Wie Europa seine Designer aushungert …
Das European Institute for Gender Equality (EIGE, Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen) sitzt in Vilnius, der Hauptsadt Litauens, und wurde 2007 von der Europäischen Union ins Leben gerufen. Ausgestattet mit einem Etat von 52,5 Mio. € für den Zeitraum von 2007 bis 2013 soll die »Agentur« (!) EU-Einrichtungen und die Mitgliedsstaaten dabei unterstützen, für die Gleichheit von Frau und Mann zu werben und geschlechtliche Diskriminierungen anzuprangern. Das Institut hat also eine ernste Kommunikationsaufgabe.
An seiner Spitze herrscht eine Lenkungsgruppe von 18 Staatsrepräsentanten (plus 18 Vertretern), die alle 3 Jahre neu gewählt wird. Ein weiteres Gremium ist das Expertenforum, dem Delegierte aus 27 Mitgliedsstaaten angehören (plus 27 Vertreter), 2 Abgeordnete der EU (plus 2 Vertreter) und 3 Repräsentanten der Europäischen Kommission (plus 3 Vertreter ); 20 Angestellte schmeißen das Büro – alle Informationen aus Wikipedia und von der EIGE-Seite.
Angesichts der vielen aufmerksamen Augen im hochkarätig besetzten Verwaltungsapparat scheint es verwunderlich, dass der Agentur erst nach dreieinhalb Jahren auffällt ohne Logo zu kommunizieren. Vielleicht will die frisch gewählte Lenkungsgruppe mehr Dynamik in den Apparat bringen. Möglicherweise hat sich auch der Millionenetat bereits wegverwaltet. Jedenfalls ruft EIGE jetzt einen Logo-Wettbewerb aus, bei dem es nicht nur 1000,– (1. Platz), 750,– (2. Platz) oder 500,– € (3. Platz) zu gewinnen gibt, sondern gleich 3 Flüge nach Vilnius, denn die Sieger werden auf 3 offiziellen Zeremonien gefeiert – Ende 2010.
Jeder kann mitmachen, nicht nur Design-Studenten und Design-Profis … nein, jeder Bürger der in einem Mitgliedsland der Europäischen Union lebt, auch Kinder (»… open to all citizens living in any of the Member States of the European Union. … There is no age limit.«). Ja, das EIGE versteht etwas von Gleichberechtigung …und von Geschäftsreisen … Drei Jahre haben wir auf diesen Wettbewerb gewartet. Seid hungrig, Designer Europas!
27 Kommentare
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<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
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CB
Ich finde, die EU sollte endlich ein Gesetz verabschieden, dass Design grundsätzlich kostenlos sein muss. Dieses ganze Vergüten und Bezahlen, das ist doch nix. Außerdem sollten alle ALG-I-Empfänger verpflichtet werden, an allen Wettbewerben teilzunehmen, die es gibt, dazu auch alle Leute in Elternzeit, alle Rentner und alle kommunalen Angestellten. Dann kommt wenigstens mal Schwung in die Bude und jede Menge Entwürfe auf den Tisch. [polemik ende]
Täuscht mich mein Eindruck oder sind öffentliche Wettbewerbe (und Designpreise) die schlimmsten und davon die EU-Wettbewerbe noch eine Stufe drunter?
Mann mann mann.
Christian
Ich schick ne Shutterstock Illu hin ;)
Caleb
Die deutsche Denke hat’s bis nach Litauen geschaft:
„Immer das Billigste, AU JAAHAAA…. “
Ich habe ja die Hoffnung, dass sich folgendes Sprichwort auch noch mal durchsetzen wird, insbesondere im Hinblick auf unser Schaffen: „Wat nix kost‘ dat is‘ nix! ;-)
pascal
aber funktionieren richtige designausschreibungen nicht ähnlich?
(im sinne dass man schon mit einem fertigen logo ankommen muss, evtl. gewinnt, bezahlt wird, und dann das restliche corporate design übernimmt etc?)
Immer noch die gleiche Vroni
Mich (50) wundert am heutigen Tag eh gar nichts mehr:
Sogar mein eigen Fleisch und Blut hat heute verkündet, dass ein Grafiker ein Dienstleister sei und der deswegen genau das zu machen habe, was der Auftraggeber wolle. Auch wenn das, was der Auftraggeber will, Blödsinn sei. Aha. (Ich hatte das Problem, dass ein Auftraggeber sich nicht an seine von ihm verabschiedete – und auch von ihm bezahlte – Positionierung hielt und mich 4 Wochen ohne mein Wissen für die Katz arbeiten ließ…).
