Wie die neue Unit-Slab-Schriftfamilie entstand
Achtung, dies ist nur ein raffiniertes Unit-Slab-Schriftmuster im Schablonen-Look (klicken zum Vergrößern), entworfen von Alexander Roth bei FSI, … tatsächlich ist eine echte Unit Slab Stencil weder lieferbar, noch entworfen
Gestern erschien die neue Spiekermann/Schwartz/Sowersby-Schriftfamilie FF Unit Slab im FontShop. Zur schnellen Orientierung stelle ich einfach mal die Frage: Wie ist sie einzuordnen? Ihre Entwerfer formulieren die Verwandtschaft so: »Wenn FF Unit die große Schwester von FF Meta ist, dann sind Unit Slab und Meta Serif Großcousinen.« Während Meta Serif die spleenigen Windungen des Sans-Originals aufgreift, sind die Endstriche der Unit Slab kraftvoll und selbstbewusst angelegt. Das stabile, nüchterne Auftreten der Grundform ruft nach einem massiven Serifenmodell. Zum Teil erinnert das Ergebnis an Schreibmaschinentypen der 50er und 60er Jahre, speziell jene Formen, deren linke Serifenhälfte aus Platzmangel amputiert wurde.
Ihre Vorpremiere feierte Unit Slab bereits im Frühjahr 2009, als Hausschrift des frisch gegründeten Designunternehmens Edenspiekermann (Startseite, mit Unit Slab im Einsatz). Doch die Entwicklung der Schriftfamilie begann bereits vor mehr als 2 Jahren.
Als Erik Spiekermann und Christian Schwartz mit dem Entwurf von Meta Serif begannen, spielten sie bereits mit Ideen für eine Unit Slab, die entweder parallel oder kurz nach der Veröffentlichung von Meta Serif begonnen werden sollte. Weil FF Meta und FF Unit so viele Gemeinsamkeiten haben, lag es nämlich nahe, die beiden Serif-Versionen der Basisschriften so anzulegen, das sie sowohl mit der einen als auch der anderen Sans harmonieren könnten.
Meta, die starke humanistische Züge aufweist, musste zu einer traditionellen Antiqua führen, während Unit die perfekte Ausgangsbasis für eine Egyptienne (Slab Serif) in sich trägt, zumal das i und das j mit ihren Halbserifen bereits die Anlagen in sich trugen. Mit diesem Background machten sich Kris Sowersby und Christian Schwartz daran, die ersten Serif-Testwörter für beide Schriftsippen parallel auszuarbeiten. Unit Slab war bereits halbfertig, als Meta Serif im November 2007 herauskam. Dann begann die Feinarbeit.
Der folgende Protokollausschnitt vermittelt eine Vorstellung des Abstimmungsprozesses zur kursive Version der Unit Slab:
1. Sogar das f scheint bei dieser Strichstärke etwas zu ›schwer‹ am Kopf.
2. Bogenform: siehe Sans Italic.
3. Größerer Winkel bei Thin, Black, Ultra oder weniger bei Regular. Ich bevorzuge Black & Ultra, glaube aber, dass sie etwas extrem sind. Lass sie etwas überhängen und verringere den Winkel an diesem Zeichen – oder mach etwas, was für dich am besten aussieht.
4. Etwas weicher und am Ende ein bisschen mehr hochziehen. Ich möchte den Winkel eher auf dieser Seite der Innenform spüren.
5. Schau Dir die Alternates in den .vfb-Dateien an und wende es auf alle Strichstärken an. Und: Wenn du in der Roman keinen Schnabel hast, warum in der Italic?
