Versaleszett wird internationale Norm

Wie heise​.de meldet, ist jetzt das ß als Großbuchstabe von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) als Norm veröf­fent­licht worden. »Ende Mai fand bei der ISO die finale Abstimmung statt, die Norm wurde ohne Gegenstimme ange­nommen, bestä­tigte Roman Grahle vom Deutschen Institut für Normung (DIN) gegen­über heise online. Das DIN hatte sich im vergan­genen Jahr für die Aufnahme als Standard einge­setzt. Am 23. Juni hat die betref­fende Ergänzung der Norm den Status 60.60 (›International Standard published‹) erreicht und ist damit gültig.«

Am 4. April trat bereits die Unicode-Version 5.1 in Kraft, die das versale ß als Zeichen U+1E9E enthält (Fontblog berich­tete). Das zustän­dige Unicode Consortium steht der ISO bera­tend zur Seite. Heise betont, dass die Rechtschreibregeln von der neuen Norm nicht betroffen seien, das ß werde danach weiterhin in Großschreibweise als SS umgesetzt.


42 Kommentare

  1. depp

    wenn man es doch wieder durch SS ersetzen soll,
    wozu dann das ganze?

  2. andré

    sehr gut! die ände­rung in der recht­schrei­bung kommt dann auch noch…

  3. nicetype

    Die Änderung in der Rechtschreibung setzt aber das Versal-ß in allen Schriften voraus, das dürfte einige Zeit dauern, es nach­zu­holen. Wenn überhaupt.

  4. andré

    das kommt stück für stück…

  5. HD Schellnack

    Ein groß­ar­tiger Sieg des Antifaschismus!!!

  6. Jürgen

    Kommt drauf an: das Unrecht der Waffen-SS ist bewiesen, abge­hakt. Doch was können wir zum heutigen Zeitpunkt Verbindliches über das Waffen-Versaleszett sagen?

  7. HD Schellnack

    Neeeee, ich mein doch nur, weil SS verschwindet.
    Seriously, solange es nicht verbind­lich ist, soll jeder machen, wie er mag – ich finde es ästhe­tisch (viel­leicht aus der Gewohnheit und weil ich irgendwie dem selt­samen Gedanken anhänge, dass das ß eine Minuskel-Ligatur ist, die zum Versal zu erheben irgendwie doch recht beknackt ist) unbe­frie­di­gend, aber wenn andere Leute als es eine Erweiterung ihrer Möglichkeiten erleben, super.

  8. Adam Twardoch

    > wenn man es doch wieder durch SS ersetzen
    > soll, wozu dann das ganze?

    Nach den normalen Rechtschreibungsregeln der Bundesrepublik Deutschland wird ß in Versalien weiterhin als SS geschrieben. Da aber kein Buchstabe Eigentum eines einzigen Landes ist und es genug Beispiele gibt, in den ein Versal-ß notwendig ist, wurde der Buchstabe eingeführt.

    Ausführlich dazu:
    http://​www​.typophile​.com/​w​i​k​i​/​e​s​z​ett

  9. ole

    Ich glaube, ich hatte schon einmal ange­merkt, dass ich das «Versaleszett» für so über­flüssig halte wie Sprühkäse. Ich fürchte nur, es wird noch weniger richtig einge­setzt werden wie das Zeichen in der Normalschreibweise. Es bleibt Käse.

  10. thomas | BFA

    danke ole! das erspart mir die wieder­ho­lung meiner meinung.

  11. Jan

    Noch EIN Wort gegen Sprühkäse!

  12. fjord

    Danke, Ole! Exakt meine Meinung.