Und da soll es mich wundern, dass dieses Europa Design für umme haben will? Ne. Ist doch beneidenswert konsequent. Für solche Fälle schicke ich immer so ein Logo ein:
http://www.basicthinking.de/blog/upload/logo_for_simon.png
It will do.
robertmichael
das reicht wohl nicht?
ich finde das reicht.
Jürgen Siebert
Es reicht! Aber wie kommen wir an die restlichen Millionen, Robert?
robertmichael
wir sollten eine agentur ins leben rufen die dies untersucht, jürgen ;)
chris
frechheit, bei dem etat.
ein designer ist ein dienstleister, aber wozu braucht man dann einen solchen wenn er das umsetzten solle was die auftraggeber vorgeben, dann könnten die es ja auch gleich selber machen und das für umme. ich (student) möchte nicht einfach nur das human-interface für diverse programme werden. nein, danke.
Grotesk
Geschlechtergleichheit zu propagieren ist verlogen*). Ich würde Pinocchio als Logo vorschlagen. :—o
*) Bitte nicht falsch verstehen, ich bin sehr für Gleichberechtigung bzw. Geschlechtergerechtigkeit, solange damit kein Schindluder betrieben. Wer keine unfairen Verhältnisse will, der hat zu berücksichtigen dass Frauen und Männer biologisch bedingt unterschiedlich sind und auch unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Paul S.
Nun, die Frage ist wohl eher, ob diese »unterschiedlichen Bedürfnisse« grundsätzlich anders sind — oder nur Variationen von allgemein menschlichen Hoffnungen und Erwartungen (Liebe und Anerkennung, Partnerschaft und Beziehungen, die Möglichkeit, schöpferisch zu arbeiten). Ich würde Letzterem zustimmen und finde daher den Ausdruck »gender equality« passend. Und was bitte schön sind »unfaire Verhältnisse«? Gehaltsunterschiede bei gleichwertiger Leistung? Unterrepräsentierung in Wirtschaft und Politik? Die braucht man nicht zu beschwören, die gibt es jetzt schon zur Genüge. Abgesehen davon stehe ich diesem Ausschreibungsverfahren auch skeptisch gegenüber.
anderer tom
Solche „Institute“ sind dafür verantwortlich, dass in Schulbüchern und in der Öffentlichkeitsarbeit keine Mädchen mit Zöpfen und keine Jungen mit Kurzhaarschnitt, Hosen und Fußball gezeigt werden dürfen.
Daher wäre mein Vorschlag eine geschlechtslose Zwitterfigur zu kreieren, die in allen Drucksachen und Lehrmitteln Europas verwendet wird. Und gleichzeitig auch als Logo. Irgendwas gesichtsloses ohne Eigenschaften. Ein biologisches Neutrum in EU-Blau, das an einen geschlechtslosen Meister Propper erinnert. So darf ES aber natürlich nicht heißen. Ich würde vorschlagen: DAS Gendy – die europäische Variante der Mickey Mouse.
Tobias Retschke
„Die Gewinner des Wettbewerbs übertragen dem Institut für Gleichstellungsfragen sämtliche Urheberrechte und Rechte an geistigem Eigentum, die sie an Ihrem Entwurf haben.“
Frechheit.
Florian
@Grotesk: Bezüglich der ›Gleichheit‹ – das ist doch bloß ein Übersetzungsfehler. Der offizielle deutsche Titel des EIGE lautet ›Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen‹.
Stefan Kalscheid
… und Dummheit.
Urheberrechte lassen sich nicht übertragen.
Sebastian Nagel
ich hätte da schon eine Idee – ein Schnellschuss mit Potential. Visuell einfach, inhaltlich adäquat, flexibel.
Da ich aber nicht 3x in Vilnius vorgeführt werden will … lieber nicht.
Klaus
Die solln einfach das Ding nehmen was sie in ihre Anzeige gestellt haben. Mehr wollen die ja wohl auch nicht.
Immer noch die gleiche Vroni
@ Klaus
Kann tatsächlich sein, dass die gar nicht so viel wollen.
Zu erkennen daran, dass alle aufgerufen sind, nicht nur Designer. Zu erkennen daran, dass wieder einmal undurchdacht Urheberrecht, Nutzungsrecht (ha, gendergerecht für alle) mit den Füßen getreten werden. Vermute, die Intention der EIGA ist, dass sich „das Volk“ mit dem Gender-Ding gedanklich beschäftigt, das reicht diesem Institut schon mal.
