Nivea: Das Logo mit der Lücke
Die britische Creative Review widmet sich heute dem überarbeiteten Verpackungsdesign der weltweit vertriebenen Nivea-Kosmetik-Produkte und titelt spöttisch: »A cleaner, simpler N IVEA«. Dabei spielt der Autor Patrick Burgoyne auf den miserabel spationierten NIVEA-Schriftzug an, der seit einigen Jahren im Einsatz ist – mit einem auffällig weiten Abstand zwischen dem ersten und zweiten Buchstaben. Allerdings war die Logotype gar nicht Gegenstand des Redesigns, wie gestern bereits ein Kommentator im Designtagebuch treffend vermerkte. Und das ist schade, wäre doch die Überarbeitung von Fuseproject der ideale Zeitpunkt für die Behebung dieses Uraltfehlers.
Vertraut man der Nivea-Markenhistorie auf Pinterest, wurde der falsche Buchstabenabstand (er betrifft nicht nur N und I, sondern alle 5 Buchstaben) vor 20 Jahren eingeführt. Anfang 2000 bekam der Schriftentwerfer Achaz Prinz Reuss von Beiersdorf den Auftrag, aus dem Nivea-Logo eine komplette, eigenständige Schrift zu entwerfen. Ende 2000 schloss er die Arbeit ab. Ausgehend von der Kompromiss-Hauschrift Metro Black von William A. Dwiggins aus den 30er Jahren hatte Reuss eine Schriftfamilie mit zwölf Schnitten sowie eine Textversion erstellt. Seitdem wird für die Marke zur Identitätssteigerung ausschließlich dieser Zeichensatz verwendet, von der Korrespondenz über die Printanzeigen oder Fließtexte bis zur Verpackung – natürlich auch im Ausland, unter anderem mit den passenden kyrillischen und griechischen Zeichen.
Dass der Schriftentwerfer wahrscheinlich nicht für die Spationierung des Logos verantwortlich ist, verrät ein Blick auf die aktuelle Website. Dort zeigt sich die Nivea Bold in Überschriften – als Webfont, harmonisch spationiert – in Bestform:
Neu: Online-Forum zu Design und Rhetorik
Über Design reden ist nicht immer einfach. Design begründen noch weniger. Es gibt jedoch eine Wissenschaft, die sich hervorragend dafür eignet, Bilder und Gestaltung mit Worten zu beschreiben: die Rhetorik.
»Wer Rhetorik hört, denkt an Cicero und an ungeliebte Lateinstunden aus der Oberstufe. Doch schon in der Antike diente die Rhetorik einem Zweck, der auch im Design wesentlich ist: Wirkung erzielen.« so beschreibt der Konstanzer Professor Volker Friedrich die Zielrichtung des von ihm gegründeten wissenschaftlichen E-Journals »Sprache für die Form«, dass er mit Hilfe von Masterstudenten des Moduls Designrhetorik auf den Weg gebracht hat. Friedrich lehrt am Studiengang Kommunikationsdesign der Konstanzer Hochschule Schreiben und Rhetorik.
Unter www.designrhetorik.de kann man ab sofort Essays und Interviews von und mit renommierten Publizisten, Philosophen, Designern, aber auch von Studenten lesen. Des weiteren lassen sich Fachbegriffe in einem Wörterbuch nachschlagen. Oder man kann sich von den »Mythen des Alltags« unterhalten lassen. Selbst für visuelle Anreize ist gesorgt: Der Illustrator Prof. Thilo Rothacker hat einzelne Beiträge pfiffig illustriert. In den kommenden Monaten soll die Online-Publikation kräftig anwachsen und sich zu einer Referenz entwickeln.
Ein wissenschaftlicher Beirat steht dem Herausgeber ebenfalls zur Seite. Er besteht aus den Konstanzer Professoren Valentin Wormbs und Brian Switzer sowie aus Arne Scheuermann, Professor und Leiter des Forschungsbereichs Kommunikation an der Hochschule der Künste Bern. Die Redaktion, die von Friedrich mit den derzeitigen Konstanzer Masterstudenten der Studiengänge Kommunikationsdesign geführt wird, ist für die Inhalte zuständig.
