Drastische Bewerbung: »Design-Sklave« sucht Job
Michael Koren hat mir eine Ansichtskarte geschickt. Da ich ihn nicht kenne, habe ich kurz im Web recherchiert. Koren ist Grafik- und Webdesigner, sein Büro nennt sich Arche Info und wurde 2000 in Stuttgart gegründet. Seit 2005 befindet sich der Stammsitz des Unternehmens in Berlin.
Die Karte lässt zunächst darauf schließen, dass ein Designer auf der Suche nach einer Festanstellung ist. Hierfür präsentiert er sich mit einer drastischen Selbstdarstellung – als Design-Sklave. Er höre aufs Wort, habe belastbare Schultern und ein empfindsames Herz. Auf der Rückseite gibt es drei Optionen, von denen nur eine angekreuzt werden soll:
❍ Nein danke. Aufgrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir keine offenen Stellen.
❍ So einer ist uns nicht mehr wert als ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1200 €.
❍ Ja, der gefällt uns. Kommen Sie mit ihm vorbei und wir besprechen alles weitere.
Und da eigentlich nur die 3. Wahlmöglichkeit moralisch vertretbar ist, stellt sich die Karte als ein originelles Akquise-Werkzeug heraus. Viel Erfolg, Michael Koren.
34 Kommentare
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<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
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stefano picco
Die zweite Option ist schon bitter, doch leider wohl auch relativ realistisch …
Insgesamt wirklich eine schöne Idee :)
Steffan
> Und da eigentlich nur die 3. Wahlmöglichkeit moralisch vertretbar ist […]
Du würdest staunen, was »in real life« alles vertretbar ist … Varianten 1und 2 dürften die wahrscheinlichsten sein.
klaus
Na ja. Ich finde es eigentlich recht billig. (die Infos auf dem Körper sind doch auch etwas langweilig – USB Schnittstelle – ha ha ha…)
Ironisch bis sarkastisch ist solch eine Eigenwerbung. Und wie bei jeder Ironie gibt es einen wahren Kern: Der Designer als Dienstleistersklave des Kundenkönigs. So sieht sie aus – die „Leistung die sich wieder lohnen muss“. Traurige Zeiten.
till1
blöd finde ich es allerdings, dass michael kein portfolio online hat – wenn er schon werbung macht, will man doch dann mehr wissen. oder ist das bei der postkarte dabei?
Jürgen Siebert
@till1: Ich war auch enttäuscht, dass Arche Info im Internet praktisch nicht präsent ist. Allerdings sind weder die Webseite noch E-Mail Themen der Karte … die basiert fein sauber auf den klassischen Schneckenpost.
robertmichael
nette idee ist es allemal, ich hoffe er kann sich die jobs bald aussuchen um nicht option 2 nehmen zu müssen.
π
wir sind alle sklaven für die da:
http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/stundenloehne2008.htm
es wäre an der zeit die kunden mehr zu sensibilisieren das gestaltung mehr ist als bissl bunte farb, formen und eine hohe rechnung. wir sollten und nicht unter dem wert eines handwerkers oder automeachanikers verkaufen die für ihre arbeit nicht selten mehr verlangen als wir im monat verdienen.
Oliver Adam
Ich find’s eher peinlich. Hässlichkeit verkauft sich nicht. Devotheit auch nicht. Keiner sucht einen Sklaven, was ja heißt, der macht sklavisch alles, was man ihm sagt: »Hört auf’s Wort« (auch noch falsch geschrieben). Selber denken, selbstständig Lösungen entwickeln – Fehlanzeige. Subtext: Der muss es ja nötig haben …
Oliver Adam
Damit das nicht so negativ bleibt, hier meine Tipps:
Aus Postkarte 6- oder 8-Seiten-Leporello machen. Erste Seite = Titel. Headline austauschen gegen etwas in dieser Richtung: »Designer von Kopf bis Fuß«. Subline sowas wie »hat Aufregendes zu bieten«. Dann folgt, was konkret er zu bieten hat. Nase = »Riecher für …«. Bauch = »Bauchgefühl für …«. Hände = »Fit in Indesign …«. Herz = »Schlägt für Design …« usw. Teamgeist, Ästhetik, Schultern: ok.
Rückseite = Vorfrankierte Antwortkarte: »JA, wir wollen den Designer von Kopf bis Fuß näher kennenlernen. Bitte rufen Sie uns an: …«
Die restlichen Seiten = Arbeitsproben.
Malte
Ich finde es mutig und gut, wenn jemand aktiv wird und etwas ausprobiert. Ästhetisch ist es für mich zwar nicht, aber ich hoffe, dass sein Mut belohnt wird – viel Erfolg!
HD Schellnack.
