Zur Pflege der Tradition des Notizhefts

Trotz Smartphones und iPad: Die Gepflogenheit, ein Notizbüchleins bei sich zu tragen, ist so populär wie nie zuvor. Einer der Gründe hierfür ist die allge­gen­wär­tige Marke Moleskine. Sie hat ihr Sortiment in den letzten Jahren stark ausge­baut, so dass es inzwi­schen für jeden Zwecke ein Moleskine-Heftchen gibt – vom Kalender über den Organizer bis hin zum City-Notebook. Die ursprüng­liche Idee des schlanken Ideenspeichers ist darüber fast in Vergessenheit geraten.

Diese Entwicklung nervte die Designer von Draplin (Portland, USA) und Coudal Partners (Chicago, USA) irgend­wann, weil sie sich »beob­achtet fühlten« bei dem Gedanken, an öffent­li­chen Orten ein Notizheft zu zücken. »Da beruft sich ein 1997 gegrün­deter Hersteller, der in China produ­zieren lässt, auf die Tradition von Hemingway, Van Gogh und Matisse … das passt irgendwie nicht zusammen.« spöt­telten sie in ihrem Blog. Auf der Suche nach einem ehrli­chen, authen­ti­schen Notizheft, das es wert ist, mit guten Ideen gefüllt zu werden, entschlossen sie sich irgend­wann zur Selbsthilfe: Sie gestal­teten sich eines nach ihrem Geschmack. Die Field Notes waren geboren.

Die »Field Notes« haben nichts mit Feldpost oder Kriegstagebüchern zu tun, sondern knüpfen an die wissen­schaft­liche Tradition der Feldforschung an (vgl. Wikipedia.en-Artikel Fieldnotes). Unter Feldforschung versteht man die syste­ma­ti­sche Erforschung von Kulturen oder bestimmten Gruppen, indem man sich in deren Lebensraum begibt und das Alltagsleben der Menschen zeit­weise teilt. Mithilfe eines oder mehrerer Informanten und durch gezieltes Fragestellen sowie teil­neh­mende Beobachtung werden wissens­werte Informationen über die betref­fende Kultur oder Gruppe gesam­melt. Eine für Designer durchaus empfeh­lens­werte Strategie … Wer die TYPO 2010 besucht hat, wird sich viel­leicht an den Vortrag von Jan Chipchase erin­nern, der im Auftrage von Nokia solche Forschungen in entle­genen, nicht-indus­tria­li­sierten Regionen durch­ge­führt hat.

Die Field-Notes-Heftchen bringen drei essen­zi­elle Werte unter einen Hut: Bescheidenheit, Ästhetik und – wichtig für die Fans in ihrem Geburtsland – »Made in USA«. Dass sie darüber hinaus nütz­lich sind (klein und flach, abge­run­dete Ecken, 3 Heftklammern, 48 Seiten), haltbar und erschwing­lich ist eine Selbstverständlichkeit – unter­scheidet sie aber nicht von vielen anderen Notizheften. Kein Wunder also, dass die Field Notes vor allem durch ihre inneren Werte binnen kurzem zum Kult bei den US-Designern wurden.

Wir haben uns bei FontShop gedacht: Warum sollen nur die Kollegen in den USA in den Genuss dieses sinn­vollen Tools kommen? Also haben wir Kontakt mit dem Hersteller aufge­nommen, das OK für den Vertrieb in Deutschland einge­holt und eine ordent­liche Erstbestellung abge­schickt. Jetzt gibt es die Field Notes auf www​.font​blog​.de, in unter­schied­li­chen Paketen, auf Wunsch auch mit passendem Schreib- oder Zeichenwerkzeug.  Ein 3er-Päckchen schlägt mit 10,00 € netto zu Buche, inkl. MwSt und Versand kostet ein Heftchen (88 x 139 mm) somit 6,75 € brutto (bei der gleich­zei­tigen Bestellung eines Buches bei FontShop entfallen übri­gens die 7 € Versandkosten). Sicherlich kein Schnäppchen, aber ange­messen für ein gut gestal­tetes, prak­ti­sches und vernünf­tiges Notizheft.

(Abb: fieldno​tes​brand​.com und Fontblog)


16 Kommentare

  1. julius

    Da finde ich die Moleskines für 6 Euro/3 Stück aber wesent­lich güns­tiger, zumal man diese direkt im Buchhandel vor Ort kaufen kann. Und sie tragen nicht diesen bekloppten Aufdruck. :)

    Trotzdem ist das natür­lich eine nette Idee. Ich persön­lich bin inzwi­schen aber zu diesen häss­li­chen RITR gewech­selt, da das Papier einiges mehr aushält und auch mal feucht werden darf. Für Reisen und Unterwegs ein nicht zu unter­schät­zender Vorteil…

  2. John Inglehoe

    Also mal ehrlich: Moleskines sehen schi­cker aus und machen auch einen höher­wer­tigen Eindruck… alles ganz wich­tige Sachen, die ich brauche um inspi­riert zu werden.

    Ööhm, aber davon abge­sehen sind die Dinger hier nur aus reinem Wirtschaftsimperialismus entstanden. Als unideo­lo­gi­scher Pragmat würde ich die Dinger kate­go­risch ablehnen.

  3. Felix

    Kann mich den Meinungen nur anschließen – braucht man nicht unbe­dingt. Und die Moleskine haben mich einfach durch die Verarbeitung überzeugt.

    Für mich ist das nur ein weiteres Nullachtfünfzehn-Produkt was mit einem Image aufge­blasen wird.

