Die Lifestyle-Illustrierte des Bauhaus
Heute beginnt im Berliner Bauhaus-Archiv eine Ausstellung über das Magazin »die neue linie«, das zwischen 1929 und 1943 im Leipziger Beyer-Verlag erschien. Als ambitionierte »Lifestyle-Illustrierte« (vordergründig nicht mehr als ein gehobenes Modemagazin) war ihr Konzept zu jener Zeit wegweisend: Keine andere Publikation setzte in ihrer Gestaltung derart konsequent die Ideen der typografischen Avantgarde für ein Massenpublikum um.
Führende Designer aus dem Bauhaus wie László Moholy-Nagy und Herbert Bayer prägten das Erscheinungsbild der Zeitschrift. Aus der Pressemitteilung: »Trotz medialer Gleichschaltung nach 1933 blieb die Handschrift der ansonsten beim Regime verhassten Bauhaus-Moderne bis in die Kriegsjahre hinein von Repressalien der NS-Machthaber weitgehend verschont.«
Ich glaube, die Zeit ist wieder reif … für ein paar »alte« gestalterische Ideen des Bauhaus wenn uns schon Vanity Fair und Park Avenue nicht inspirieren. Die Abbildung oben zeigt ein Titelbild von Laszlo Moholy-Nagy für die Erstausgabe des September 1929 (© Bauhaus-Archiv)
4 Kommentare
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franz
Mein Opa hat die immer gelesen, ich glaube, mein Vater hat noch Kisten davon auf dem Dachboden. Zum Teil wirklich gute, großzügige Gestaltung, Doppelseitige Farbfotos und vieles mehr, was wir heute für Erfindungen der „Neuzeit“ halten.
Benjamin Hickethier
Definitiv an Gestaltungsbeispielen (bis hin zu H. Bayers Typo-Experimenten), Material und Exponaten sehr inspirierend und erstaunlich umfangreich. Die inhaltliche Auseinandersetzung, Analyse und Kommentierung kommt in der Ausstellung leider etwas zu kurz (vermutlich im Katalog ausführlicher). Dabei ist gerade das an der Ausstellung und der ›neuen linie‹ interessant zu untersuchen: Wie verhält sich eine (›Lifestyle‹-)Zeitschrift mit einem so progressiven Ansatz, inhaltlich – das neue Frauenbild etwa – wie gestalterisch, in einer derart regressiven und repressiven Gesellschaft? Immerhin wurde Moholy-Nagy, Gestalter des Titelblatts der ersten Ausgabe und auch später bedeutender Mitarbeiter der ›neuen linie‹, von den Nationalsozialisten verfolgt. Und wenn man die Inhalte (›arische‹ Frauen, auffällig viel Japan- und Italien-Berichte, immer wieder antike [griechische] Statuen als idealer Menschentypus, unkommentierte ›Sommerolympiade 1936‹ bis später hin zu ›Führer‹-Büste, ›SS-Report‹ und in den Kriegsjahren mehrfach Stahlhelme auf dem cover) genauer betrachtet, merkt man eben doch, dass auch Info-/Entertainment sich natürlich zur Gesellschaft verhalten muss – und sich plötzlich doch leicht erschliesst, wie ein Bauhaus-inspiriertes Magazin den Nazis offenbar genehmer sein konnte, als man es sich für gewöhnlich vorstellt. In der Ausstellung gibt es einen Hinweis, dass die Nazis mit diesem ›avantgardistischen‹ Blatt ihr internationales Prestige stärken wollten, und auch das ist natürlich äußerst aufschlussreich.
Ansonsten sollten Herbert Bayers spätere Arbeiten für die nationalsozialistische Propagandamaschinerie weithin bekannt sein.
franz
Ganz richtig, es gibt spätere Ausgaben, die im Rahmen einer modernen, großzügigen Gestaltung auch mal die Waffengattungen der Wehrmacht verherrlichend darstellen, einen Jagdbomber in Großaufnahme (natürlich schön modern und großzügig, doppelseitig und in Farbe und natürlich über der englischen Küste) oder ähnliches. Wer glaubt, Nazis = Fraktur und moderne Gestaltung wäre im sog. Dritten Reich abgemeldet gewesen, der irrt gewaltig bzw. macht es sich zu einfach. Es gab ein ganz ausgeprägtes Bewußtsein der Notwendigkeit einer zielgruppenorientierten Gestaltung, und die Neue Linie richtete sich nun mal eine – zumindest in formaler Hinsicht – moderne und aufgeschlossene Elite.
Olaf
Danke für den Tipp. Wenn ich im April in Berlin bin werde ich sicherlich vorbeischaun.
Olaf