Nicht lesen (3): Grabowski vs. Siebert
Land unter bei Auweier Unhold & Partner! Agentur-Chef Grabowski nutzt die Gelegenheit und hat sich in die agentureigene Bibliothek zurückgezogen. Dort sitzt er in einem seidenen Herrenmorgenmantel bei Whiskey und Zigarre im Ohrensessel vor dem prasselnden Kaminfeuer und schmökert gemütlich in einem Ratgeber für Führungskräfte, als sich plötzlich die Ereignisse überschlagen.
Mit einer dringenden Ad-hoc-Eil-Ticker-Echtzeit-Mouth-to-Ear-Meldung platzt Chef-Praktikantin Eisi in die Bibliothek. Es hat wohl eben, sagt sie – und jetzt halten Sie sich fest – ein Kunde angerufen! Und mehr noch: Er, der Kunde, hätte wohl sogar was gesagt. Und zwar ungefähr das …
Eisi Verspeisi: Hee Grabowski, der Kunde hat angerufen. Er fragt, welche Schrift wir eigentlich benutzen wollen, für was auch immer da kommen möge.
Grabowski: Welche Schrift? Na deutsches Alphabet, würde ich vorschlagen. Damit haben wir doch ganz gute Erfahrungen gemacht, oder nicht?
Eisi Verspeisi: Genau das habe ich ihm auch gesagt. Aber die Frage war eher typografisch gemeint.
Grabowski: Typografisch? Was sind’n das schon wieder für Sperenzien? Aber was soll’s. Ich habe eh gerade vor, mal ein wenig führungskräftemäßig meine Spektren zu erweitern oder so. Also Eisi, gleich mal recherchieren, wer sich damit auskennt, und dann Interview-Termin vereinbaren. Aber pronto und auf Entscheider-Ebene.
Eisi Verspeisi: Geht klar, Chef.
Und wenige Tage später saß Herr Grabowski zum Interview-Termin bei Jürgen Siebert in den Räumen von Fontshop. Wir haben uns erlaubt, das Gespräch der beiden für Sie aufzuzeichnen; und zwar wie folgt:
Grabowski: Guten Tag, Herr Siebert. Ich will gleich zur Sache kommen. Lassen Sie uns über Typografie reden. Wozu ist das gut und was kostet das denn?
Siebert: (grinst)
Grabowski: Wenn ich mal aus meiner Sicht sprechen darf, ich bin ja ursprünglich gelernter Tresentexter und habe ja auch sonst den ganzen Tag mit Buchstaben zu tun. Da brauche ich doch nicht auch noch Schrift.
Siebert: (giggelt)
Grabowski: Mal ehrlich, dieses ganze Gewese um diese Fonts … sie machen das sogar beruflich oder? Finden Sie das nicht ein bisschen albern auf Dauer?
Siebert: (gackert)
Grabowski: Und wie viele Kataloge Sie hier rumfliegen haben. Was da alles über Schriften geschrieben steht. Ich meine, Schriften sind doch dazu da, dass man mit ihnen schreibt und nicht mit ihnen über sie oder so. Das macht doch keinen Sinn.
Siebert: (lacht laut auf)
Grabowski: Und was ist daran jetzt so witzig?
Siebert: (hält sich den Bauch vor Lachen und kippt fast vom Stuhl)
Grabowski: Na wenigstens haben Sie Spaß mit diesem Schriftenkram, scheint mir. Sie sind mir echt ’n komischer Typo.
Siebert: (kriegt kaum noch Luft vor Lachen)
Grabowski: Huch, jetzt läuft er auch noch blau an. Ihr habt ja echt ein paar starke Tricks drauf, Ihr Schriftis.
Siebert: (beruhigt sich langsam und atmet durch) So Herr Grabowski, dann kommen wir mal zum Ende.
Grabowski: Wie bitte? Ich habe Sie nicht verstanden. In welcher Typo haben Sie eben zu mir gesprochen? Hahaha!
Siebert: Ist genug jetzt.
Grabowski: Aber Sie haben doch überhaupt noch nichts zu diesem Gespräch beigetragen!
Siebert: Aber Sie haben dafür umso mehr geredet.
Grabowski: Ja genau. Nicht schlecht, was?
Siebert: Ganz toll, ja. Auf Wiedersehen, Herr Grabowski.
