QType im Einsatz für Babylon
Jahr für Jahr dürfen wir uns in Berlin an einer großen Ausstellungsplakatkampagne erfreuen, gestaltet von MetaDesign. Vor vier Jahren war Das MoMa der Star, dann kamen Die schönsten Franzosen und nun die Ausstellung Babylon – Mythos und Wahrheit (Pergamonmuseum). Erstmals werden die babylonischen Schätze aus den Universalmuseen der Welt in einer gemeinsamen Ausstellung präsentiert, dazu inmitten der Prozessionsstraße von Babylon: Noch nie war die dreitausendjährige Geschichte Babyloniens konzentrierter zu besichtigen.
»Babylon war nicht Babel« lautet der Claim der gemeinsamen Kulturkampagne, die von MetaDesign und Johanssen + Kretschmer (J + K) entwickelt wurde. Die Plakatmotive stützen in der ersten Phase den Claim und verstärken die Irritation um die bekannten Vorstellungsbilder von Babylon und Babel. Aus der MetaDesign-Pressemitteilung: »Die lauten Headlines – ›Kein Gott!‹, ›Keine Hure!‹, ›Kein Turm!‹, ›Kein König!‹ – werden von der auffälligen Gestaltung unterstrichen. In der zweiten Kampagnenphase schlägt der Titel ›Babylon. Mythos und Wahrheit‹ als Headline auf den eingeführten Motiven die Brücke zur Ausstellung. Die Motive thematisieren das historische Babylon genauso wie den Mythos. Die Bilder sind gefärbt in Gold, das an den Prunk der vergangenen Kultur erinnert. Gleichzeitig sind sie überzogen von leuchtendem Blau, Grün, Pink oder Orange, als Zeichen für die Aneignung Babylons in den nachfolgenden Zeiten. Diese kräftigen Farben prägen auch die Headlines, deren massive ›Grotesk‹ an die babylonische Keilschrift erinnert.«
Die Kunde von der wunderbaren Babylon-Ausstellung und der »massiven Grotesk« ist bereits bis nach San Francisco gedrungen, wo unsere FontShop-Kollegen in ihrem Blog bereits die verwendete Schrift entlarvt und bekanntgegegen haben: Es handelt sich um die FF QType, 2004 entworfen von Achaz Reuss. Der Buchstabe A wurde seines Querbalkens beraubt, was der Babylon-Typografie den entscheidenden Pfiff gibt.
18 Kommentare
Kommentarfunktion ist deaktiviert.
<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Thomas
Wow – ich bin beeindruckt! Echt gelungen das Ganze. Gut, die Argumentation mit den Farben kann ich zwar nicht ganz nachvollziehen; «bunt», besonders poppige Farben, scheint jedoch in letzter Zeit unheimlich angesagt zu sein – wohl auch im Hause MetaDesign …
Jussi Steudle
Jürgen, hast Du nicht mal (vor zugegebenerweise langer Zeit) in der PAGE über den Trend, den A-Balken wegzulassen, gelästert? ;-)
Die Kampagne sieht aber cool aus.
Johann Peter Werth
Also, mit babylonischer Keilschrift hat das ja nun gar nichts zu tun. (Die Farben sind natürlich trotzdem schön.)
abba
… deren massive ›Grotesk‹ an die babylonische Keilschrift erinnert.???
mit viel phantasie
Stefan Kalscheid
Unter Keilschrift verstehe ich was anderes. Was Die QType damit zu tun haben soll ist mir ebenso unklar wie die Farberklärung.
Florian
Ja, ist echt gut! Ich muss nur immer an ›Das Zelt‹ von Jeans Team denken, wenn ich an einem der Plakate vorbeifahre. :-)
Jürgen
Querbalken: Ist mir bei koreanischen Marken aufgefallen (Samsung, Kia, …). In Logos (Renault Megane), empfinde ich das als aufgesetzt, billig. In einer Plakatschrift für Babylon ist es eine nette Anspielung auf eine Keilschrift-Glyphe – mehr will es auch gar nicht sein.
Benjamin Hickethier
Auch wieder ein gutes Beispiel zu manch vorangegangenem thread hier, bezüglich den nach Außen getragenen credits (oder eben nicht) für die hart an einer Kampagne gearbeitet habenden Einzelpersonen. Natürlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass in einer großen Agentur nicht diejenigen die Aufmerksamkeit bekommen, die die Ideen hatten und die Arbeit besorgt haben, sondern dass diese hinter dem großen Namen des Maestros (wie bei Fons Hickmann et al) oder der Fabrik verschwinden (wie hier bei Metadesign bzw. vielleicht noch Uli Mayer als ›verantwortlicher Designerin‹). Das ist meistens so – doch ob es deswegen immer so bleiben muss?
