WiWo über den Beruf des Schriftentwerfers

doppelseite
Nettes Experiment: Die Wirtschaftswoche (Heft 14 vom Montag, nur am Kiosk einsehbar; s. u.) versucht die »schweißtreibende« Tätigkeit des Schriftentwerfens in ein Jobprofil zu packen. Ich durfte auch meine Teil dazu sagen. Erik Spiekermann hat mich heute auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht ... nix Belegexemplar (Update: doch Belegexemplar ... landete allerdings wegen Unlesbarkeit der Kurzmitteilung auf dem falschen Schreibtisch).
Leider hat die Redakteurin Vera Sprothen meine Präzisierungen am Manuskript nicht angenommen, so dass die Zitate zwar sehr fantasiereich geraten sind, mit dem wirklichen Leben aber nicht viel gemein haben. Anderen wird es ähnlich ergangen sein. Natürlich wurde die DIN-Schrift nicht 1957 von Albert-Jan Pool entworfen. Genauso wenig lebt und arbeitet unser Kollege Alex Branczyk in Berlin Prenzlauer Berg (sondern in Mitte), und den Unterschied zwischen Buchstabenabständen und dem Leerzeichen wird er Frau Sprothen sicherlich auch richtig verklickert haben. Ligaturen sind für sie ck, ch und das englische th ...
Wenigstens ist sie meinen Ratschlag gefolgt, auf der Leipziger Buchmesse den Stand vom Hermann Schmidt Verlag aufzusuchen. Dort durfte sie exklusiv einen Blick in das mit Spannung erwartete Buch »Anatomie der Buchstaben« werfen, aus dem die Abbildungen des Artikels stammen – und die sind passend und richtig.
Es ist stets ernüchternd, wenn man auf seinem Spezialgebiet als Experte interviewt wird und anschließend sieht, was seriöse Medien aus dem Gesagten machen. Man sieht die Leistung der gesamten Redaktion plötzlich mit anderen Augen.
Die Internet-Site der Wirtschaftswoche gehört zu jener Gattung Old-School-Verlagsseite, die sich mit Händen und Füßen gegen einen offensiven Web-Auftritt wehrt. Wie absurd: Ich kann Euch nicht zu einem PDF des Beitrags führen (das könnte ja ruhig ein par Cent kosten), weil die digitale Ausgabe allein Heft-Abonnenten zusteht. Und immer, wenn ich auf den ePaper-Button klicke, kommt ein Login in Insider-Chinesisch: »Dank für Ihr Interesse an wiwo-plus! Nutzen Sie bereits unser Depot? Oder haben Sie sich für wiwo-plus bereits in der Testphase registriert?« Die WIrtschaftswoche verwendet ihr – sicherlich für viel Geld installiertes – ePaper als Würstchen, das man neuen Besuchern vor die Nase hängt, bis sie alle Links und Verweise abgeschnüffelt haben und sich mit eingekniffenem Schwanz trollen. Permalink
|