Fontblog Artikel des Jahres 2010

Nicht lesen (3): Grabowski vs. Siebert

Land unter bei Auweier Unhold & Partner! Agentur-Chef Grabowski nutzt die Gelegenheit und hat sich in die agen­tur­ei­gene Bibliothek zurück­ge­zogen. Dort sitzt er in einem seidenen Herrenmorgenmantel bei Whiskey und Zigarre im Ohrensessel vor dem pras­selnden Kaminfeuer und schmö­kert gemüt­lich in einem Ratgeber für Führungskräfte, als sich plötz­lich die Ereignisse überschlagen.

Mit einer drin­genden Ad-hoc-Eil-Ticker-Echtzeit-Mouth-to-Ear-Meldung platzt Chef-Praktikantin Eisi in die Bibliothek. Es hat wohl eben, sagt sie – und jetzt halten Sie sich fest – ein Kunde ange­rufen! Und mehr noch: Er, der Kunde, hätte wohl sogar was gesagt. Und zwar unge­fähr das …

Eisi Verspeisi: Hee Grabowski, der Kunde hat ange­rufen. Er fragt, welche Schrift wir eigent­lich benutzen wollen, für was auch immer da kommen möge.

Grabowski: Welche Schrift? Na deut­sches Alphabet, würde ich vorschlagen. Damit haben wir doch ganz gute Erfahrungen gemacht, oder nicht?

Eisi Verspeisi: Genau das habe ich ihm auch gesagt. Aber die Frage war eher typo­gra­fisch gemeint.

Grabowski: Typografisch? Was sind’n das schon wieder für Sperenzien? Aber was soll’s. Ich habe eh gerade vor, mal ein wenig führungs­kräf­te­mäßig meine Spektren zu erwei­tern oder so. Also Eisi, gleich mal recher­chieren, wer sich damit auskennt, und dann Interview-Termin verein­baren. Aber pronto und auf Entscheider-Ebene.

Eisi Verspeisi: Geht klar, Chef.

Und wenige Tage später saß Herr Grabowski zum Interview-Termin bei Jürgen Siebert in den Räumen von Fontshop. Wir haben uns erlaubt, das Gespräch der beiden für Sie aufzu­zeichnen; und zwar wie folgt:

Grabowski: Guten Tag, Herr Siebert. Ich will gleich zur Sache kommen. Lassen Sie uns über Typografie reden. Wozu ist das gut und was kostet das denn?

Siebert: (grinst)

Grabowski: Wenn ich mal aus meiner Sicht spre­chen darf, ich bin ja ursprüng­lich gelernter Tresentexter und habe ja auch sonst den ganzen Tag mit Buchstaben zu tun. Da brauche ich doch nicht auch noch Schrift.

Siebert: (giggelt)

Grabowski: Mal ehrlich, dieses ganze Gewese um diese Fonts … sie machen das sogar beruf­lich oder? Finden Sie das nicht ein biss­chen albern auf Dauer?

Siebert: (gackert)

Grabowski: Und wie viele Kataloge Sie hier rumfliegen haben. Was da alles über Schriften geschrieben steht. Ich meine, Schriften sind doch dazu da, dass man mit ihnen schreibt und nicht mit ihnen über sie oder so. Das macht doch keinen Sinn.

Siebert: (lacht laut auf)

Grabowski: Und was ist daran jetzt so witzig?

Siebert: (hält sich den Bauch vor Lachen und kippt fast vom Stuhl)

Grabowski: Na wenigs­tens haben Sie Spaß mit diesem Schriftenkram, scheint mir. Sie sind mir echt ’n komi­scher Typo.

Siebert: (kriegt kaum noch Luft vor Lachen)

Grabowski: Huch, jetzt läuft er auch noch blau an. Ihr habt ja echt ein paar starke Tricks drauf, Ihr Schriftis.

Siebert: (beru­higt sich langsam und atmet durch) So Herr Grabowski, dann kommen wir mal zum Ende.

Grabowski: Wie bitte? Ich habe Sie nicht verstanden. In welcher Typo haben Sie eben zu mir gespro­chen? Hahaha!

Siebert: Ist genug jetzt.

Grabowski: Aber Sie haben doch über­haupt noch nichts zu diesem Gespräch beigetragen!

Siebert: Aber Sie haben dafür umso mehr geredet.

Grabowski: Ja genau. Nicht schlecht, was?

Siebert: Ganz toll, ja. Auf Wiedersehen, Herr Grabowski.