  4. Arne

    Ich mag meine Notizhefte auch eher puris­tisch, deshalb habe ich sie bisher aus einfa­chen A5-Heften selbst gebas­telt. Vor kurzem habe ich mir das FILOU von Brunnen zuge­legt.

    Die Field Notes klingen für mich erst einmal sehr inter­es­sant, wobei ich vor dem Kauf eines Notizhefts oder Skizzenbuchs das Produkt lieber erst einmal in den Händen halte, denn ich habe recht hohe Ansprüche an die Habtik und an das Papier – das ist Papier ist es auch, das mich an den Moleskins am meisten stört.

  5. fritz

    Eine Frage: wie ist denn die Qualität des Papiers? Was mich nämlich bei so ziem­lich allen Notizheften sehr nervt, ist, dass das Papier zum Letternskizzieren einfach zu dünn ist und Tusche, Tinte oder Filzer gnadenlos durchschlagen.

    Das sieht unschön aus, hat zur Folge, dass man nur einseitg beschreiben kann und ist somit auch ökolo­gisch und wirt­schaft­lich Mist. Leider !

    Wenn mal jemand ein Heftchen (auch für 5 Euro das Stück) machen würde, bei dem die Papierqualität nicht nur für Kulli und Bleistift taugt, würde ich sofort zum Stammkunden werden.

  6. Jürgen Siebert

    @fritz: Ich schicke Dir morgen ein kosten­loses Probeexemplar (mein Testheft, das ich zum Fotografieren verwendet und dessen Umschlag ich ange­rissen habe); es ist innen noch unver­sehrt. Mail mir bitte Deine Anschrift.

  7. Martin John

    Ah, statt eines Chinesen (bzw. in China produ­zie­renden Italieners), der sich auf Hemingway beruft, jetzt also ein Amerikaner – der sich vermut­lich auf seinen großen Landsmann (haha) Charles Darwin beruft. Ich habe ja nix gegen Me-toos, aber einer­seits die Grundidee, inkl. Bauchbinde klauen und ande­rer­seits das Vorbild als unau­then­tisch nieder­ma­chen ist kein sonders netter Stil.

  8. Wilhelm Opatz

    sieht gut aus! ich habe mich – leider – wieder im Urlaub einge­deckt. Mit >country<. (bloc bureau || 100 feuilles | 70g | format 105 x 148.) Gebe zu, kein typi­scher Name für Fabriqué en France. Man schlägt den Abreißblock über den Kopf auf – wie bei Columbo/Peter Falk. Und durch die Farbe (verblasstes HKS 6) sind sie immer im Blick.

  9. BuchStabe

    @ Fritz: 5 € unli­niert und letter­taug­li­ches Papier – da könnten wir mal eine kleine home­made-Produktion anleiern. Wer will noch?

  10. arne

    kleine anre­gung … »made in germany« ;)

    http://www.roterfaden.com/product_info.php?info=p11_–8250-Arbeitswuetig–8249—–3er-Pack-Skizzen.html

    die hefte gehören zwar auch zu einem alles­könner, dem taschen­be­gleiter, haben aber gegen eine einzelne verwen­dung bestimmt nix einzuwenden …

  11. Simon Wehr

    @Buchstabe: Könnt Ihr auch Hefte nähen?

  12. Stephan

    Ich denke nicht das Moleskine einer der Gründe ist, weshalb Notizbüchlein immer noch sehr beliebt sind. Reale Notizen und die sie beinhal­tenden Büchlein bieten anschei­nend mehr Vorteile als ein iPad. Ich habe neben einem Moleskine noch diverse andere und jedes hat etwas beson­deres. Sei es die Verarbeitung, das Papier oder einen benut­zer­freund­li­chen Gimmick.

    Ich mag z.B. mein myndo­logy mit Disc Bindung, weil ich hier schnell­ge­machte Notizen durch einfa­ches Tauschen der Seiten nach­träg­lich sortieren kann. Seiten müssen nicht heraus­ge­rissen werden, sondern können ganz einfach entfernt und durch neue ersetzt werden. Sehr prak­tisch für Aktualisierungen. Und mit der Ringlochstanze kann ich auch andere Papiere verwenden oder zusatz­liche Elemente, Fotos, Artikel ect. einbinden.

  13. BuchStabe

    @ Simon Wehr: Meinst Du wirk­lich Nähen oder eher Heften?
    (Nähen=Nähmaschinennaht/gesteppt, mit Ober- und Unterfaden, kurzer Lochabstand
    Heften=Fadenheftung, ein durch­gän­giger Faden, längerer Lochabstand bei einla­gigen Heften als Knotenrückstichheftung)

    Nähen geht bei uns nur in sehr begrenztem Umfang, Heften im 1–300 Bereich können wir.
    Zum Nähen könn­test Du hier nachfrage:
    http://​www​.brand​book​.de/
    http://​www​.maren​thomsen​.de/

    Eine ganz wunderbar histo­ri­sche Knotenrückstichmaschine mit eigen­wil­ligem Knoten steht bei BUBU in der Schweiz:
    http://​bubu​.ch/

  14. Sami

    Könnt ihr als Großabnehmer viel­leicht ein gutes Wort für eine Auflage mit metri­schem Karo einlegen?

  15. DANA

    Ich hab gerade http://​www​.lipo​rello​.de getestet & kann sie nur empfehlen:
    > verschie­dene Bindungen, ua. Ringbücher, Leporellos, Skizzenbücher
    > Auswahl aus fünf Papierqualitäten
    > Made in Germany / Hamburg
    > sehr günstig zu erstehen.

    & nein, ich werde nicht dafür bezahlt ; )

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