    „Norm“ wäre doch mal ein inter­es­santes Thema für einen Diskurs, oder? Vor allem, was deren äußerst frag­wür­dige Legitimation angeht. Wie in diesem Fall nun auch wieder. Jedenfalls die Fragwürdigkeit der Legitimation im Vergleich zu den weit­rei­chenden Auswirkungen von „Norm“ im Alltagsleben. (Auswirkungen, die ich dem Versal-Bastard hier nicht zuge­stehen möchte. Dafür ist das Thema wirk­lich zu lächer­lich. Trotzdem machen meine Vorschreiber bereits mit Recht darauf aufmerksam, dass sich mit der Zeit durch­setzen wird, was sich durch­setzen kann. Auch wenn es der blanke Unsinn ist. Also: Tatsachen schaffen durch unsin­nige Normen. Alles weitere folgt. Und morgen ist Freitag: Diskurstag?)

  13. thomas | BFA

    man muss ja nicht alle din-normen befolgen. im grunde könnte dieser buch­stabe eine erleich­te­rung sein, WENN er grafisch sinn­voll und ange­messen daher kommen würde. macht er aber nicht. inso­fern ist es eine krücke, die man ungern benutzen möchte, wenn man ein cooler junge ist. ;-)

  14. Da Stefan

    @Jan: verdammt, der war gut…. ROFL

    Zum Thema:
    Tja, ich als alter Schriftsetzer habe es wirk­lich schwer, mich mit dem Versal-SZ anzu­freunden. V.a. bei Schriften, bei denen es wirk­lich noch wie ein Fremdkörper aussieht und einfach viel zu leicht mit dem B zu verwech­seln ist.

    Bei manchen Schriften aller­dings haben es die Typedesigner geschafft, mich zu über­zeugen. Allerdings eben nur bei manchen.

    Fazit: ich werde in der nächsten Zeit einfach versu­chen, das Versal-SZ zu vermeiden, in dem ich einfach keine Versalien mehr setzen werden in Texten, in denen ein sz auftau­chen könnte. So einfach ist das. :)

  15. andré

    ich verstehe gar nicht, wie sich grafik-desi­gner und typo­grafen gegen eine sinn­volle erwei­te­rung der schrift wehren können…(viele aussagen werden im versal­satz echt sinnlos..zb: habe ich erst letz­tens in der zeitung hier in zürich gelesen: DER ARZT RÄT: ALKOHOL IN MASSEN! wird er auch das gemeint haben?…)

    in 30 jahren setzen und schreiben es die kinder ganz selbstverständlich…denkt dann mal an mich.

  16. ole

    Versalsatz ist immer schlechter zu lesen als gemischter Satz; also setzt man lesbare Texte und umgeht so ein «Versaleszett».

  17. Ivo

    Genau das zeichnet den Typografen aus, Ole, da gebe ich dir voll­kommen Recht. Dieses typo­gra­fi­sche Rumgebrülle geht mir jedesmal auf den Wecker. Auch in dem viel­zi­ti­tierten Pässen gibt es doch keine Notwendigkeit der Großschreibung.

  18. Adam Twardoch

    Ich muss ehrlich zugeben, ich verstehe die Rumjammerei nicht. Die Normen ISO 10646 und Unicode sind einfach ein Katalog von durch diverse Menschen verwen­deten Zeichen — schlägt doch einfach nach!

    Ich glaube, viele Kollegen hier vertreten eine Konzeption der Unicode-Norm, die sagt: „entweder machst du was ICH sage oder du machst es gar nicht“.

    Es ist zwar inter­es­sant, dass der eine oder andere ein bestimmtes Zeichen _nicht_ braucht — aber das heißt ja nicht, dass man es verbieten sollte!

    Ja, ich würde sagen, es gibt keinen einzigen Menschen in der Welt, der _alle_ Unicode-Zeichen braucht und verwenden würde. Wenn Ihr das Zeichen nicht verwenden möchtet — dann halt verwendet es nicht. Keiner zwingt Euch doch! Genauso wie keiner Euch zwingt, Zeichen wie ⫾ oder ┅ zu verwenden. Aber es gibt irgend­welche Menschen, die es offen­sicht­lich verwenden möchten. Und wenn jemand das Zeichen doch verwenden möchte — aus welchem Grund auch immer — dann kann er das jetzt. Wo liegt das Problem?