Grabowski: Aber …

Siebert: Jetzt aber raus hier!

Grabowski: Mann, Mann, Mann … So kommen wir echt nicht zusammen.

Siebert: Das hoffe ich doch. Auf Wiedersehen.

Grabowski: Schüssi, Du Typi.

Was Jürgen Siebert nicht wusste: Grabowski hatte sein bren­nendes Interesse an Typografie nur vorge­täuscht und heim­lich ein paar Kataloge gezockt. Damit sollten sich dann die Mitarbeiter von Auweier Unhold & Partner beschäf­tigen. Und mehr noch: Während Herr Siebert lachend Grabowskis Interview-Technik erlag, hatte der sogar noch eine Tageszeitung mitgehen lassen. Und gleich noch 80 Cent für die Zeitung gespart, dachte sich Grabowski. Ein erfolg­rei­cher Termin war das.

Text: © Michael Bukowski 2010, lektuere​-fuer​-nicht​leser​.de

Abbildung oben: © PhotoAlto via ZOOM @ www​.font​blog​.de

Abbildung Mitte: © Radius via ZOOM @ www​.font​blog​.de


Kostenloser Font zu Jean-Luc Godards 80. Geburtstag

Der fran­zö­si­sche Filmregisseur Jean-Luc Godard, Meister der Nouvelle Vague, wird morgen 80. Er gilt als einer der inno­va­tivsten, aber auch umstrit­tensten fran­zö­si­schen Regisseure. Anfang der 1960er Jahre brach er mit den Konventionen des Erzählkinos und schuf eine ganz eigene Filmsprache. Seinen ersten Spielfilm »Außer Atem« (1959), entstanden nach einem Drehbuch von François Truffaut, insze­nierte Godard jenseits der klas­si­schen Regeln der Filmkunst. Er verwen­dete viele Außenaufnahmen, arbei­tete mit Handkamera, direkter Tonaufnahme und führte eine völlig neue Form des Filmschnitts ein.

Den Geburtstag des großen Regisseurs möchten die Schriftentwerfer Kai Bernau und Susana Carvalho (Atelier Carvalho Bernau, Den Haag) ab Mitternacht mit einem kosten­losen Font feiern, den möglichst viele Film- und Schriftliebhaber down­loaden sollten. Sie schreiben in einer Mail an Fontblog: »As an hommage to Jean-Luc, to the Nouvelle Vague, to Seberg, Karina, Faithfull & Cie., we present you our Jean-Luc type­face, as a birthday gift for ever­yone. Voilá!« Die Schrift basiert auf dem Lettering der Filmtitel für »Made in U.S.A.« (siehe unten) und »2 ou 3 choses que je sais d’elle«. Ab Mitternacht lässt sich der Font für 24 Stunden auf dieser Website laden: http://​www​.carvalho​-bernau​.com/​jlg


Geschenkidee Nº 3, empfohlen von Fontblog

Bei meinem vorweih­nacht­li­chen Gang durch das FontShop-Lager fiel mir das Lege- und Gedächtnisspiel mit HAND & FUSS in die Hände. Es heißt Und & Und, enthält keine Bilder und stammt aus dem Hause Himmelspach & Riebenbauer, ein junger Verlag für Sprachspiele mit Sitz in Wien und Berlin. Bei diesem Spiel geht es darum, Paare wie ACH & KRACH, GIFT & GALLE, SCHUTT & ASCHE oder HÄNGEN & WÜRGEN zu bilden, also Wörter, die wie PECH & SCHWEFEL zusam­men­halten. Die Sprachwissenschaft spricht in solchen Fällen von Paarformeln. Sie sind im deut­schen Sprachgebrauch GANG & GÄBE und setzen sich jeweils aus zwei Wörtern mit ähnli­cher oder aber auch komplett gegen­sätz­li­cher Bedeutung zusammen. Sie werden seit EH & JE benutzt, um einer Aussage beson­deren Nachdruck zu verleihen.

UND & UND wird mit 64 Wörtern ausge­lie­fert, aller­dings ohne WENN & ABER. Es kostet bei FontShop 17 € (zzgl. MwSt und 7 € Versand). Zur Bestellseite …


Deutsche Welle TV: Wie uns Schrift beeinflusst

Nachdem das gest­rige Video unserer Schrift-Ausstellungsführung mit Erik Spiekermann so gut ange­kommen ist, gleich ein weiteres Video mit unserem Firmengründer. Die Deutsche Welle hat sich mal mit einfa­chen Worten erklären lassen, wie uns Geschriebenes durch den Großstadtdschungel leitet, was eine gute Schrift von einer schlechten unter­scheidet und warum das touris­ti­sche Leitsystem in Berlin nichts taugt.