Ich würde, ehrlich gesagt, keine Sklaven einstellen würden. Die mitunter niedrigen Einstiegsgehälter ergeben sich aus dem Honorargefälle der Branche und tun mir oft am meisten leid, sie sind einfach die Folge der Tatsache, dass bei Design kundenseitig oft auch mal gespart wird.
Die Karte an sich erinnert mich etwas an Sagmeisters Büro-Eröffnungs-Karte, nur st die Umsetzung unter uns gesagt handwerklich so schlecht, dass Michael für mich seine eigene Botschaft unterminiert. Ich finde ganz interessant, dass der erhöhte Marktdruck sich in immer «pfiffigeren» Ideen zur Bewerbung bei Agenturen und Endkunden Weg bahnt, aber eben «interessant» im Sinne von faszinierend-erschreckend. Am Ende gewinnt man den job doch eher mit Talent, gutem Handwerk und Persönlichkeit, als mit banaler Provokation, oder?
Zumal es ja nicht wirklich provoziert – die Sache kränkelt ja an dem Versuch, auch positive Botschaften einzuweben (Teamgeist, Ästhetik, Kreativität und und und) und ist am Ende eben doch nur eine Bewerbung und da hätte mich ein sauberes Portfolio einfach mehr begeistert. . . und jeden anderen wahrscheinlich auch.
Ich jedenfalls würde mir keinen Sklaven wünschen.
Stephan
als Designer-Satire finde ich es schon amüsant aber als Bewerbung um einen Job …
Gibt es wirklich Auftraggeber, die sich die Blöße geben in Form von „ha ha fand ich witzig, gerade die Idee mit dem Sklaven …“ oder liegt hier eine aufklärerische Idee zugrunde?
Es ist ein gutes Selbstbildnis des sich stehts bemittleidenden, ewig unverstandenen und wenig gewertschätzen Designers unserer Tage.
christoph
zwangsoriginalität ist das schlimmste bei bewerbungen. ich habe noch nie eine bewerbung gesehen, die lustig sein sollte und es dann auch tatsächlich war. besser wäre es gewesen, er hätte eine wirklich überzeugende kampagne gegen ausbeutungsmechanismen in der heutigen arbeitswelt entworfen – und die dann überzeugend gestaltet, ohne den versuch, über die ernsten fragen hinwegzuwitzeln. wenn er für kunden arbeitet erwartet man ja auch mehr als den versuch, witzig zu sein.
Andreas
Was mir Bewerber nicht selten erzählt haben: Man antwortet mit der 3. Wahlmöglichkeit, um dann im persönlichen Gespräch zu eröffnen, dass man nur neugierig war und eigentlich 1. hätte ankreuzen müssen. Ich find sowas absolut unglaublich! Ist wie ein Pitch, bei dem von vorn herein feststeht dass aus Kostengründen keiner der Vorschläge genommen wird.
Andreas
Bei allen handwerklichen oder inhaltlichen Fragwürdigkeiten, die Postkarte hat etwas, dass ich bisher in keiner einzigen Bewerbung gesehen hab: Mut!
klaus
@ Andreas – Stimmt! – mutig ist die Karte: Mut zur Peinlichkeit eben.
Das mit dem „Sklaven“ funktioniert so oder so nicht (wie schon einige hier ausgeführt haben). Und deswegen bleibt es eher peinlich bis traurig.
Raketentim
Mist, nur eine USB-Schnittstelle – und die ist wahrscheinlich auch noch voller Fusseln.
KurtE
Also hier in Dresden gäbe es noch Antwort 1a:
Nein, danke. Wir erledigen unsere Designaufgaben mit Studenten der hießigen Hochschulen, Berufsakademien und sonstigen Weiterbildungsinstitute kostenlos, indem wir ihnen die einmalige Gelegenheit bieten, sich Referenzen zu erarbeiten. Deshalb brauchen wir keine auswärtigen Designsklaven, wir haben unsere eigenen.
Christian
Ich stelle mir das spätere Arbeitsverhältnis etwas schwierig vor, wenn sich jemand als Sklave anbietet oder eben nicht als Sklave – wie auch immer. Ich denke, dass es später schwierig wird, auf Augenhöhe zu reden. Mutig ist die Karte auf jeden Fall, aber dieser Mut zur Lücke schreckt mich ab. Ich hätte starke Bedenken, Michael Koren Besprechungen mit Auftraggebern anzuvertrauen. Zieht er sich aus? Kennt er andere Vokabeln als drastische? Wie lange braucht er bis zum Hitlervergleich? Wird er mich anschreien, wenn ich einen Entwurf noch einmal ausgedruckt haben möchte? Lieber nicht.
dirk uhlenbrock
ich habe schon bewerbungen in form von kinderschokolade, erpresserbriefen, geschenkpaketen, wurfsendungsfakes etc bekommen und konnte den angestrengten bemühungen nie so recht folgen. die anschreiben die hängen blieben waren höflich, sachlich und unterfüttert mit ein paar arbeitsproben. überzeugt haben mich der ton der ansprache und die bisherige leistung. in diesem fall fühle ich mich peinlich berührt und frage mich was ich von jemand halte der sich ungefragt schon komplett vor mir ausgezogen hat – schwierig.
timeout
Man ist euer Scanner verstaubt.
max
@timeout: Sieht eher nach grobflorigem Teppichboden aus.
