicht als vorwurf zu verstehen; sondern viel­mehr als vorteil für herrn sagmeister. sonst könnte herr sagmeister auch nicht den spagat zwischen kunst & kommerz finan­ziell schaffen. 

    »Genial verkaufen kann man übri­gens nur, wenn man gute Ware hat … nur mal so zur Ergänzung.« gibt auch geniale ›ramsch­ver­käufer‹ … nur mal so zur ergän­zung. um das gleich klar­zu­stellen: ›ramsch­ver­käufer‹ bezieht sich nicht auf die bücher/verkaufstalent von herrn sagmeister. 

    ——————

    @thomas junold: aufgrund meines dyna­mi­schen arbeits­platz über­trage ich derzeit meine analoge biblio­thek nach und nach auf mein mbp um nicht ständig meine haus­bi­blio­thek in einem über­see­con­tainer zu verfrachten. daher begrüße ich selbst­re­dend ebooks (in welchem format auch immer … ).

  7. thomas junold

    rainer: ahh. dann *thumps up*

  8. rainer

    @thomas junold: bezieht sich aller­dings nur auf fach­li­te­ratur. abends vom ipad eine gute-nacht-geschichte ablesen — no way! dafür ›liebe‹ ich das gedruckte wort doch zu stark.

  9. Maria Lechner

    lieber hr. siebert,
    können sie mir bitte sagen, welche schrift für den mengen­satz verwendet wurde?
    würde mich interessieren.
    vielen dank, maria.

  10. Jürgen Siebert

    Hallo Maria,
    leider liegt mir das Buch nicht mehr vor. Ich bin sicher, dass die verwen­dete Schrift im Impressum vermerkt ist. Vielleicht suchen Sie einfach mal eine Bibliothek oder einen Buchladen auf.

    Liebe Grüße

  11. Felix

    Hallo Maria,
    laut Impressum wurde die »BD New Fournier von François Rappo« benutzt. Allerdings finde ich von François Rappo nur eine Fournier die bei swiss­ty­pe­faces erschienen ist. Dort heisst sie »New Fournier BP«. Aber ich denke das müsste sie sein.

    New Fournier BP

  12. Maria Lechner

    Herzlichen Dank!

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