    Grüße,
    Adam

  19. hef

    Neulich wurden in einem TV-Beitrag Original-Stasi-Dokumente gezeigt, bei denen ich zum ersten Mal in meinem Leben ein mit Schreibmaschine getipptes „dasz“ sehen durfte. Ich wurde in Süddeutschland sozia­li­siert und hatte trotz Schriftsetzerlehre und Designstudium bis zu dieser imho unsin­nigen Diskussion immer nur Umgang mit dem „scharfen s“ und frage mich nach wie vor, ob es (außer in der polni­schen Sprache) über­haupt Wörter mit „sz“ gibt. Für das Plätzchen bei Unicode kann ich mir eine Menge wunder­barer Doppel-S-Ligaturen vorstellen, wie man sie z.B. in den Kapitälchenschnitten der Meta bereits bekommt, wenn man das scharfe s (ß) anschlägt!

  20. Jürgen

    Wo liegt das Problem?

    Das Problem liegt daran, dass die »Erfinder des Zeichens« nicht so liberal argu­men­tieren wie Du, Adam. In den Diskussionen ist inzwi­schen nicht mehr von Freiwilligkeit die Rede, sondern man sympa­thi­siert mit der Idee, dass bald Erstklässler das Zeichen in der Schule lernen sollen. Da ist dann auch für mich der Bogen über­spannt. Vergessen wir nicht, dass das Versaleszett ursprüng­lich die fixe Marketingidee einer Fachzeitschrift aus der Leipziger Tieflandsbucht war.

  21. Ralf Herrmann

    Vergessen wir nicht, dass das Versaleszett ursprüng­lich die fixe Marketingidee einer Fachzeitschrift aus der Leipziger Tieflandsbucht war.

    Nana! Das ist jetzt aber eine ziem­lich böse Unterstellung und auch nicht gerade »liberal«.
    Die »Erfinder« machen das natür­lich alle aus Überzeugung. Für Marketing und Selbstdarstellung kann ich mir bessere Themen vorstellen, als sich auf Jahre hinaus dem unver­meid­li­chen Gegenwind der mensch­li­chen (Seh-)Gewohnheiten entgegenzustellen.

  22. Adam Twardoch

    Andreas Stötzner ist nicht der „Erfinder des Versal-ß“. Plus, was er in seiner publi­zis­ti­schen Tätigkeit argu­men­tiert und was er mit dem Zeichen bezweckt, ist seine Sache. Das hat aber nichts damit zu tun, ob es sinn­voll ist, das Zeichen ins Unicode aufzu­nehmen. Ich finde Stötzners Design-Vorschläge für das Zeichen eher verfehlt*, und bin mit einigen seiner anderen Ansichten nicht einver­standen, plane aber das Zeichen für meine Zwecke womög­lich einzusetzen.

    * Mein eigener Vorschlag sieht eher so aus:
    http://​www​.typophile​.com/​f​i​l​e​s​/​g​e​r​m​a​n​d​b​l​s​_​g​a​r​a​m​o​n​d​_​5​8​8​1​.​png
    Erklärungen dazu in:
    http://​www​.typophile​.com/​n​o​d​e​/​3​3​647

    Weder Herr Stötzner noch Herr Twardoch noch irgen­je­mand anders hat Monopol auf die Verwendung dieses Zeichens oder dessen Ausgestaltung.

    Um zu einem sehr ausdruck­vollen Argument zu greifen: die SS hatte ja auch kein Monopol der Verwendung des runi­schen Alphabets, und es ist auch ins Unicode aufge­nommen worden. Und auch dieses Zeichen: �?? und auch dessen spie­gel­ver­kehrte Variante (die ich hier nicht zeige) ist in Unicode, weil es sich eben­falls nicht mono­po­li­seren ließ. Das gleiche gilt für Frakturschriften usw.

    Man sollte also nicht gleich glauben, dass der Eintrag ins Unicode-Sammelsorium gleich einer preskrip­tiven Normung ist.