Bis gestern wusste ich gar nicht, dass es die gibt.
Prima „Öffentlichkeitsarbeit“ by Negativ-Welle, funktioniert doch immer wieder.
(Nein, war Ironie, so funktioniert PR natürlich nicht.)
Designfifi
Und wieder das gleiche Dilemma. Es wäre dringend an der Zeit eine Lobby in der Politik zu haben die für usere Rechte kämpft. Leider begreifen das die Designer immer noch nicht wie unser Sytem läuft, bildet sich ein unabhängig zu sein und kanibalisieren sich. Andere Branchen lachen uns nur aus das wir zu blöd sind uns ausbeuten zu lassen und dagegen nicht ankämpfen. wir wissen wie man Konsumenten steuern kann, aber bringen es nicht auf die Reihe für unsere Arbeit einen entsprechende Entlohnung ein zu fordern und dem Kunden das begreiflich zu machen. Es ist zum dahinwinseln :(
Grotesk
@Paul S.: In einigen wenigen, jedoch Bereichen sind diese »unterschiedlichen Bedürfnisse« grundsätzlich anders. Medikamente wirken bei Männern und Frauen unterschiedlich (stark), Frauen gebären immer noch Babys und stillen sie, diverse geschlechtsspezifische Krankheiten (Osteoporose, Brustkrebs, Prostatakrebs usw.) aber auch beim Lernen, im Beruf und im Freizeitverhalten gibt es Unterschiede. Darum geht es nicht um „Variationen von allgemein menschlichen Hoffnungen und Erwartungen“. Wer diese Unterschiede nicht entsprechend berücksichtigt riskiert unfairen Verhältnisse. Z.B. eine Gesellschaft die Erfolg und Kariere nur in beruflichem Kontext sieht und entsprechend entlohnt ist unfair.
Leider gehen viele der „Bemühungen“ zur Geschlechtergerechtigkeit in Richtung einer ideologische Gleichmacherei und haben nichts mit den wahren und unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen zu tun. Ein vom Ansatz her falsches Binnen-I als Alibiaktionismus ist da nur die Spitze des Eisbergs. Soweit zur Verlogenheit.
erik spiekermann
So handhaben wir dieses thema:
http://www.edenspiekermann.com/de/about/pitches/
Oliver Adam
@ erik (21)
Finde ich gut. Was versteht Ihr unter »strategische Analyse« und »kreatives Debriefing«?
arti
@erik
Vielen Dank. Nur würden viele Kunden die Grafik in Deutsch sicher besser verstehen. Oder ist das gar kein Englisch sondern Marketingdeutsch? ;-)
Bernie
Die Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern ist ein Widerspruch insich und propagiert Spaltung. Das ist auch das, was Frau Schwarzer antreibt. Erst wenn man sie (die Gruppe) zersplittert hat, kann man sie kontrollieren. So behält man die mediale Meinungshoheit.
Und daß diese Karnevalspfeifen gleich nach allen Rechten und Lizensen greifen ist doch ganz normal bei dieser Spezies.
Hallo Erik: Was bedeutet „Strategische Analyse“? Heißt das „Sinnlos“?
Und was ist „Kreatives Debriefing“? „Rauswurf“?
Oliver Adam
@ erik
Ich meine Frage frei von Ironie oder Kritik, sondern ich würde gerne wissen, was Ihr mit den Begriffen meint. Aus der Außensicht klingt »Strategische Analyse« eigentlich wie etwas, was man bezahlt bekommen sollte …
Marc Messebau
Das kann doch nicht so schwer sein, die Frauen auf eine Stufe mit den männlichen Kollegen zu stellen. In sehr vielen Bereichen der Wirtschaft, ist das weibliche Geschlecht sowieso die bessere Besetzung.
Christian
Das ist allerdings wahr. Frauen sind offenbar sehr genügsam, sonst würden sie sich
a) nicht mit Männern abgeben ;)
b) gewerkschaftlich organisieren. Es gibt ja sehr viele von Frauen dominierte Berufe, z.B. im pädagogischen Bereich. Was würde bspw. passieren wenn sich die Erzieherinnen zusammentun würden um mal zwei Wochen am Stück geschlossen zu streiken? Nach dem Motto: was die Piloten und Lokomotivführer können …