Versandhandelskongress (5): Simplify your lawyer

So simpel ist das nicht, Werner ›Tiki‹ Küstenmacher*, wie du es den Besuchern des Versandhandelskongresses im Abschlussvortrag weiß machen woll­test. Dein »simplify« sei die neue Bezeichnung für »ordnen« und »aufräumen«. Die hübschen Redakteurinnen großer Frauenmagazine küssten dir aus Dankbarkeit die Stirn und würden deine Vokabel in Überschriften einsetzen. Das musste ich dann doch per Zwischenruf richtig stellen: »Wer das tut, bekommt eine Abmahnung von Ihren Anwälten.« So geschehen im März 2005, als ich für ein FontShop-Mailing (FOTOS 2) die Headline »Simplify your busi­ness« getextet hatte … Bumms … 800 Euro Anwaltskosten für das Unterschreiben einer Unterlassungserklärung. Gelächter im Saal.

Nach seinem Vortrag entschul­dige ich mich im Foyer bei einem Kaffee für den Einwurf. Küstenmacher nimmt’s gelassen. Er kennt FontShop und Erik Spiekermann seit Jahren, denn er ist von Hause aus Illustrator (und studierter Pfarrer). Er ärgere sich über die Vorgehensweise der Anwälte und seines Herausgebers (Verlag für die Deutsche Wirtschaft). »Die Sprache ist frei, und eigent­lich ist es eine tolle Bestätigung für meine Arbeit, wenn die ›Simplify‹-Floskel in die Umgangssprache Einzug hält. Da entstehen unnö­ti­ger­weise Rechtskosten … « »… die von Ihren Tantiemen abge­zogen werden.« entgegne ich frech. »Da spre­chen Sie einen empfind­li­chen Punkt an …« bestä­tigt mich Tiki. Immer wieder rechne ihm sein Verlag die Kosten für Rechtsschutz vor.

Tiki: Ich hab’s hier mal proto­kol­liert. Jetzt liegt es an Dir, ob du als großer deut­scher Simplifier unsterb­lich wirst oder als der größter Prozesshansel der Nation.
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* Küstenmacher ist Mitautor von »Simplify your Life«, eines der erfolg­reichsten deut­schen Sachbücher … seit Jahren in den Top-20 der SPIEGEL-Bestsellerliste


2 Kommentare

  1. Nick Blume

    Simplify your Wiki with Tiki… habe ich zuerst gelesen. ;)

    Aber wunder­schön, dein Zwischenwurf, Jürgen!

  2. HD Schellnack

    Das ursprüng­liche Buch ist in der Flut von Ratgeberbüchern inso­fern bemer­kens­wert, als das es recht lange recht prag­ma­tisch und funk­tional bleibt, bis es leider auch zum esote­ri­schen Rundumschlag ausholt. Wie alle Happiness-is-just-around-the-corner-Bücher ist es aber eigent­lich ein Paradox. Leute, die mit sich selbst diffus unzu­frieden sind, lesen diese Bücher und kriegen erklärt, wie viel Potential sie doch eigent­lich hätten, wenn sie nur A, B und C befolgen würden. Im Alltag schei­tern nahezu alle Menschen an diesen anonymen Ratschlägen und fühlen sich dann in ihren Komplexen bestä­tigt. Man sollte die Finger davon lassen. Die Tipps zu Organisation und Ordnung fand ich aber – wenn auch aus anderen Stellen schon bekannt – schön zusammengefasst. 

    Das Gegenteil von Simplify ist aller­dings, was Verlag und Küstenmacher selbst inzwi­schen anschei­nend aus der Geschichte machen. Simplified wäre EIN BUCH. Und Ende. Keine Newsletter, keine HP, keine x-anderen Bücher, keine Seminare und nix. Das ist Anti-Simplified, nämlich die zuneh­mende Komplizierung und Verästelung. Und natür­lich Geldmache. Aber wem will man’s verdenken?

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