6. Siehe Sans Italic.
7. Den Bogen etwas tiefer? Siehe Sans Italic.
Und so sehen die Testwörter heute aus, gesetzt aus Unit Slab Light Italic und Unit Slab Regular Italic (klicken zum Vergrößern):
Die Arbeit an Unit-Slab dauerte schließlich fast 3 Jahre, nicht zuletzt, weil sie – neben ihren 7 Strichstärken (Thin, Light, Regular, Medium, Bold, Black, Ultra) plus 7 Kursive plus 7 Small Caps – zu einem exquisiten OpenType-Familie ausgebaut wurde, mit breiter Sprachunterstützung (OT Pro) und Features wie: Ligaturen, historische Formen, Kapitälchen, Kapitälchen aus Versalien, kontextbedingte Varianten, Versalspationierung, Versalziffern, Proportionalziffern, Tabellenziffern, Brüche, Zähler, Nenner, Ordnungszahlen, wissenschaftliche Tiefstellung, Hochstellung, Tiefstellung sowie einem Dutzend stilistischer Varianten.
Das gesamte Leistungsspektrum der Schrift sowie ihre Entstehungsgeschichte, dazu ungezählte Schriftmuster und Hintergrundinfos liefert das von FSI konzipierte und gestaltete 28-seitige Schriftmuster-PDF FF Unit Slab (PDF, 28 S, 4,5 MB).
Die Korrekturen und Diskussionen über das Aussehen der Schrift sind auf 4 Seiten dokumentiert. Eine Doppelseite widmet sich ausführlich den Kombinationsmöglichkeiten von Unit Slab mit der Meta- und der Unit-Sippe. Fazit: Unit Slab wirkt überzeugend stark in Headlines (Präsentationen, Corporate Design, Editorial, Packaging, …) und eignet sich bestens als Auszeichnungsschrift in Texten gesetzt aus FF Meta, FF Unit und sogar FF Meta Serif (hier zum Beispiel als kontrastreiche, robuste Kursive). Auf weiteren 3 Seiten kommen die OpenType-Features der Schrift zur Sprache, dargestellt mit anschaulichen Beispielen. Den Abschluss der Broschüre bilden Informationen über den Sprachausbau, von Afrikaans bis Yiddish.
Die Flexibilität der FF Unit Slab drückt sich auch in der Vielfalt der Produkte im FontShop aus: 21 Pakete bieten sich an, schon heute – fast maßgeschneidert – typografische Kommunikationsaufgaben zu lösen. Einzelschnitte gibt es ab 46,– €. Zur FF Unit Slab im FontShop …
11 Kommentare
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Indra
zur BU: Unit Stencil wär’ doch aber eine schöne Idee!
Stefan
Die Darstellung der Schrift auf der Beta-Seite des Fontshops könnte noch deutlich verbessert werden. Erinnert mich eher an Erpresserbrieftschnibbelschrift mit kriminellem Kerning und Hinting als an Präzisionstypografie. :-)
Michael Müller-Hillebrand
Zwei Anmerkungen zum Schriftmuster-PDF:
* Zur Darstellung des Unterschieds von Proportional- und Tabellenziffern ist die Folge »5678« nicht besonders gut geeignet.
* Unter »Sprachunterstützung« die Romanisierungen kyrillischer Sprachen sowie von Koreanisch und Japanisch aufzuführen ist – wie sagt man so schön – grenzwertig; dieser Verwendungszweck ist doch wohl so selten, dass die Fussnoten eher ein Ärgernis sind.
Ich bin ein begeisterter Cover- und Booklet-Leser (und schaue auf DVDs oft zuerst das Behind-The-Scenes-Material an), was sich offensichtlich auch auf Meta-Informationen zu Schriften bezieht. Danke dafür!
Alexander
* Folge 5678 ungeeignet
man lernt ja nie aus, was empfiehlst du stattdessen?
Sebastian Nagel
0123
erik spiekermann
Besser 01235, dann hat man gleich die oberlänge abgebildet bei Mediävaziffern.
Thomas Kunz
Also dann doch wohl: 0136
Jürgen Siebert
Ich glaube, Thomas, so könnte man die Diskussion zusammenfassen. Vielen Dank ;-)
Sebastian Nagel
Schön, Idealzustand gefunden. :)
erik spiekermann
war ja wohl ein schreibfehler meinerseits ;-)
Lars
So muss man es machen!