    Außerdem ist das ẞ (das Versal-ß) nicht das Euro-Zeichen, seien wir ehrlich. Und sollte es tatsäch­lich irgend­wann wie ne Rakete abgehen, dann heisst es erstens, dass die Aufnahme des Zeichens die rich­tige Entscheidung war, und zwei­tens gibt es dann in fünf Jahren womög­lich nochmal einen Anlass, Schrift-Upgrade-Preise für die Integration des Versal-ß in OpenType-Fonts zu berechnen, und nebenbei gibt es dann auch die Chance, Jugendsünde der eigenen OpenType-Fertigung auszu­bü­geln. Da sollten sich ja Schriftenhersteller doch freuen. ;)

    Schöne Grüße,
    Adam

  23. Jürgen

    OK, Ralf: ich habe das etwas poin­tiert formu­liert. Ich möchte auch niemandem zu nahe treten. Ganz im Gegenteil: Mir gefällt die Diskussion natür­lich. Doch der Stimmungswandel von »frei­willig« in »Vorschrift« (Norm) gefällt mir nicht.
    Adam: Schön, dass Du Deine Form ins Gespräch bringst. Im Gegensatz zu den Leipziger/Dresdener Entwürfen handelt es sich bei Dir tatsäch­lich um eine Versalkonstruktion und keine »verbo­gene Minuskel-Ligatur«.

  24. Christian

    ja, finde ich auch. die Ecke oben links machts zur Versalie, bei dem bishe­rigen Entwurf lese ich immer irgend­eine Mischung aus B und Lautschrift. Adams Entwurf kann ich mir da schon eher vorstellen. Der Buchstabe wird scharf ausge­spro­chen, darum darf er auch spitz und eckig sein (auch wenn er das unlo­gi­scher­weise als Gemeine nicht ist)

    Die arabi­schen Ziffern wurden ja per Königserlass befohlen, weil sie prak­ti­scher in Addition und Subtraktion sind. Das Versal-SZ hat es da nicht so einfach und muss durch demo­kra­ti­sche und modi­sche Mühlen.

  25. andré

    toll adam…so werden es die kinder in paar jahren in der schule lernen. da bin ich mir sicher! …schon ein sehr schöner entwurf.
    grüße AA

  26. ole

    Karl-Heinz Lange hat «Versaleszette» schon in seinem Heft: «Schrift: schreiben/zeichnen/malen/konstruieren/schneiden» gezeigt (VEB EA Seemann, Leipzig, 1971) inso­fern ist nichts neu. Ich selbst sehe sehr wenige Verwendungsmöglichkeiten für ein »Versaleszett», diese Bezeichnung ist im Übrigen genau so falsch wie eine Schreibweise «sz», nur um dies noch einmal festzustellen.

    Zum Thema Unicode ist die Sachlage nicht ganz so einfach. Alles was in »Normungen» beschrieben wird ist für viele Auftraggeber wie ein Vorschrift, eine Mindestnorm. Bei Unicode ist es eine Höchstnorm, das verwirrt viele Auftraggeber, die ISO und DIN als Mindestnorm ansehen (selbst­ver­ständ­lich ist Unicode sinn­voll und gut). Als Kommunikationsfachleute lösen wir selbst­ver­ständ­lich solche Missverständnisse …

  27. Ralf Herrmann

    * Mein eigener Vorschlag sieht eher so aus:
    http://​www​.typophile​.com/​f​i​l​e​s​/​g​e​r​m​a​n​d​b​l​s​_​g​a​r​a​m​o​n​d​_​5​8​8​1​.​png

    Aber gib ihm noch mehr Luft, sprich Breite. Das »Innenleben« ist noch zu voll­ge­stopft für den groß­zü­gigen antiken Pinselformbauplan.

  28. Adam Twardoch

    > Aber gib ihm noch mehr Luft, sprich Breite.

