❤ der Woche: Moniteurs: 1:1 (Leitsysteme), 49,80 €
Das Buch heißt 1:1. Es handelt aber nicht von Fußball, sondern von Leitsystemen, die auf den ersten 40 Seiten in Originalgröße (Ausschnitte) abgebildet sind. Das ist nur eines der spektakulären Einsichten, die der neue Bildband zu dieser Disziplin liefert. Es ist eine Monografie, und trotzdem ein breit gefächertes Lehrbuch zu allen aktuellen Spielarten der Wegeleitung. Dabei ist es an keiner Stelle akademisch, sondern von der ersten bis zur letzten Seite 100 Prozent Praxis. Zwanzig Jahre hat sich das Berliner Designbüro Moniteurs Zeit gelassen, bevor es einen Teil seiner Erkenntnisse erstmals zwischen zwei Buchdeckel packte.
Die Moniteurs, das sind die Kommunikationsdesignerinnen Heike Nehl, Sibylle Schlaich und Isolde Frey. Im Jahr 1994 haben sie sich gegründet, als Spin-off von MetaDesign. Groß wurden sie mit der Betreuung von Kulturevents und von designorientierten Versandhausdrucksachen, unter anderem für Philip Morris Design Shop, Schäfer Shop, Steelcase und FontShop. Im Laufe der Jahre kam die Gestaltung von Leit- und Orientierungssystemen hinzu sowie das Informations- und Corporate Design. Im Buch 1:1 werden 14 Leitsysteme aus den zurückliegenden zehn Jahren vorgestellt, viele davon mit Designpreisen ausgezeichnet … eines immer noch nicht öffentlich zugänglich, obwohl längst installiert: Das für den Berliner Flughafen BER.
In meiner Laudatio zur ersten Vorstellung des Buches in einem Berliner Buchladen habe ich die Qualität der Moniteurs auf vier grundlegende Eigenschaften des Büros zurückgeführt, deren Kombination einmalig in Deutschland ist.
1. Bescheidenheit. Eigentlich ist der Begriff »Uneitelkeit« treffender. Es gehört zur Grundausstattung vieler Designer, vor allem männlicher, dass sie ihren eigenen Namen in den Mittelpunkt ihres Service-Portfolios stellen. Man kauft Herrn XY, oder das Designbüro Z. Dagegen ist nichts zu sagen, vor allem nicht, wenn Auftraggeber ihren Kunden signalisieren möchten, das Produkte oder Services von XY oder Z durchgestaltet sind. Der Nachteil dieser Strategie ist, dass sich innerhalb des Biotops Namedropping nur schwer Neues, Überraschendes entwickelt – vielleicht sogar eine Lösung, die maßgeschneidert für das gestellte Problem ist. Nein, man kauft nicht die Moniteurs. Und die 14 Projekte im Buch beweisen das: jedes mit einem eigenen Profil, mit neuem Ansatz, mit eigener Identität, statt der des Schöpfers. So geht Leitsystem heute.
2. Typografische Kompetenz. Mein Lieblingskriterium, als FontShopper und Fontblogger. Die Moniteurs beherrschen nicht nur die Schriftwahl: Wenn es keine passende Schriftart gibt, dann lassen sie eine entwerfen. Wie zum Beispiel von Alex Branczyk und Georg Seifert für den Flughafen Berlin Brandenburg. Außerdem arbeiten sie an vorderster Front, wenn es um die zeitgemäße Präsentation von Schriften geht. In ihrem Umfeld wurde die FontBook-App entwickelt, sie gestalten seit Jahren Drucksachen für FontShop, und gerade ging ein Multimedia-Designpreis an die Moniteurs für den virtuellen Fontwalk, den sie für und mit uns entwickelt haben.
3. (fast wissenschaftliche) Präzision. Als gelernter Wissenschaftler (ich bin Diplomphysiker) weiß ich es zu schätzen – man könnte auch sagen: ich bin schnell zu überzeugen –, wenn Pünktchen, Raster, Farben und andere grafische Elemente nicht irgendwo per Zufall sitzen, sondern mit kalkulierter Absicht platziert wurden. Auf dem Gebiet des Schriften-Marketings geht es sicherlich auch ohne diese Denkweise, nicht aber im Bereich der Informations- und Leitsysteme. Deshalb dauern solche Projekte Monate oder sogar Jahr, bis sie in allen Details und bis zum letzten Rolltreppe geklärt sind. Aber wie sorgt man dafür, dass solche Leitsysteme nicht kalt wirken, dass sie von den Besuchern akzeptiert werden. Wie kann sich Rationalität gut anfühlen? Als Wissenschaftler bin ich hier mit meinem Latein am Ende. Bei guten Designern wird es an dieser Stelle erst spannend, denn …
4. Emotion. Wir sind bei der Kernkompetenz der Moniteurs, der dritten Position des Dreiklangs Leitsysteme, Orientierung, Identität. Ohne Emotion keine glaubhafte Identität. Das hier vorgestellt Buch zeigt, wie das Berliner Designbüro Ratio und Emotion auf eine Art verbindet, die einmalig ist in der deutschen Informationsdesignszene.
Dass Leitsysteme neutral sein müssen, dass sie auf Flughäfen so einheitlich aussehen sollten wie die Beschilderung internationaler Straßen, war gestern. Heute wünschen sich Bauherren, Architekten und die Betreiber von Gebäuden eine Wegeleitung, die integraler Betandteil der Gesamtgestaltung ihrer Objekte ist. Das predigen und praktizieren die Moniteurs seit einem Jahrzehnt. Und sie haben es praktiziert: im Aufbau Haus, am Potsdamer Platz, im Konzept für das Tempelhofer Feld, in der Hochgebirgsklinik Davos, auf dem Fufhafen Berlin Brandenburg, im Tropical Island und im BMW-Werk in Leipzig … um nur die wichtigsten Beispiele zu zitieren.
Hier 1:1 – Leitsysteme, Orientierung, Identität für 49,80 € bei FontShop bestellen und kostenlos an den Schreibtisch liefern lassen …
3 Kommentare
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Christian Büning
Was ich viel verblüffender finde: Wir haben uns oft den Kopf zerrieben, welche prominenten Frauen im Design wir so kennen und standen direkt davor. Schönes Buch.
Anja Klausch
Lieber Jürgen Siebert,
ich schätze die Arbeit von moniteurs sehr, aber ich würde da gern etwas richtig stellen. Das seit 2010 existierende Leitsystem auf dem Tempelhofer Feld stammt nicht von moniteurs sondern kommt aus dem Hause minigram (http://minigram.de/?/projects/tempelhof/).
Und damit es in Zukunft nicht zu weiteren Verwechslungen kommt: wir haben auch das Leitsystem für den Großen Tiergarten und den Park am Gleisdreieck entwickelt.
Herzliche Grüße,
Anja Klausch
Jürgen Siebert
Liebe Anja,
du hast vollkommen recht, das war falsch beschrieben. Danke für den Hinweis. Ich habe das jetzt im Text deutlicher gemacht: Es ging nicht um das aktuelle Leitsystem, sondern um das zukünftige Konzept für das Tempelhofer Feld (das allerdings nicht im Buch enthalten ist).