Fontblog Artikel im März 2007

US-Logo-Discounter in Bedrängnis

Die frag­wür­dige Geschäftsidee »Logos von der Stange« ist in den USA an ihre Grenzen gestoßen. Dort gibt es den Anbieter LogoMaid (»Logo-Dienstmädchen«), der gerade durch die Blogosphäre getrieben wird, weil er das Logo der Webseite SimpleBits abge­kup­fert hat (hier beschreibt ihr Betreiber Dan Cederholm die Entstehung des Logos). Dan Cederholm hat den Fall auf Flickr bekannt gemacht, was ihm nicht nur dort rund 1000 Kommentare einge­bracht hat, sondern eine kleine Lawine unter design-orien­tierten Blogs ausge­löste. Auf dieser Digg-Seite weisen viele Kommentatoren auf weitere LogoMaid-Adaptionen hin, die inzwi­schen fast alle nicht mehr im Angebot sind. (Quelle).

Wenn man sich ein wenig in die Diskussion vertieft wird klar, dass das Business-Modell von LogoMaid auf tönernen Füßen steht. Wer am Fließband Logos gestaltet, die auf geome­tri­schen Formen basieren, wird früher oder später sehr dicht in der nähe exis­tie­rende Exklusiventwürfe geraten (Sun, SonyEricsson, Nike …). Gänzlich unglaub­würdig wird die Logo-Fabrik, wenn sie schlicht und einfach klaut (siehe Abbildung oben; der Entwurf wurde in den letzten Tagen entfernt).


Bewerbt euch lieber nicht

Stellenanzeige

Die Kreativdirektoren Daryl Corps und Ben Kayder der Londoner Agentur Lunar BBDO suchen einen Spitzen-Typografen. Dass sie es bitter nötig haben, beweisen sie selbst mit ihrer Stellenanzeige. Sie greifen die uralte Idee (1994) von David Carson auf, ein Interview in Ray Gun aus Zapf Dingbats zu setzen (eine sehr origi­nelle Schriftwahl); Carson brachte damals seine Verachtung gegen­über Bryan Ferry zum Ausdruck (auf dieser Seite gibt es eine kleine Abbildung dazu).

Die Stellenanzeigen sind im Stile eines Jan Tschichold bzw. im Bauhaus-Look gehalten. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich jede Menge Rätselfreunde im Alter zwischen 60 und 80 Jahren aufgrund der Anzeige bei den beiden bewerben. Mehr zu der Kampagne bei Creativepro. Danke an Jörg Gudehus für die Quelle.


Endlich: Das Spray gegen Elektrosmog

Clarins-Anzeige

Gäbe es ein Spray gegen Dummheit, würden wir vor solchen Anzeigen verschont bleiben. Aber es gibt weder ein Spray gegen Dummheit, noch eins gegen Ausländerfeindlichkeit. Aber endlich eins gegen Elektrosmog. Es ist natür­lich kein Produkt »Ihrer Apotheke«, sondern Schaumschläger der Kosmetikindustrie bringen es auf den Markt. Es heißt »Expertise 3P™« und kommt von Clarins.

Die Werbertexter des fran­zö­si­schen Herstellers ziehen alle Register: Angst schüren (»Denken Sie, dass elek­tro­ma­gne­ti­sche Strahlen, die Mauern durch­dringen, vor Ihrer Haut Halt machen?«), Märchen aufti­schen (»Thermus ther­mo­philus aus der Tiefe des Ozeans und Radiola rosea aus der Kälte Sibiriens passen sich optimal ungüns­tigen Bedingungen an.«), Rauchbomben zünden (»In Kombination mit den Radikalenfängern Weißer Tee und Lapsana stärken sie die Hautabwehr gegen Umweltbelastungen.«) und ein schlechtes Gewissen machen (»Fühlen Sie sich wohl in Ihrer modernen Umwelt!«)

