Wkk 5: FontShop, 1. Versuch
Regelmäßige Fontblog-Leser wissen, dass wir uns gerne selbst an den Maßstäben messen, die hier gesetzt werden. Als ich vor anderthalb Jahren 127 Fußball-WM-Trittbrettfahrer entlarvte, begann meine Serie mit FontShop.
Heute haben wir unsere Weihnachtskarte eingestampft. Genauer gesagt: Wir drucken sie noch mal. Ursache hierfür waren Gründe, die absolut nichts mit den 10 Geboten zu tun haben. Die 10 peinlichsten Weihnachtsgrußfehler sind eigentlich Anfängerfehler bzw. beziehen sich auf die Abwesenheit eines guten Geschmacks. Und vielleicht sind es gerade Anfänger, die hier seit dem 1. Dezember aufheulen, wenn ich mal einen Finger in die Wunden der Weihnachtspost lege. Damit muss ich wohl leben, bei über 8000 Lesern täglich. Doch Fontblog ist ein Forum für Profis, und mit denen möchte ich in den nächsten fünf Absätzen meine Kritik und die Verbesserungen an der FontShop-Weihnachtskarte 1. Versuch teilen.
Die Schrift FF Holmen ist zwar eine wunderbare Textschrift, mit einer festlichen Kursiven, aber für den Negativdruck schlicht zu zart (Abbildung oben, links). Erfahrene Gestalter wissen das. Wir wissen das auch – als erfahrene Auftraggeber und Schriftexperten – und hatten auf die Gefahr hingewiesen. Gestalter und Drucker versuchten uns vom Gegenteil zu überzeugten. Spätestens bei der Druckabnahme hätte der Daumen nach unten gehen müssen, denn auch das »Herunterfahren von Schwarz« half nicht wirklich, sondern bereicherte die Mängelliste um einen weiteren Punkt: wir hatten zugelaufene Buchstaben plus einen anthrazitfarbenen (statt schwarzen) Fond.
Warum sah FF Holmen auf der weißen Rückseite perfekt aus, versagte jedoch im Negativdruck? Ursache ist der Strichstärkenzuwachs, der im Bereich der Bildreproduktion Tonwertzuwachs heißt. Der Strichstärkenzuwachs kann verschiedene Gründe haben, die in der Art des Papiers, der verwendeten Druckfarben und der Drucktechnik zu finden sind. Der Hauptgrund im Offsetdruck liegt in der Tatsache, dass Flächen oder feine Linien (zum Beispiel Haarstriche an den Buchstaben) beim Übertragen von der Platte auf das Gummituch und vom Gummituch auf das Papier durch die einwirkende Druckkraft in die Breite gedrückt werden. Beim Positivdruck werden also die feinen Details der Buchstaben etwas kräftiger, beim Negativdruck passiert das gegenteil: sie fließen zu.
Wir entschieden uns für eine robustere Schrift, die trotzdem Charakter besitzt und Eleganz in der Kursiven: FF Nexus Mix, eine Slabserif von Martin Majoor (Abbildung oben, Mitte).
Bei der Druckabnahme heute Morgen beschloss ich mit den Druckern zwei weitere Verbesserungen. Statt eines beidseitig matt gestrichenen Kartons entschieden wir uns für Ansichtskartenpapier, das vorne glatt und auf der Rückseite eine rauhe, gut beschreibbare Oberfläche aufweist. Immerhin werden hier im FontShop ab morgen 400 Karten mit bis zu 5 Unterschriften versehen, das macht mit dem neuen Papier maximal 2000 mal glückliche Gesichter, weil Tinten schneller trocknen, Kulis besser rollen und Goldfedern einen strukturierten Strich hinterlassen (Abbildung oben, rechts).
Das mit Gold gedruckte Hauptmotiv, ein Möbiusband, wurde beim ersten Druckversuch mit UV-Glanzlack behandelt (Abbildung oben, links). Das sieht zwar ganz schön aus, war so aber nicht abgemacht. Wir hatten eine strukturierte UV-Lackierung vereinbart, die wie eine Schaum auf dem Papier steht, so dass sich unser Goldmotiv anfühlt wie aufgeklebt.