Grabowski: Aber …
Siebert: Jetzt aber raus hier!
Grabowski: Mann, Mann, Mann … So kommen wir echt nicht zusammen.
Siebert: Das hoffe ich doch. Auf Wiedersehen.
Grabowski: Schüssi, Du Typi.
Was Jürgen Siebert nicht wusste: Grabowski hatte sein brennendes Interesse an Typografie nur vorgetäuscht und heimlich ein paar Kataloge gezockt. Damit sollten sich dann die Mitarbeiter von Auweier Unhold & Partner beschäftigen. Und mehr noch: Während Herr Siebert lachend Grabowskis Interview-Technik erlag, hatte der sogar noch eine Tageszeitung mitgehen lassen. Und gleich noch 80 Cent für die Zeitung gespart, dachte sich Grabowski. Ein erfolgreicher Termin war das.
Text: © Michael Bukowski 2010, lektuere-fuer-nichtleser.de
Abbildung oben: © PhotoAlto via ZOOM @ www.fontblog.de
Abbildung Mitte: © Radius via ZOOM @ www.fontblog.de
Kostenloser Font zu Jean-Luc Godards 80. Geburtstag
Der französische Filmregisseur Jean-Luc Godard, Meister der Nouvelle Vague, wird morgen 80. Er gilt als einer der innovativsten, aber auch umstrittensten französischen Regisseure. Anfang der 1960er Jahre brach er mit den Konventionen des Erzählkinos und schuf eine ganz eigene Filmsprache. Seinen ersten Spielfilm »Außer Atem« (1959), entstanden nach einem Drehbuch von François Truffaut, inszenierte Godard jenseits der klassischen Regeln der Filmkunst. Er verwendete viele Außenaufnahmen, arbeitete mit Handkamera, direkter Tonaufnahme und führte eine völlig neue Form des Filmschnitts ein.
Den Geburtstag des großen Regisseurs möchten die Schriftentwerfer Kai Bernau und Susana Carvalho (Atelier Carvalho Bernau, Den Haag) ab Mitternacht mit einem kostenlosen Font feiern, den möglichst viele Film- und Schriftliebhaber downloaden sollten. Sie schreiben in einer Mail an Fontblog: »As an hommage to Jean-Luc, to the Nouvelle Vague, to Seberg, Karina, Faithfull & Cie., we present you our Jean-Luc typeface, as a birthday gift for everyone. Voilá!« Die Schrift basiert auf dem Lettering der Filmtitel für »Made in U.S.A.« (siehe unten) und »2 ou 3 choses que je sais d’elle«. Ab Mitternacht lässt sich der Font für 24 Stunden auf dieser Website laden: http://www.carvalho-bernau.com/jlg
Geschenkidee Nº 3, empfohlen von Fontblog
Bei meinem vorweihnachtlichen Gang durch das FontShop-Lager fiel mir das Lege- und Gedächtnisspiel mit HAND & FUSS in die Hände. Es heißt Und & Und, enthält keine Bilder und stammt aus dem Hause Himmelspach & Riebenbauer, ein junger Verlag für Sprachspiele mit Sitz in Wien und Berlin. Bei diesem Spiel geht es darum, Paare wie ACH & KRACH, GIFT & GALLE, SCHUTT & ASCHE oder HÄNGEN & WÜRGEN zu bilden, also Wörter, die wie PECH & SCHWEFEL zusammenhalten. Die Sprachwissenschaft spricht in solchen Fällen von Paarformeln. Sie sind im deutschen Sprachgebrauch GANG & GÄBE und setzen sich jeweils aus zwei Wörtern mit ähnlicher oder aber auch komplett gegensätzlicher Bedeutung zusammen. Sie werden seit EH & JE benutzt, um einer Aussage besonderen Nachdruck zu verleihen.
UND & UND wird mit 64 Wörtern ausgeliefert, allerdings ohne WENN & ABER. Es kostet bei FontShop 17 € (zzgl. MwSt und 7 € Versand). Zur Bestellseite …
Deutsche Welle TV: Wie uns Schrift beeinflusst
Nachdem das gestrige Video unserer Schrift-Ausstellungsführung mit Erik Spiekermann so gut angekommen ist, gleich ein weiteres Video mit unserem Firmengründer. Die Deutsche Welle hat sich mal mit einfachen Worten erklären lassen, wie uns Geschriebenes durch den Großstadtdschungel leitet, was eine gute Schrift von einer schlechten unterscheidet und warum das touristische Leitsystem in Berlin nichts taugt.