Eigentlich verfolge ich die Botschaften der Kosmetik-Hersteller nur am Rande. Dass man die Kunden jedoch auf derart hohem Niveau für dumm verkauft, hat mich über­rascht. Da setzt – einfach mal so – eine gewich­tige Stimme der Schönheitsindustrie das Gerücht in die Welt, dass »moderne tech­ni­sche Geräte« (eine Anspielung auf Handys, Schnurlos-Telefone, Laserdrucker und Computerbildschirme?) der Haut schaden. Und dass Pflanzenstoffe so wirkungs­voll gegen elek­tro­ma­gne­ti­sche Strahlen seien wie ein Faradayscher Käfig … Wahrscheinlich denken die Clarins-Werber: Wer in der 6. Klasse das Interesse am Physikunterricht verloren und den Glauben an Lippenstift und Wimperntusche gewonnen hat, wird das schon glauben.

Willkommen im Mittelalter. Doch wartet ab … die Quacksalber werden den Beweis für die beiden Behauptungen bald nach­lie­fern, denn wie steht in der Anzeige: »demnächst Gegenstand einer wissen­schaft­li­chen Veröffentlichung.«


Müll im iTunes-Store

Eben bekomme ich eine E-Mail von Apple mit den eigens für mein Käuferprofil ausge­wählten Musikempfehlungen. Darunter eine Sammlung von Jerry-Lee-Lewis-Songs. Sie wird unter dem Titel »Chantilly Lace« ange­boten, benannt nach einem Hit des Rockabilly-Musikers aus dem Jahr 1972. Auf einem Pseudo Cover steht aller­dings »Chanlly Lace« (mit till-Ligatur), was irgendwie wieder zu den ange­bo­tenen Songs passt, die wie aus der Mülltonne klingen … anschei­nend grot­ten­schlechte Live-Aufnahmen. Liebe iTunes-Redakteure: Wenn ihr euren guten Ruf nicht verlieren wollt, lasst Eure Roboter gegen­über guten Kunden keine minder­wer­tigen Produkte anpreisen.


Beef ruft die Zukunft des Gedruckten aus

Wie viel 2.0-Kompetenz darf man von einem Verlag erwarten, der das Internet als Anschaffungs-Instrument für seine Drucksachen betrachtet? Die Horizont-Webseite der Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag ist wie ein redak­tio­neller Rotlicht-Bezirk aufge­baut, mit dem Straßenstrich in der Seitenleiste (News? Nur für Abonnenten … Hier klicken, um eine Abo zu bestellen. Werbemarkt? Nur für Abonnenten … Hier klicken, um eine Abo zu bestellen. Standpunkt? Nur für Abonnenten … Hier klicken, um eine Abo zu bestellen.). »Weitere Highlight« werden im unteren Dritten der Homepage als Peepshow insze­niert, mit grauer Gardine davor. Ja die bringen es sogar fertig, das Abonnieren nur für Abonnenten zu erlauben, denn auf die Bestellseiten für das kosten­pflich­tige E-paper, die SMS-News und das Archiv kommt man nur … als Horizont-Abonnent – ein geschäfts­schä­di­gender Zirkelschluss.

Seit kurzem gibt es einen uner­war­teten Lichtblick am Horizont, das haus­ei­gene Weblog Off the record. Es ist selt­sa­mer­weise ganz umsonst, was den Chefetagen des Fachverlags irgendwie durch die Lappen gegangen sein muss. Im Horizont-Blog erfahre ich heute, dass der Art Directors Club (ADC) und Horizont ein neues Magazin namens Beef starten (Off-the-record-Selbstlob »… ist gigan­tisch hübsch geworden …«).