Fazit: Kaputte Schrift auf einer FontShop-Weihnachtskarte geht gar nicht, schon dies alleine war Grund für Umgestaltung und Neudruck. Besseres Papier, otivgerechte UV-Lackierung und eine satteres Schwarz gehören zur Kür mit der die Karte in 10 Tagen endgültig bewertet werden kann.
0 Punkte weil kein Verstoß gegen die 10 Gebote
34 Kommentare
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andré
sehr, sehr fein…und interessant. das problem mit der rückseite kenn ich… ,-) andré
[rru] Dr. Schnuffel
„Doch Fontblog ist ein Forum für Profis“ – dochdoch, sogar für Metaphernprofis, die den aufheulenden Anfängern gerne mal die Finger in die Wunden der Weihnachtspost legen.
Das soll ihnen erstmal einer nachmachen, den Profis.
Aufheulende Grüße,
Dr. Schnuffel
robertmichael
> Heute haben wir unsere Weihnachtskarte eingestampft …
da bin ich wenigstens nicht der einzige ;)
nike
mal sehen, ob die fs-postkarte durch diese aktion nicht dem 10. gebot zum opfer fällt.
ps: gestrichenes papier auf dem handschriftlich grüsse ausgerichtet werden, würde für mich ganz oben auf der „no-go“ liste stehen.
ich finde dieses 10-gebote-thema vom ansatz her richtig aber ziemlich polemisch inszeniert.
Magnus
„Erfahrene Gestalter wissen das“. Hab schon verstanden ;-)
Jürgen
nike: Polemik ist etwas hart, ich würde es »bissig« oder »überspitzt« nennen. Das ist eine weit verbreitete journalistische Stilform, für die ich mich bei dieser Serie entschieden haben. Nicht zum ersten Mal (siehe: WM Trittbrettfahrer). Dabei versuche ich, schon im Interesse unseres Unternehmens, nie unsachlich zu werden und auch niemanden zu kompromittieren. Geschäftliche Weihnachtskarten sind öffentliche visuelle Kommunikation, die eine Wirkung erzielen will, ja die eine Reaktion wünscht. Kein Unternehmen versendet eine Weihnachtskarte, damit sie umgehend in einer Mitarbeiterschublade verschwindet. Sie werden ausgelegt, weitergegeben und diskutiert. Nichts anderes geschieht hier.
thomas
mit ein wenig geduld liesse sich das problem mit dem zuwachs bei negativem text sicher umgehen. ist das denn ein tiefschwarz gewesen oder nur 100 % schwarz?
robertmichael
bekomme ich auch ’ne weihnachtskarte von fontshop?
Jürgen
Du bekommst sie von mir persönlich unterschrieben und ein exklusiv für FontShop gestaltetes Notizbuch dazu. Dr. Schnuffel kriegt keine …
Magnus
Also ich oute mich mal als der unerfahrene Gestalter mit der Vorliebe für den Holmen-Font, (was sind schon 10 Jahre Verantwortungübernahme im eigenen Büro?), denn vielleicht können auch andere vom Vorgehen in diesem Fall profitieren.
Ich habe versucht Jürgen mit dieser Theorie (siehe PDF) zu überzeugen, an die ich auch selbst glaubte. Der dunkle Hintergrund ist etwa mit (c80/m70/y60/k100) zusammengemischt, damit das Golddrahtobjekt auf dem Foto auch wirklich schön vor einer satten Fläche steht.
An der Druckmaschine wurde der Fall dann tatsächlich noch komplexer, denn im Prinzip funktionierte meine Sicherheitsoutlinelogik schon, aber was Jürgen oben sagte, mit dem Runterfahren von Schwarz, war überhaupt keine Lösung hinsichtlich der feinen Linien (ganz unabhängig von der flaueren Hintergrundfläche). Die feinen weißen Teile der Schrift (Serifen etc.) standen bei mehr Schwarz sogar offener, weswegen ich dann auch ordentlich fett drucken ließ.