Weitere Informationen … (Illustration: © Thilo Rothacker)
Umlaut-Integration mit Trim Poster
Umlaute in Headlines machen oft keine gute Figur. Besonders beim Satz von Periodika, wo der enge Zeilenabstand die Umlautpunkte oft an die Zeile darüber drängt. Abhilfe schaffen jetzt Letters from Sweden, die Ihre Display- und Editorial- Familie Trim Complete mit der Headline-Lösung Trim Poster verstärken. Beim Entwurf verfolgten Göran Söderström und Patch Hofweber ein ehrgeiziges Ziel: kompakte Versalien-Schlagzeilen, die nicht »anecken«.
Einen sehr variablen Headline-Font mit sieben Schriftschnitten von Extra-Compressed bis Expanded veröffentlichen Letter zum Ausbau ihrer Display und Editorial-Familie Trim
Akzentzeichen mit Platzbedarf weisen neben der deutschen Schriftsprache auch Polnisch, Portugiesisch, Tschechisch und die skandinavischen Sprachen auf. Trim Poster sorgt für Headline-verträgliche Akzent-Anpassungen bis zum letzten Háček.
Deutsch, Polnisch, Portugiesisch, Tschechisch und über 100 weitere Sprachen: vielfältige Sprachunterstützung gestattet grenzenloses Kommunizieren
Doppelte Umlautintegration erfolgt durch die Belegung von »A« und »a«-Taste und sorgt für Headline-Umlaut-Abwechslung
Durch Anwenden der OpenType Style Sets (02 – 05) in OpenType-kompatibler Gestaltungssoftware können x-Höhe und Form der Umlautzeichen zusätzlich angepasst werden.
Das Umlaut-Finetuning findet mithilfe der Stylistic Sets im OpenType-Menü statt
Fein aufeinander abgestimmt sind auch die Schriftschnitte: Der Grundschnitt Trim Poster Regular und sechs ergänzende Schnitte Trim Poster Extra Compressed, Trim Poster Compressed, Trim Poster Condensed, Trim Poster Semi Condensed, Trim Poster Semi Expanded und Trim Poster Expanded sorgen für Headline-Übersicht und passen sich jeder Satz-Situation an.
Sieben Headline Schriftschnitte ermöglichen eine fließende Überschriftengestaltung
Trim Poster ist eine Headline-Familie, die sich neben der Integration von Akzenten auch dem flexiblen Headline-Satz für Display- und Editorial-Anwendungen (Zeitschriften) verschreibt.
7 Fonts | 159 Euro, Einzelschnitt 49 Euro
| 7 Fonts | 129 Euro, Einzelschnitt 39 Euro
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Alle Preise verstehen sich zzgl. MwSt., vorbehaltlich Preisänderungen
Beck’s »Song Reader«: ein Lettering hebt ab
Es hat immer etwas Magisches, wenn eine Zeichnung die Papierebene verlässt und in den dreidimensionalen Raum abhebt. Das entstehende Objekt verleiht dem Ursprungsbild eine zusätzliche Glaubwürdigkeit, die es belebt und unsere Sichtweise verändert. Diesen Effekt verdeutlicht in anschaulicher Weise ein Video, das mit Jessica Hische Umschlaggestaltung (Abbildung unten) für das Notenbuch Song Reader (Amazon Link) des kalifornischen Musikers Beck spielt. Auf der Suche nach dem Popmusik-Format für das digitale Zeitalter veröffentlichte Beck im Dezember sein 12. Album nicht als CD oder Platte, sondern als Buch, genauer: eine Kladde mit großzügig bedruckten Notenblättern und nostalgischen Illustrationen, deren Ästhetik an die fünfziger Jahre erinnert. Die japanische Künstlerin und Beck-Fanpage-Betreiberin Ham ließ sich von Hisches Titelgestaltung zu einer faszinierenden Papierschneidearbeit inspirieren, die sie im folgenden Video festhielt:
Weil das neue Beck-Werk kein wirkliches Album ist, sondern ein Sammlung von Notenblättern, ergibt sich seine Daseinsberechtigung für die »Konsumenten« alleine aus der Fähigkeit, Noten zu lesen und ein Instrument spielen zu können. Wer über diese Gabe verfügt, der gibt, wer sie nicht hat, der empfängt … zum Beispiel YouTube-Filme mit den Interpretationen der Stücke. Und weil die Beck-Liebhaberin Ham leider kein Instrument spielt, versuchte sie auf ihre Art etwas zu geben, mit Papier, Klebstoff und Schere.