Vanessa
Wenn sich schon die Mehrheit der Deutschen für Schwarz-Gelb entscheidet, liegt diese Bewerbung voll im Trend. Es scheint, als hat Michael bei manchen Kommentatoren ein schlechtes Gewissen oder sogar (P-)Neid hervorgerufen. Sollte er das beabsichtigt haben, herzlichen Glückwunsch! Ich meine, diese Bewerbung ist eine gelungene Parodie auf die selbstgefällige Designszene, die weder moralisch ist, noch ethische Werte vertritt. Es sei denn, diese Werte lassen sich monetarisieren. Und wenn einige hier mit Arroganz und herabsetzenden Werturteilen reagieren, dann zeigt das am ehesten ihren mangelnden Intellekt, einen perfiden Charakter und ihre Unfähigkeit, den nackten Tatsachen ins Gesicht zu sehen.
thomas junold
vanessa, wieviele designer kennst du, die so sind und wieviel deiner aufzählungen sind reine vorurteile? unterhalt dich doch mal mit uns und du wirst sehen, dass wir weder beissen noch völlig unterbemittelt sind.
Isabella
Hut ab vor dem Mut dieses Mannes.Vanessa, ich gebe dir vollkommen Recht-aber viele werden das wahrscheinlich gar nicht erst verstehen…Meiner Meinung nach ist diese Bewerbung ein genialer Einfall. So etwas traut sich garantiert nicht jeder! Ich wünsche ihm viel Glück und dass er viele positive Feedbacks bekommt!
dirk uhlenbrock
@ vanessa
ich bin jetzt noch einmal aufgrund deiner reaktion alle kommentare durchgegangen und kann keine arroganz oder herabsetzung erkennen, sondern im gegenteil ansätze wie man eine bewerbung anders machen, positiv formulieren könnte. viele der kommentatoren, mich eingeschlossen, sehen das sich michael koren so in eine falsche devote ausgangslage, startposition bringt; man kann sich nicht ernsthaft mit einer „für-geld-mach-ich-alles“ aussage bewerben, das ist nicht witzig oder originell (s. auch will design for food und ähnliche), bietet keine information außer über seine wirtschaftliche lage.
a.
> Thomas Junold:
«vanessa, wieviele designer kennst du, die so sind und wieviel deiner aufzählungen sind reine vorurteile? unterhalt dich doch mal mit uns und du wirst sehen, dass wir weder beissen noch völlig unterbemittelt sind.»
…dich aber ebensowenig brauchen können;)
Amen.
christoph
liebe vanessas: gründet doch einfach selber diese unkommerziellen, super-ethischen designagenuren, die allen top-gehälter zahlen können.
thomas junold
a.: was bitte meinst du?
till1
„man kann sich nicht ernsthaft mit einer “für-geld- mach-ich-alles” aussage bewerben, das ist nicht witzig oder originell“
ich find die bewerbung ja auch eher schlecht, aber ich möchte anmerken, dass auch die versammelte fontblog-stammkommentatorenschaft nicht zwingend die ultimative humordeutungshoheit hat. es kommen viele der kommentierenden aus einem ähnlichen umfeld mit ähnlichen weltanschauungen, von daher ist auch klar, dass die mehrheit die bewerbung eher unglücklich findet.
aber wer weiß, vielleicht sind michaels arbeitsproben noch nicht so aufregend, dass er sie zeigen könnte – und er schafft mit der postkarte irgendwo einen einstieg, z.b. in der werbung :>
timeout
Er hat auf jeden Fall ein Talent für Produktwerbung und Bedienungsanleitungen. :-)
Die Bewerbung finde ich übrigens auch mutig. Wenn auch nicht ganz überzeugend. Schließlich gibt es Sklavenarbeit in fast allen Berufen. Und wirklich kreative Sklaven gibt es wohl eher nicht.
Hurz!
Die Diskussionen, Spekulationen und Interpretationen bestätigen schon den Erfolg der Bewerbung. Ich finde die Idee einfach genial!
Christian
Ja, der gefällt uns. Kommen Sie mit ihm vorbei und wir besprechen alles weitere.
> Ihre Bewerbung hat uns wirklich. Wir können aber leider nicht mehr als 900 EUR zahlen …
Oliver Adam
@Vanessa (#27)
Na ja … Ein ganz tolles Projekt: Go Green Or Die.