Fazit: Alle Tricks bringen gar nichts. Die negativen Linien dürfen einfach nicht zu dünn werden. Leider!
Ich fand übrigens die extrem dünnen Linien auch im Druckbild des ersten Versuchs ganz gut. Aber bei dem Erfolgsdruck nach der Geschichte mit den 10 Geboten der Weihnachtsgrußgestaltung, habe ich auch Verständnis fürs Einstampfen und die NexusMix ist in jedem Fall auch sehr schön.
robertmichael
mensch magnus, mach dir nicht so ’nen kopp. ;)
das die schrift zuläuft ist halt ganz normal bei soviel fabre und solchen feinen fonts, wie groß war denn eigentlich der schriftgrad? optisch hätte mir der holmenfont auch besser gefallen, er ist halt edler. aber ich finde es gut wenn man auf solche details wert legt, denn immerhin will fontshop ja seinen kunden auch zeigen was es so für tolle schriften bei ihnen gibt und da wäre eine zugelaufene schrift nicht gerade die beste werbung. (erinnert mich an den beitrag über die anzeige des mitkonkurrenten in der page).
was ich noch eher unverständlich finde, ist einen gestrichenen karton zu verwenden anstelle von chromokarton. wer ist dafür verantwortlich? ;)
Heinrich
jürgen, ich würde auch mal gerne für euch gestalten und ich würde euch nicht überzeugen, dass was geht was nicht geht, ich würde anders überzeuegen :)
thomas
magnus. das meinte ich. aber das scheint wohl bei klassizistischen fonts von zeit zu zeit ebenfalls zu versagen.
ich drücke euch auf jeden fall die daumen, dass alles noch gut wird.
Jürgen
Wir haben immer offen Augen und Ohren für ein Angebot. Aber nicht dass Du glaubst, unsere Weihnachtskarte 2008 gestalten zu dürfen. Wir köpfen niemanden (auch noch öffentlich, hä), weil Fehler passiert sind. Das Geheimnis guter Drucksachen: Vertraue deinen/m Designer/n.
Heinrich
hehe, so war es auch nicht gemeint aber freuen würde ich mich trotzdem.
Ivo
… und deiner Vorstufe und deinen Druckern und deinem Versand und … ;)
thomas
und deinem geschmack ;-) wenn der fürn arsch ist, nutzt das ganze vertrauen nicht.
mart
Verstösst das Möbiusband nicht gegen das 11. Gebot?
„Du sollst keine unverständlichen Schwurbeleien auf deine Weihnachtskarten drucken, auch nicht in Bildform“.
Aber vielleicht erschliesst sich das Bild im Ganzen ja eher dem Betrachter, oder es gibt eine Legende – kann man anhand des Screenshots leider nicht erkennen.
Jürgen
Natürlich kann man nichts erkennen, weil ich nicht alles verraten wollte. Wenn die Karte eine Legende bräuchte, würde dies gegen Gebot 12 verstoßen: »Du sollst keine Karten gestalten, die sie nicht selbst erklärt.«
JanPSchm
Das ist wohl dann so ziemlich genau das, was hier gestern jemand mit „unsympathisch und selbstgefällig“ benannt hat.
Du bist wirklich ein Profi!
Jan
Jürgen
Ich bin mit dem Verlauf des Threads zufrieden und habe dazugelernt. Mir ging es um Themen wie Strichstärkenzuwachs, Qualitätssicherung und die Rolle des Designers beim Workflow.