Weitere Informationen auf Fontfeed …
Platinus Pro zum Schwungpreis
Das argentinische Schriftenlabel Sudtipos hat sich der Wiederbelebung von Zierschriften der letzten 200 Jahre verschrieben. Neuester Wurf ist die förmliche Platinus Script Pro. Der Font stammt aus dem klassisch-kommerziellen Schriftzug der 1930er Jahre, der auf Grußkarten der 1980er und 1990er Jahre ein Comeback feierte. Die meisten Buchstaben bestehen aus einem einzigen Strich, der rhythmisch die Richtung ändert und einen lässigen und gleichzeitig präzisen Fluss erzeugt. Kalligraphie-Meister Alejandro Paul & Angel Koziupa ergänzten üppige Schwünge und Ligaturen.
Die Platinus Script Pro-Familie besteht aus den Schnitten Regular und Bold mit jeweils 570 Glyphen. Als Zierschrift veredelt sie Produktverpackungen, Buchumschläge, Menüs oder Grußkarten. Bis 31. Januar bieten wir Platinus mit einem Rabatt von 30% an. Alle Neuerscheinungen dieser Woche können Sie auf unserem Pinterest-Board Fresh-Fonts anschauen.
Satzklassiker (6): Smeijers Arnhem pioniert den Zeitungssatz
Anhaltend regnen Bleibuchstaben auf die Studierenden, bevor der Kurs sich der digitalen Produktion zuwendet. Die Type-Design-Studenten an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, die Fred Smeijers gemeinsam mit Stephan Müller leitet, erfahren die Geschichte des Schriftenentwurfs, dann das Zusammenspiel zwischen Schrift und Gesellschaft und gelangen von dort zur eigenen typografischen Positionierung. Smeijers eigenes Schriftenschaffen prägten stets drei Elemente:
i) die Analyse historischer Vorbilder,
ii) der Entwurf zeitkonformer Fonts mit modernsten digitalen Werkzeugen
iii) und die praktische Prüfung der Schrift im Druck.
So entstand auch die Arnhem-Familie: Die Staatszeitung der niederländischen Regierung beauftragte 1998 den renommierten »Werkplats Typografie«-Kurs der Arnheimer Hochschule der Künste mit einem Redesign.
Unveröfentlichtes Redesign der Nederlandse Staatscourant (aus »Dutch Type« von Jan Middendorp) →
Smeijers, der in Arnheim studiert hatte, wurde als typografischer Berater hinzugezogen. Als die Anforderungen an die einzusetzenden Schriften immer höher gerieten, beschloss Smeijers eine eigene Schrift für den modernen Zeitungssatz zu entwerfen.
Zunächst für die Headlines, später für den Textsatz. Die Bedeutung der Aufgabe und ein großzügiger Zeitplan seitens des staatlichen Auftraggebers, verschaften Smeijers die seltene Chance, seine eigene wie auch andere Schriften intensiv auf Zeitungsdruckmaschinen und -papier zu testen und optimale Eigenschaften für Editorial-Schriften zu entwickeln. Eine der Erkenntnisse: Die dreieckige Kopfserife dient der Lesbarkeit mehr, als alle ausgeklügelten Alternativen.
Das Druck-Kabinet des Antwerpener Museum Plantin-Moretus nutzte Smeijers regelmäßig für praktische Satz-Studien für (Foto: kunstenerfgoed.be)
Ergebnis nach unzähligen Studien, Tests und Korrekturen war eine frühe Editorial-Familie mit hoch-funktionalem Design, dass sich an französischen Satzschriften des 17. Jahrhunderts orientierte, jedoch seit der ersten Enwurfminute mit digitalen Werkzeugen erschaffen wurde.
Das Arnhem-Konzept funktioniert am besten mit großen Mengen von Fließtext. Fest verwurzelt in traditioneller Typografie, hat Arnhem einen modernen Touch, oder »eine Kante«, wie Erik Spiekermann es ausgedrückt hat, zu dessen fünf Lieblingschriften Arnhem zählt.
Die Erstauflage aus dem Jahr 2002 umfasste vier Schriftschnitte mit passenden Kursiven: Arnhem Blond, Arnhem Normal, Arnhem Bold und Arnhem Black.
2002 erschien die erste Arnhem-Familie mit vier Schnitten bei OurType. Allen gemeinsam ist die einfache dreieckige Kopfserife, diex dient der Lesbarkeit mehr als alle ausgeklügelten Alternativen.