    Da hast Du Recht, es muss propor­ti­ons­mäßig wie ein „Doppelbuchstabe“ wie etwa W oder M behan­delt werden, also in den klas­si­schen Proportionen die volle Quadratbreite erhalten, und auch entspre­chend breit in modernen Proportionen.

    Meine Form ist übri­gens ein Versuch, histo­ri­sche Rekonstruktion zu betreiben, vor allem, wenn es um das Versal-lange S geht. Es ist ja kein Zufall dass die Formen von ſ (dem langen s) und f verwandt sind. Wenn man die zwei gegen­über­stellt, ist der Querbalken der einzige Unterschied. Den glei­chen Unterschied findet man zwischen Γ (dem grie­chi­schen Gamma) und F. Daher kann man ja annehmen, dass ein Versal-lang S etwa so — Γ — aussehen könnte, hätte er je exis­tiert. Oder zumin­dest, ist Γ eine im latei­ni­schen nicht verbrauchte, Form. Daraus ergibt sich für mich auch die notwen­dige Kante oben links.

    Das der hori­zon­tale „Dach“ über den Buchstaben auch rechts eckig enden muss, ergibt sich von selbst — es ist die für mich einzige plau­sible Möglichkeit, dem Buchstaben einen Versalcharakter zu verleihen.

    Und die tenden­ziell an das mittel­al­ter­liche minuskel-z (heute im Unicode mithilfe von yogh darstellbar: Ʒ) ange­legte rechte Seite gibt einen zusätz­li­chen Kontrast zu den heut­zu­tage übli­cheren runden Formen des ß, welches in den neuen Schriften öfter an die Ligatur ſs and and die ligatur ſƷ erinnert.

    Wenn also der Minuskelbuchstabe als eine Ligatur von ſs (in etwa) gebildet wird und der Versalbuchstabe durch die Ligatur ΓƷ, dann ist es konzep­tio­nell logisch und histo­risch so weit wie möglich akkurat.

    Und außerdem ist die von mir vorge­schla­gene Form _äußerst einfach_ per Hand zu schreiben — anders als Herrn Stötzners Vorschlag („Leipziger Form“), bei dem man immer komi­sche Verrenkungen machen muss und bei den der Unterschied zwischen Minuskel und Majuskel meiner Meinung nach zu wenig betont ist.

    Grüße,
    Adam

  29. Christian

    Adam, deine Herleitung is absolut plau­sibel und gibt Sinn. Schade, dass die publi­zierte Form nicht so aussieht.

  30. Sebastian Nagel

    Ich spreche mich inzwi­schen auch für „oben eckig“ aus, so inte­griert es sich homo­gener in die anderen Versalien.

    Ich hab das schon mal gezeigt (und die Entwürfe sind alt, aber das Grundgerüst bleibt das selbe):
    http://​www​.gestal​tungs​sache​.at/​s​t​u​f​f​/​i​n​m​a​s​s​e​n​.​gif

    Mein Favorit ist das zweite von unten (wenn man vom S kommen möchte) bzw. das erste von oben (nur nicht so zuge­kleis­tert – wenn man vom Z/yogh kommen will).
    Eine Serife links oben kann ich mir durchaus vorstellen, aber auch ohne (wie beim N links unten), als „Eingeständnis“ an die Form der Minuskel.

  31. Ralf Herrmann

    Und da wir Schriften perfekt lesen können, die etwa kugel­runde E-Schwünge haben und andere, bei denen das E geome­trisch perfekte Linien sind, würde ich sagen, dass wir die Antwort auf die Frage der linken oberen Ecke eigent­lich über­haupt nicht fest­ze­men­tieren müssen. Je nach Schriftstil kann viel­leicht die eine oder andere Variante passend sein.

  32. Karsten

    Ole — „Versaleszett“, diese Bezeichnung ist im Übrigen genau so falsch wie eine Schreibweise „sz“ […] Alles was in „Normungen“ beschrieben wird ist für viele Auftraggeber wie ein Vorschrift, eine Mindestnorm.