Ivo
Was die einen als »unsympathisch und selbstgefällig« bezeichnen, würden andere vielleicht als »direkte und kritische Professionalität« bezeichnen. Alles eine Frage der Sichtweise. Ich denke, man sollte die Aktion erst nach der entscheidenden Phase kurz vor den Feiertagen beurteilen und nicht immer gleich beleidigt sein. Es ist tatsächlich seltsam, dass man in allen möglichen Bereichen des Lebens kritisiert wird, als Musiker, als Politiker, als Lehrer … aber die Leistungen von Designern sind tabu. Man kann hierbei jedoch als Designer durchaus auch noch etwas lernen. Wer das nicht möchte, sollte dann vielleicht doch lieber auf unkritischen Foren a la flickr & Co. surfen und sich an Kommentaren und Beiträgen wie »Amazing!« oder »Very nice« erfreuen.
Heinrich
»Amazing!« oder »Very nice«
harhar.
recht hast du!
Christian Büning
Niveau sieht von unten schnell nach Arroganz aus :-)
ist leider nicht von mir.
mart
@Jürgen (19): immerhin erkennt man schon, dass das Möbiusband nicht als liegende Acht umgesetzt wurde. Warum nicht? Zu naheliegend?
Ich als Kleinkunde werde wohl das Ding wohl nie in seiner Gesamtheit sehen; leider – denn neugierig bin ich inzwischen schon.
Dr. Schnuffel
>Dr. Schnuffel kriegt keine …
Wie, was? Dabei hatte ich mich bereits irre auf das Ding gefreut; das schlägt wirklich dem Faß die Krone ins Gesicht!
Den oben gebrachten Kalenderspruch: »Niveau sieht von unten schnell nach Arroganz aus«, finde ich übrigens vor allem deshalb spitze, weil er, wenn man Subjekt und Objekt vertauscht, noch unvergleichlich wahrer, besser, schöner auch wird.
Grüßt von unten herab:
Dr. Schnuffel
Jürgen
mart, schick mir eine E-Mail und ich sende Dir die Karte plus Notizbuch (von Neville Brody gestaltet).
Das Angebot gilt selbstverständlich auch für Dr. Schnuffel, der die Ironie in meiner früheren Aussage gerochen hat.
Florian
Ich bin ab jetzt Dr. Schnuffel-Fan!
Christian Büning
und ich brauche einen besseren Sprüche-Kalender :-)
mart
So, Karte und Buch sind angekommen – und ich sage zuallererst: Danke! Sehr netter Zug von dir, Jürgen. Wenn ich den Fontshop nicht sowieso schon für einen netten Laden halten würde, hättet ihr mich spätestens jetzt umgestimmt.
Von der Gestaltung her, kommt die Karte sehr edel und schlicht rüber. Der Druck ist auch fein und das Schwarz schön tief und matt.
Zwei Minimäkeleien habe ich aber doch: Auf der Titelseite sieht man drei leichte Spuren, die über das volle Format laufen – vermutlich von irgendwelchen Rollen in Druck oder Veredelung.
Die Falzung passt nicht hundertprozentig.
Bei beiden Fehlern muss man lange suchen und sehr genau kucken, von daher: volle Punktzahl von mir.
Und ein schönes 2008 wünsche ich auch.
(diplom)ego
Moebiusband???
Dit sieht eha wien benuzzter Toppkratzer aus.
Tz, tz, tz …
Warum lasst ihr denn eure Haushälterin die Karten gestalten? Gebt doch mal gelernten Gestaltern eine Chance!
Jürgen
Das wirst Du nicht mehr sagen, wenn Du es im Original siehst. Ich schicke Dir gerne eine Karte zu.
Jürgen
@ mart: Danke für die Blumen. Das mit der Falz schaue ich mir noch mal an … die Spuren habe ich gesehen, dachte aber, das sie sich auf der Kaschierung wegwischen ließen. Ich hatte Dir die erste Karte aus dem Karton geliefert, die ganz oben lag … wahrscheinlich Transportspuren.
(diplom)ego
Danke Jürgen, aber ich steh nicht so auf Totes-Holz-Weihnachtskarten. Kommt mir irgendwie wie Verschwendung vor.
Dieses Jahr gibts auch keine Geschenke! Einfach toll, diese Stressbefreiung.