Willkommen im Club, typolution.de
Es kann gar nicht genug über Schrift und Typografie gesprochen und geschrieben werden. Das Interesse an Typo-Stammtischen, -Konferenzen, -Ausstellungen, –Seminaren und -Schulungen ist größer als je zuvor, sicherlich auch durch die frisch gewonnene typografische Freiheit im Internet. Darum möchte ich ganz herzlich ein typografisches Blog begrüßen, das zu einer neuen Generation von Weblogs gehört: typolution.de. Benjamin Göck, der sich als Gestalter bescheiden Kuhdorf Design nennt, hat Typolution heute gestartet, setzt von Anbeginn Webfonts ein und schreibt mir heute: »Als Schriftenliebhaber hab ich nun meinen eigenen Blog ins Leben gerufen. Das erste Thema hab’ ich natürlich den Webfonts gewidmet. Schauen Sie doch einfach mal vorbei. … Zum Einsatz kommen übrigens FF Sanuk Web, für den Fließtext die Droid Serif und FF Meta Serif ist in Vorbereitung.« Weiter so, Benjamin: Wir freuen uns auf den nächsten Beitrag.
Video von Erik Spiekermanns Welt-aus-Schrift-Führung
Am Abend des vergangenen Dienstags lud FontShop seine Berliner Kunden ins Kulturforum, um dort gemeinsam die Ausstellung Welt aus Schrift anzusehen (Fontblog berichtete: Sehen wir uns in 3 Wochen und Bilderbogen). Binnen 24 Stunden meldeten sich 300 Interessierte zu dieser Veranstaltung an. Wir haben ein 10-Minuten-Video produzieren lassen, das einige der Höhepunkte von Erik Spiekermanns Führung durch die Ausstellung festhält (Regie, Kamera, Ton und Schnitt: Robert Schatton)
Welt aus Schrift
Am 23. November 2010 fand in den Sonderausstellungshallen des Berliner Kulturforums eine von FontShop organisierte Führung durch die Ausstellung »Welt aus Schrift« statt. Hier gibt es nun einige Videoschnipsel mit Erik Spiekermann von diesem Event … gedreht und geschnitten von Robert Schatton – Danke!
✪ Sloop, 75 € statt 108,– €
Die Schreibschrift Sloop von The Font Bureau, digitalisiert von Richard Lipton, strahlt wie kaum eine andere Script Eleganz und Wertigkeit aus. Man kann sie sich unmittelbar auf dem Etikett eines teuren Weines oder auf einem Wertpapier vorstellen. Sie basiert auf Vorlagen des Kalligrafen Raphael Boguslav, Sohn russischer Eltern und 1929 auf Long Island geboren. Von 1956 bis in die 60er Jahre arbeitete Boguslav für die Agentur Lippincott & Margulies, wo er Schriftzüge und Logos entwarf, unter anderem für New York Life, PPG und Chrysler. In den 1970er Jahren machte er sich als Lettering-Künstler selbständig. Seine Schrift Avia gewann mehrere Designpreise. Raphael Boguslav lehrte an der Cooper Union und an der Rhode Island School of Design (RISD). Er starb im Sommer 2010.
Mit der Sloop-Familie zu arbeiten und zu spielen macht nicht nur Freude, es ist sogar die Voraussetzung dafür, gute Ergebnisse zu erzielen. Anders als bei den üblichen Script-Fonts mit Alternativ-Schnitten werden die drei Sloop-Formen gemischt und nicht sortenrein eingesetzt. Dies ergibt einerseits ein fein abgestimmtes Schriftbild, auf der anderen Seite »nutzt sich die Schrift weniger ab« – man wird ihrer nicht überdrüssig.
Die festliche Sloop gibt es in drei Strichstärken: Regular, Medium und Bold – jeweils mit 3 Fonts. In dieser Woche bietet FontShop die Roman-Familie mit einem Nachlass von 33 % an, nämlich für nur 75 € statt 108 €. Hier geht es zur Bestellung …