    „sz“ falsch oder richtig – Grimm riet sogar zu „sz“ statt „ß“. Da hat vor lauter eifer die berüch­tigte Signa-ausgabe (seite 23 rechte spalte unten) ihm das wort im mund herum­ge­dreht und ihn zum unter­stützer erklärt.
    Das problem mit normen (bzw deren rezep­tion) sehe ich ähnlich.
    Die phase der frei­wil­lig­keit wird lange wohl nicht anhalten. Die frage ist längst nicht mehr: brauche ich das? sondern: wie muß es aussehen? und wie baue ich es ein?

  33. andreass

    Die Diskussion wird stel­len­weise sehr hitzig geführt. Locker bleiben Leute!

    Die Form mit der gerun­deten Ecke ist tatsäch­lich kaum hand­schrift­lich zu leisten. Handschriftlich wird man die einfachste Form nutzen, also die mit drei Zügen (Beispiel von Adam), oder gar die mit nur zwei Zügen, so wie für das kleine ß.

    Wichtig sind doch nur zwei Dinge. 1. Die Form muß das Publikum annehmen können. – Die Leute müssen also dort abge­holt werden, wo sie gerade stehen. 2. Die Form muß sich möglichst deut­lich vom B unterscheiden.

    Je nach Schrifttype und deren Einsatzzweck wird das Ergebnis vari­ieren müssen.

    Ob Adams Formenansatz z.B. für eine Variante der DIN-Schrift, so wie sie im Straßenverkehr einge­setzt wird, genü­gend „Unterscheidungskraft“ bietet, ist eine Frage.

    PS: Was auch immer ein gewisser Herr Grimm gesagt haben sollte – es ist in diesem Zusammenhang aber so was von Wurst. :-)

  34. Ralf Herrmann

    Ob Adams Formenansatz z.B. für eine Variante der DIN-Schrift, so wie sie im Straßenverkehr einge­setzt wird, genü­gend „Unterscheidungskraft“ bietet, ist eine Frage.

    Versalsatz ist aller­dings auf deut­schen Verkehrsschildern verboten – benö­tigt mal also weder in Altjeßnitz noch in Wußwerk. ;-)

  35. preusss

    Kleine Anmerkung zu Herrn Jacob Grimm:
    Ihm ging es keines­wegs um die Verwendung des Buchstabens oder der Glyphe ß in irgend­einer Form, sondern um die sprach­lich rele­vante und dort korrekte Übersetzung des LAUTES, den man mit sz (scharfes s) umschreiben kann.
    Durch den Wegfall des s.g. »langen s« im Antiqua-Alphabet (durch Schrift-Umstellung in der Setzerei) war dieses nicht mehr vorhanden, weshalb er die Verwendung von sz empfohlen hat. (SIGNA, Heft 9, S. 23 unten)

  36. Karsten

    Ingo, um was sonst als die Verwendung des Buchstabens oder der Glyphe ß geht es Grimm, wenn er sich ausdrück­lich damit beschäf­tigt, wie der laut gesetzt werden solle, und zum sz rät? Siehe spalte LX des vorwortes. Die worte „gesetzt“ und „setzer“ werden dort z.t. mehr­fach verwendet. Kurz, es geht in dieser passage um die typo­gra­phi­sche reprä­sen­ta­tion des lautes und um die verwen­dung bzw nicht-verwen­dung der glyphe ß.
    Andreas, was haben würste mit typo­gra­phie zu tun? Bezogen auf Oles diese Bezeichnung ist im Übrigen genau so falsch wie eine Schreibweise „sz“ habe ich darauf hinge­wiesen, daß „falsch“ hier stän­diger wand­lung unter­worfen ist – diese wand­lung wird reflek­tiert in unter­schied­li­chen eszett­formen und theo­rien bezüg­lich seiner konstruk­tion: Manche schriften inter­pre­tieren ß als lang-s plus z. Tschichold verficht lang-s plus s. Bollwage legt nahe, daß der zweite teil weder s noch z ist denn viel­mehr eine art diakri­ti­sches zeichen, das dem lang-s ange­hängt ist (Gutenberg-Jahrbuch 1999). All das ist doch nicht irrele­vant, wenn es darum geht, eine form für das versa­les­zett zu finden – siehe die bereits gemachten vorschläge – inclu­sive Adams zu beginn der o.g. Typophile-diskus­sion: ein S mit diakri­ti­schem zeichen (Scedilla), inter­es­sant in der hinsicht, als dieser ansatz von Bollwages beob­ach­tungen gestützt würde. Und in diesem zusam­men­hang hat selbst das sz seine berech­ti­gung, Grimm führt das ch als analogen fall an. Das setzt natür­lich eine gewisse offen­heit voraus.
    Darf ich daran erin­nern, daß nicht ich den Grimm ausge­bud­delt habe, sondern die Stötzners selbst es waren, die sich in der pro-versa­les­zett kampagne auf Grimm beriefen und ihm dabei leider das wort im mund herum­ge­dreht haben?