Der Arnhem-Normalschnitt hat eine kräftige Farbe, die besonders in kleinen Punkgrößen (unter 8 Punkt!) und unter unvorteilhaften Druckbedingungen hervorragend lesbar bleibt. Statt eines Light-Schnittes entwickelte Smeijers eine Blond-Version, die unter Zeitungsdruck-Bedingungen nicht wegbricht.
Textmuster der Arnhem Blond, Serif und Bold aus FontBooklet Nr. 1, zum Beurteilen und Vergleichen von Satzschriften
Acht Jahre nach der Erstveröffentlichung präsentiert Smeijers die zweite Generation der Arnhem-Familie. Mit kleinen Überarbeitungen an Bauform, Veränderungen am Abstand zwischen den Zeichen und einem SemiBold-Schnitt. Der Arnhem-PRO-Zeichensatz im OpenType-Format umfasst heute alles was eine moderne Editorialschrift braucht: Kapitälchen, Lining- , Old Style- und Small Caps- Ziffern (proportiornal und für Tabellen); Brüche; wissenschaftliche Sonderzeichen, Nominatoren und Denominatoren; mathematische Zeichen und Währungssymbole (tabular und proportional); Pfeile; Ligaturensätze und alle Akzentbuchstaben für west-, zentral- und osteuropäische Sprachen. Ein Glyphenvorrat von über 900 Zeichen pro Schriftschnitt.
Zur Arnhem-Textfamilie stieß die Titel-Variante Arnhem Fine mit Bold- und Roman-Schnitt und passenden Kursiven. Smeijers orientierte Ihr Laufverhalten und ihre Proportionen am Bedarf des Headlinesatzes in großen Textgrößen. Die beste Leseleistung erzielen diese Headline-Fonts in Größen ab 14 Punkt. Im Vergleich zu Arnhem Text-Schriften, verläuft die Form »knackiger« in Details, wie Serifen oder Kurvenverbindungen. Ein weiterer wichtiger Unterschied besteht in den Proportionen: Fine-Versionen haben längere Ober-und Unterlängen und eine reduzierte x-Höhe – auch aus der Entfernung finden Arnhem-Headlines Ihre Leser.
Nachdem der ursprüngliche Einsatz von Arnhem im Nederlandse Staatscourant an bürokratischen Hürden gescheitert war, fand die neue Editorialfamilie reissenden Absatz im Zeitschriften-Design. Arnhem Fine und Arnhem kamen 2007 nach dem Redesign des Financieele Dagblad (Bild oben ↑) zum Einsatz. Headlines, schmale Headlines und Textspalten wurden mit einem Mix aus Arnhem-Standard- Schnitten und individuell angepassten Arnhem-fd.– Schnitten gesetzt.
Über den Entwerfer: Fred Smeijers ist ein holländischer Typograf, der sich der typografischen Forschung und Entwicklung verschrieben hat. Er hat unter anderem die Schriften Quadraat, Quadraat Sans (FontShop), Renard (The Enschedé Font Foundry), Arnhem, Fresco, und Sansa entworfen. Die letzten drei erschienen bei OurType, dem Font Label das Smeijers zusammen mit Rudy Geeraerts von FontShop Benelux gegründet hat. Smeijers entwickelte Schriften, unter anderem für Océ, Philips, The New Dutch Telephone Books, MAN/BMW, Canon-Europe und Lloyds. Er veröffentlichte Counterpunch (1996, Hyphen Press) und Type Now – a manifesto (2003, Hyphen Press, Neuauflage 2010). Im Jahr 2000 erhielt er den Gerrit Noordzij Preis. 2004 erhielt er die Berufung an die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB), Leipzig, seit 2011 leitet er dort gemeinsam mit Stephan Müller die Klasse für Type-Design.
Arnhem bei FontShop:
Arnhem Pro Complete | 20 Fonts | 800 Euro, Einzelschnitt ab 80 Euro
Arnhem Fine Family OT | 4 Fonts | 120 Euro, Einzelschnitt ab 40 Euro
Quellen:
I love Typoraphy, Februar 2008, Chris Sowersby
Grafische Revue Österreichs 03_06, Michael Karner (PDF)
Dutch Type, 2004, Jan Middendorp, Printversion vergriffen
100 Beste Schriften, Platz 29: Arnhem
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Alle Preise verstehen sich zzgl. MwSt., vorbehaltlich Preisänderungen
Die müssen raus: Poladarium und Typodarium
Wir brauchen Platz im Regal, und darum gibt es die beliebten Bild-Tageskalender Poladarium 2013 und Typodarium 2013 jetzt bei FontShop zum Sonderpreis: 15 € statt 20,92 € bzw. 13 € statt 15,70 € (zzgl. MwSt; keine Versandkosten). Mehr Informationen und Bilder zu den beiden Kalendern im Store. Und: Wir liefern das Typodarium noch in der anderswo vergriffenen silbernen Sammelbox.