Willkommen im Club, typo​lu​tion​.de

Es kann gar nicht genug über Schrift und Typografie gespro­chen und geschrieben werden. Das Interesse an Typo-Stammtischen, -Konferenzen, -Ausstellungen, –Seminaren und -Schulungen ist größer als je zuvor, sicher­lich auch durch die frisch gewon­nene typo­gra­fi­sche Freiheit im Internet. Darum möchte ich ganz herz­lich ein typo­gra­fi­sches Blog begrüßen, das zu einer neuen Generation von Weblogs gehört: typo​lu​tion​.de. Benjamin Göck, der sich als Gestalter bescheiden Kuhdorf Design nennt, hat Typolution heute gestartet, setzt von Anbeginn Webfonts ein und schreibt mir heute: »Als Schriftenliebhaber hab ich nun meinen eigenen Blog ins Leben gerufen. Das erste Thema hab’ ich natür­lich den Webfonts gewidmet. Schauen Sie doch einfach mal vorbei. … Zum Einsatz kommen übri­gens FF Sanuk Web, für den Fließtext die Droid Serif und FF Meta Serif ist in Vorbereitung.« Weiter so, Benjamin: Wir freuen uns auf den nächsten Beitrag.


Video von Erik Spiekermanns Welt-aus-Schrift-Führung

Am Abend des vergan­genen Dienstags lud FontShop seine Berliner Kunden ins Kulturforum, um dort gemeinsam die Ausstellung Welt aus Schrift anzu­sehen (Fontblog berich­tete: Sehen wir uns in 3 Wochen und Bilderbogen). Binnen 24 Stunden meldeten sich 300 Interessierte zu dieser Veranstaltung an. Wir haben ein 10-Minuten-Video produ­zieren lassen, das einige der Höhepunkte von Erik Spiekermanns Führung durch die Ausstellung fest­hält (Regie, Kamera, Ton und Schnitt: Robert Schatton)


Welt aus Schrift

Am 23. November 2010 fand in den Sonderausstellungshallen des Berliner Kulturforums eine von FontShop orga­ni­sierte Führung durch die Ausstellung »Welt aus Schrift« statt. Hier gibt es nun einige Videoschnipsel mit Erik Spiekermann von diesem Event … ‎gedreht und geschnitten von Robert Schatton – Danke!


✪ Sloop, 75 € statt 108,– €

Die Schreibschrift Sloop von The Font Bureau, digi­ta­li­siert von Richard Lipton, strahlt wie kaum eine andere Script Eleganz und Wertigkeit aus. Man kann sie sich unmit­telbar auf dem Etikett eines teuren Weines oder auf einem Wertpapier vorstellen. Sie basiert auf Vorlagen des Kalligrafen Raphael Boguslav, Sohn russi­scher Eltern und 1929 auf Long Island geboren. Von 1956 bis in die 60er Jahre arbei­tete Boguslav für die Agentur Lippincott & Margulies, wo er Schriftzüge und Logos entwarf, unter anderem für New York Life, PPG und Chrysler. In den 1970er Jahren machte er sich als Lettering-Künstler selb­ständig. Seine Schrift Avia gewann mehrere Designpreise. Raphael Boguslav lehrte an der Cooper Union und an der Rhode Island School of Design (RISD). Er starb im Sommer 2010.

Mit der Sloop-Familie zu arbeiten und zu spielen macht nicht nur Freude, es ist sogar die Voraussetzung dafür, gute Ergebnisse zu erzielen. Anders als bei den übli­chen Script-Fonts mit Alternativ-Schnitten werden die drei Sloop-Formen gemischt und nicht sorten­rein einge­setzt. Dies ergibt einer­seits ein fein abge­stimmtes Schriftbild, auf der anderen Seite »nutzt sich die Schrift weniger ab« – man wird ihrer nicht überdrüssig.

Die fest­liche Sloop gibt es in drei Strichstärken: Regular, Medium und Bold – jeweils mit 3 Fonts. In dieser Woche bietet FontShop die Roman-Familie mit einem Nachlass von 33 % an, nämlich für nur 75 € statt 108 €. Hier geht es zur Bestellung …