  37. Andreas Stötzner

    »…die Stötzners selbst es waren, die sich in der pro-versa­les­zett kampagne auf Grimm beriefen und ihm dabei leider das wort im mund herum­ge­dreht haben«

    – Bei solchen Vorwürfen bitten wir, der Gerechtigkeit halber, um genaue Angabe der Belegstelle und präzise Darlegung der kriti­sierten Aussage.
    U. u. A. St.

  38. Karsten

    Lieber Herr Stötzner, die stelle ist bereits zweimal genannt worden:
    Uta Stötzner: „Die Geschichte des versalen Eszetts.“ In: Signa, Beiträge zur Signographie, Heft 9/2006: Das Große Eszett. Seite 23 [rechts unten] bis 24 [links oben].
    Stein meines anstoßes: Das zitat aus dem Grimm (dort im vorwort spalte LX):
    [fehlt in Signa: Um diesem empfind­li­chen übel­stand auszu­wei­chen und wieder] auf gehö­rige sonde­rung der Laute SS und SZ zu dringen, habe ich, weil eine verknüp­fung des typos s mit z unthun­lich ist, getrenntes sz vorge­zogen, wie es in polni­scher, littaui­scher, ungri­scher sprache längst üblich war […] [hier auslas­sung einer entschei­denden passage in Grimms agru­men­ta­tion PRO sz: niemand nimmt anstosz daran, dasz die verbundnen [langs-t] und ch [dort frak­tur­li­ga­turen] sich auflösen in st und ch, ihnen tritt sz ganz zur seite] und man braucht nicht mehr verlegen zu fragen, ob sz in der druckerei vorrätig sei. Nun kann auch die Majuskel das SZ ausdrü­cken, wie sie das [langs-s] nicht konnte.
    U. St. liest darin:
    Hier wird deut­lich, daß Grimm eigent­lich eine eigene Type für die Lautung „sz“ gewollt hätte und auch eine Majuskel für folge­richtig hielt.
    Deutlich wird aus der von U. St. zitierte passage und v.a. aus dem im origi­nal­text dieser passage voran­ge­henden absatz viel­mehr, daß Grimm weder „eigent­lich eine eigene Type […] gewollt hätte“ noch „auch eine Majuskel für folge­richtig hielt“. Der „übel­stand“, auf den Grimm zu beginn der zitierten passage (in U. St.s zitat fehlend) verweist, liegt in der paral­lelen verwen­dung von „ss“ (antiqua) und „ß“ (fraktur) für denselben laut. Ersichtlich aus dem kurzen histo­ri­schen abriß der schrei­bung dieses lautes, spalte LX mitte, den Grimm beschließt mit:
    Als endlich in unserm eignen jh. das lange lat. [langs] verschwand und dem s allent­halben wich, versagte auch der behelf des [langs-s] und die setzer griffen zu ss, das doch im auslaut wie inlau­tend nach langem vocal unleid­lich ist. seit dieser zeit wird gera­dezu, jena­chdem man deut­sche oder latei­ni­sche buch­staben verwendet, auf zwie­fache weise gesetzt […]
    Soweit der ange­spro­chene „übel­stand“. Kein pro-ß, da Grimm pro-sz votiert. Schon gar kein pro-versal-ß. „Der gerech­tig­keit halber“ – dem autor des zitierten textes gegen­über – sollte zitieren mehr sein als das bloße heraus­pi­cken eines nütz­li­chen satzes und anheften einer fußnote.
    Entschuldigung dafür, daß ich die diskus­sion auf abwege geführt habe.