Nicht uner­wartet zitiert Off the record vorab aus einem Beef-Interview mit dem Verleger Thomas Ganske, dem die Kostenlos-Kultur des Internets gegen den Strich geht: »Leistung … sollte bezahlt werden. Ein Geschäftsmodell, das darauf basiert, Leistung dauer­haft ohne Entgelt zur Verfügung zu stellen, kann nicht funk­tio­nieren. Das ist ein Weltentwurf, der noch nicht so richtig durch­dacht ist.« Liebe Kollegen von Off the record: Sägt ihr gerade am Ast, auf dem ihr sitzt? Oder darf man euer Blog bald nur noch zum Preis eines Horizont-Abos lesen?

So, und diese Beef hat sich nun »The End of the End of Print« aufs Titelblatt geschrieben, ruft also – in Anlehnung an einen David-Carson-Bestseller – das »Ende des Ende des Gedruckten aus«, was man auf gut neudeutsch auch als »The future of print« hätte formu­lieren können. Diese vermeint­lich eigene Zukunft nennt Beef dann »Print 2.0«, was ich nicht ganz verstehe, denn im Web 2.0 ist doch nahezu alles kostenlos. Beef dagegen erscheint 4 mal im Jahr, kostet pro Heft 15 € (das Jahres-Abo 50 €). Was ich dafür bekomme und wie »gigan­tisch hübsch« Beef wirk­lich ist, wird auf den Beef-Seiten natür­lich nicht verraten – von der Reproduktion des zwei­sei­tigen Inhaltsverzeichnisses mal abge­sehen. Mehr zu zeigen über­schreitet mögli­cher­weise die Grenzen der haus­ei­genen »Kostenlos-Kultur« … sicher wissen Horizont-Abonnenten schon mehr über Beef.


100 Beste Edition: jetzt auch in Österreich

Wir haben aus euren Kommentaren gelernt: Gute Ideen, von welchem FontShop sie auch kommen, sollen überall erhält­lich sein. Und deshalb freue ich mich, dass Band 1 der 100 Beste Schriften Edition ab heute auch bei FontShop Österreich zu bestellen ist.

Unser lieber Kollege Klaus Dünser hat auf www​.font​shop​.at eine Edition-Bestellseite einge­richtet mit allen Informationen und den beiden Bestellmöglichkeiten: Einzelausgabe oder Abo-Ausgabe. Noch kosten beide gleich viel, nämlich güns­tige 99,– € Einführungspreis (zzgl. MWST. und Versand). Doch mit Erscheinen von Ausgabe 2 (Stempel Garamond/Sabon) werden die Abonnenten nur 178,– statt 199,– € zahlen.


Getty-Images-Plug-In für Fotografen

Benutzer des Foto-Verwaltungsprogramms iView Media, seit Juni 2006 in der Obhut von Microsoft (Fontblog berich­tete) und in »Expression Media« umge­tauft, können jetzt ganz einfach eigene Fotos der welt­größten Bildagentur Getty Images zwecks Vermarktung unter­breiten. Das Plug-In Getty Submission Utility auto­ma­ti­siert zwei Prozesse:

1. Bild-Validierung: Den eigenen Bilder werden die Kriterien der Getty-Bildarchivierung ange­heftet, zum Beispiel Meta-Datenfelder, Dateigröße, Format und weitere Bildattribute

2. Bewerbungsmappe: Sind die Bilder – für Getty verständ­lich – aufbe­reitet, verpackt die Software eine Auswahl zu einem Bewerbungspaket, das auf CD gebrannt und an Getty gesendet werden kann.


Web-Typografie nervt

Die Internetseite webty​po​graphy​.net, zusam­men­ge­stellt von Richard Rutter und Mark Boulton bietet prak­ti­sche Hilfestellung für eine bessere Online-Typografie. Ihr Vortrag »Web Typography Sucks« gehalten auf der SXSW Festival-Konferenz 2007 (9. – 13. März, Austin, Texas) ist jetzt als PDF mit und ohne Kommentare online verfügbar. Empfehlenswert, lehr­reich. Zu Web Typography Sucks … (Via: Pixelgraphix)