Wer hatte denn die Idee für die Anwendung der QType? Wer hat die Plakate gestaltet? Von wem haben die schönen Franzosen ihre Streifen bekommen und wer hat damit Berlin, nachhaltig gelobt, dekoriert? So weit ich weiß bestehen Designteams oder wie das bei Meta heißt, aus zwei oder drei Designern, Praktikanten und anderen Mitarbeitern. Ist es wirklich zu viel verlangt, deren Namen mal öffentlich zu machen? Insbesondere in einer kritischen, hinterfragenden und progressiven Berichterstattung würde ich mir die entsprechende Recherchearbeit wünschen. Wahrscheinlich scheitert ein solches Vorhaben schon an den Öffentlichkeitspolitiken von Designergaleeren wie Meta.
tom
Sehr gelungen.
Für die jüngeren Besucher:
Kein Gras – Babylon war keine jamaikanische Kiffer-Kolonie.
microboy
Ich kann weder mit der Farbigkeit noch mit der Ästhetik etwas anfangen. Das MoMa und die Franzosen waren meiner Meinung nach grafisch nicht nur eigenständiger sondern haben auch im Stadtbild besser funktioniert und vor allem besser verkauft.
erik spiekermann
Ist es wirklich zu viel verlangt, deren Namen mal öffentlich zu machen?
Zu meiner zeit bei Meta wurden immer alle benannt (wenn der auftraggeber das zuließ), so:
Gestaltung MetaDesign: Anne Müller, Fritz Schulz, Werner Schmidt.
Das ist heute nicht mehr erlaubt, vielleicht auch, weil mehr als 30 praktikanten ohnehin die meiste arbeit machen. Und die will man ja nicht schriftlich verewigen. Immerhin hat es ja auch mich nie gegeben in der offiziellen firmengeschichte…
sukisouk
@ tom: ZION, nicht Babylon. Daß die Babylonier nicht kiffen weiß jedes Rastakiddie.
@ Plakatserie, ja schön. Typo gefällt mir (auch wenn der Keilschrift-Vergleich typisches Designer-Erklärungs-Blabla ist). ^^
Jürgen
Werbeagenturen ernten ihren Ruhm immer gesammelt. Erst wenn Anzeigen in Lürzers oder in Wettbewerben erwähnt werden, erfährt man, wer AD, Texter, Fotograf oder Illustrator war. Warum sollen Designbüros nicht genauso verfahren? Es ist schlicht eine Geschmacksfrage. Für beide Vorgehensweisen gibt es pro und contras. Wenn alle im Unternehmen hinter einer Lösung stehen, lohnt es nicht, diese von außen zu verteufeln.
formschub
Ich mag die Idee mit den transparenten farbigen Verläufen über den gold-antik getönten Bildern. Mal was anderes als die übliche Duplex-Lösung flächig übers ganze Bild. Und die gewählten frechen Farben, in Kombination mit der modernen Typo bringen das museale Thema sofort aus der Assoziationsecke „uralte Relikte in staubigen Vitrinen�? heraus in die Gegenwart. Lockt bestimmt den einen oder anderen zusätzlichen Besucher in die Ausstellung. Gelungen.
Johannes Brückner
@Benjamin: bei der Red Dot Veröffentlichung zu den Franzosen wurden immerhin alle Namen genannt. Weiß also nicht genau, ob man so verallgemeinern kann.
Benjamin Hickethier
Verallgemeinern sollte man sowieso nie.
Aber bedeutet Deine Richtigstellung im Umkehrschluss, dass man einen Preis gewinnen muss, um genannt zu werden? Johannes, Du kannst doch da bestimmt ein bißchen aus dem Nähkästchen plaudern.
Johannes Brückner
Hm, stimmt auch wieder. Trotz Nähkästchenbonus weiß ich leider nicht, wie das offiziell gehandhabt wird. Fair fände ich es schon, wenn immer die Beteiligten genannt würden.
Hendrik
Lieber Herr Spiekermann:
„Januar 1990 Gründung der MetaDesign plus GmbH durch Hans Ch. Krüger, Uli Mayer-Johanssen und Prof. Erik Spiekermann.“
Quelle: http://www.metadesign.de/html/de/263.html
Herzliche Grüße