  39. Uta Stötzner

    Sehr geehrter Herr Karsten,

    wo liegt das, wie Sie meinen, Entscheidende der von mir ausge­las­senen Passage? Daß Grimm SS und scharfes Es unter­schieden wissen wollte, macht der Zitatanfang deut­lich. Die Verbindung von S und Z lehnt Grimm als »unthun­lich« ab. Grimm erklärt diesen Standpunkt nicht, führt aber seine Akzeptanz der Auflösung der Ligaturen (für die enspre­chenden Lautungen) ch und lang-s-t aus den gebro­chenen Schriften in die Einzeltypen in der Antiqua an (was nicht bedeuten muß, daß er dies guthieß). Mehr enthält die von mir ausge­las­sene Passage nicht. Ich halte »unthun­lich« für das stär­kere Argument und habe entspre­chend zitiert. Das Jacob Grimm letzt­lich, wie Sie schreiben, »pro sz« war, liegt auf der Hand, da er es ja so in seinem »Wörterbuch« verwendet hat.
    Sein letztes Argument dafür war die damit mögliche Darstellung der Lautung ›Eszett‹ in Versalien.
    Bedenkt man, daß Jacob Grimm damals als erster und, soweit bekannt, einziger (Lichtenthaler außen vorge­lassen) ß für ›scharf Es‹ in sein Werk einführt, es jahre­lang beibe­hält, ohne Erklärung aufgibt, statt­dessen das vergeb­liche Nachfragen in der Druckerei erwähnt und für die ß-Alternative ›sz‹ ausschließ­lich druck­prak­ti­sche Argumente findet, erscheint mir meine Interpretation nicht abwegig.
    Obwohl mich die inten­sive Lektüre meines Textes eigent­lich sehr freut, halte ich Ihre Vorwürfe: »Grimm das Wort im Mund herum drehen…« und »Herauspicken eines nütz­li­chen Satzes und Anheften einer Fußnote« für mehr als unge­recht­fer­tigt. Ebenso wenig verstehe ich, warum Sie dann »der Gerechtigkeit halber« in Anführungsstriche gesetzt haben.

  40. preusss

    Lasst es mich kurz machen, bevor in diesem Blog (der m.E. der falscheste aller geeig­neten Plätze ist) weiter Messer gewetzt werden und der Diskussionsfaden länger und länger wird:amtliche Einführung der Minuskel ß 1901 (nach etli­chen Vorstufen, die auch über Herrn Grimm führen)amtliche Einführung der Majuskel ß 2008 (nach etli­cher Vorarbeit durch die Stötzners u.a.)Es liegt nun an den Schrift-Gestaltern, den Schriftanwendern die Möglichkeit zu geben, diese Glyphe verwenden zu können. Um nichts anderes geht es momentan. Die Glyphe ist und wird keine Pflicht und keine Foundry kann gezwungen werden, diese ins Programm zu nehmen. Einige werden es machen, andere sich weigern.

    That’s life.

  41. Sz. Szelp

    Ähnlich wie Adam bevor­zuge ich die Form aus dem „Gamma“ und dem 3-er-Zett, wie in [[ http://​img60​.imageshack​.us/​i​m​g​6​0​/​9​4​3​9​/​t​y​p​o​l​o​g​i​e​u​n​d​r​e​f​l​e​x​e​4​s​f​.​gif ]] zu sehen. (Siehe auch meinen Beitrag im type​forum​.de vom 5.7.2006 und 10.7.2006.

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