Zum Typodarium auf fontshop.de …
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Augenschmaus: »In einer deutschen Pension«
Seit längerer Zeit beobachte ich das bemerkenswerte Programm der Edition Büchergilde (vgl. u. a. Fontblog: 36 Versicherungsblüten, illustriert von Jens Bonnke). In dem Frankfurter Verlag erscheinen wunderbar ausgestattete Bücher, zeitgemäß Illustriert und lesefreundlich typografiert.
Die Büchergilde (Gutenberg) wurde 1924 als Buchgemeinschaft vom Bildungsverband der deutschen Buchdrucker auf Initiative seines Vorsitzenden Bruno Dreßler in Leipzig gegründet. In der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung stehend, ermöglichte sie ärmeren Leuten durch preiswerte Bücher den Zugang zu Bildung und Kultur. Nach dem Krieg baute der Sohn des Gründers, Helmut Dreßler, die Büchergilde in Frankfurt am Main wieder auf. Bis zu seinem Tode im Dezember 1974 engagierte sich Dreßler für handwerklich gut gemachte, illustrierte Bücher. Diese Tradition setzt sich bis heute fort.
Im Herbst 2002 wurde der eigenständige Verlag Edition Büchergilde ausgegliedert, um Eigenproduktionen auch auf dem freien Buchmarkt anzubieten. Seitdem erscheinen in dem jungen Verlag Belletristik, Sachbuch sowie die Künstleredition »Die Bibliothek von Babel« mit Umschlagillustrationen von Bernhard Jäger. Seit Herbst 2008 gibt der Ilija Trojanow in der Edition Büchergilde die Reihe »Weltlese – Lesereisen ins Unbekannte« heraus.
Die neuste Veröffentlichung erscheint zum 90. Todestag der neuseeländischen Kurzgeschichten-Autorin Katherine Mansfield. Sie ist als Meisterin der Short Story in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Beneidet von ihrer Zeitgenossin Virginia Woolf, war sie Vorbild großer Autoren wie F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway. 1909 verbrachte Katherine Mansfield einigeMonate in einer Pension im bayerischen Bad Wörishofen. Hier verfasste sie ein Dutzend messerscharfer Porträts und funkelnde Gesellschaftsskizzen, die 1911 unter dem Titel »In einer deutschen Pension« erschienen und sie berühmt machten.
In Mansfields Erzählungen tummeln sich auffällig fröhliche Witwen neben verunsicherten jungen Ehefrauen, auch der Teller voller Fleisch zur Mittagsstunde wie auch die alleingelassenen Kinder der so fürsorglichen Mütter stehen unter der Beobachtung der Autorin. Gekonnt stellt sie die Vorurteile und Stereotypen der englischen und deutschen Mentalität auf den Prüfstein. Aus dieser Distanz und der daraus entstehenden Spannung zwischen den Mentalitäten zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsteht ein Panoptikum, das durch das Können Katherine Mansfields sowohl Gesellschaftskritik übt als auch Klischees auf den Prüfstand stellt. Elisabeth Schnack hat die Geschichten übersetzt und mit einem ausführlichen biografischen Essay versehen.
Bebildert wurden die scharfzüngigen Texte mit üppigen Tableaus der Künstlerin Joe Villion, in denen sie Jugendstil-Elemente mit surrealen Bildideen und lebendigen Farben mixt. Villion wurde 1981 in München geboren, wuchs in Italien und Griechenland auf und lebt seit 2001 in Berlin. Dort studierte sie bei Henning Wagenbreth an der Universität der Künste. 2010 gewann sie den Gestalterpreis der Büchergilde für »Zazie in der Metro«, für das sie 2011 ebenfalls das Ehrendiplom der Stiftung Buchkunst für ausgezeichnete buchkünstlerische Leistungen erhielt.
Das 280-seitige Hardcover-Buch wurde in drei Sonderfarben plus schwarz gedruckt. Es enthält 21 Abbildungen und kostet 24,95 €. Gesetzt ist es übrigens aus der wunderbaren Proforma Book (10,5 auf 15 Punkt), entworfen von Petr van Blokland. (ISBN 978-3-86406-020-5)