Typografisch überdurchschnittlich, Günther Jauch

5,1 Millionen Zuschauer haben gestern Abend den Einstand von Günther Jauch als Talker bei der ARD gesehen (18,6 % Marktanteil). Die Medien berichten heute über den Ablauf der Sendung, die Gäste, die Filmeinspieler und das aufwän­dige Studio mitten im Schöneberger Gasometer. Und wer schreibt etwas über die typo­gra­fi­sche Quaität der Sendung? Fontblog, natürlich.

Die Sendung wirkte, als liefe sie seit Jahren, vor allem weil Jauch auf bewährte Stern-TV-Elemente vertraute. Zum Beispiel den Wechsel von stehender und sitzender Moderation, das Hinzuziehen von »Betroffenen« aus dem Publikum und Video-Einspielungen. Es war aber vor allem die domi­nie­renden Farben rot und orange (unge­wöhn­lich für die ARD), die den Bezug zu Jauchs alter RTL- Format herstellten.

Spektakulär der Sendeort, den sich Jauch für seine Talkrunde selbst ausge­sucht hat, »weil er nichts Geschlecktes mag« (Berliner Morgenpost). Die über dem Gästerund hängende Kuppel soll ein wenig an den Berliner Reichstag erin­nern. Sie spielt die Hauptrolle im Vorspann der neuen Sendung, zusammen mit dem GÜNTHERJAUCH-Logo. Seine Farbgebung in Weiß und Orange erin­nert eher an das ZDF, die Strichstärken-Aufteilung Normal/Bold ist klas­si­sche ARD-Stil, wie man das von tagesschau, tagesthemen oder hartaberfair her kennt. Interessant ist die Schriftmischung im Logo, der ich noch nicht richtig auf die Spur gekommen bin [Update: die Schriftart ist inzwi­schen iden­ti­fi­ziert, siehe Kommentar #3]. Alles in allem ordent­lich gemacht, einprägsam und seriös. Kompliment!

Nach dem Vorspann wandert das Sendungslogo dauer­haft an den linken unteren Bildrand und wird komplett weiß. Auf der rechten Seite verbleibt Raum für Texteinblendungen, die in der ARD-Hausschrift Thesis gestaltet sind. Die zwei­zei­ligen Einblendungen werden von einem oran­ge­blauen-Winkel vom Logo abgetrennt.

Die Texteinblendungen sind vorzüg­lich gestaltet – erste Zeile in Kapitälchen, zweite Zeile gemischt – und mittels halb­trans­pa­rentem dunklen Hintergrund sehr leser­lich aufbereitet.

Zwischendurch einge­blen­dete Grafiken beweisen, dass die ARD-Typografen ihren Setzkasten genau kennen: Mediävalziffern in Textverbund, Tabellenziffern bei rein nume­ri­schen Gegenüberstellungen.

Abspann nach 60 Minuten: TheSans Kapitälchen für den Gegenstand, TheSans gemischt für die Personennamen.


22 Kommentare

  1. _Sven

    Aber dieser Hockeyschläger? Diese Designelemente auf dem rostigen Hintergrund des Gasometers passen nicht wirk­lich zuein­ander, finde ich. Das sind 2 Elemente zuviel.

  2. StefanB

    Insgesamt ein gutes, gefäl­liges Design für die Sendung. Allein die fehlenden Kapitälchenziffern lassen die beiden Einsen wie zwei Türme aus der Versalzeile ragen. Ob das ange­sichts des Themas Absicht ist, wage ich zu bezweifeln.

  3. formschub

    Das Günther-Jauch-Logo nutzt die „FS Lola” von Fontsmith in den Schnitten Medium (Vorname) & Extra Bold (Nachname): http://​bit​.ly/​q​L​b​YB2

  4. Pascal

    Das Logo finde ich auch sehr schön. Die schrägen und abge­run­deten Einblender finde ich etwas zu tech­nisch oder zu „80s“ für eine seriöse Talkshow. War mir irgendwie etwas zu viel das Ganze.

  5. pillenknick

    Im Großen und Ganzen war ich auch positiv über­rascht, allein manche der Einspieler (und nicht wenige!) waren absolut unter­ir­disch gekernt (leider habe ich kein Bild zur Hand). Das braucht aller­dings dann doch noch Feinschliff.

  6. Kadir

    Zufällig gestern bei der Sendung hängen­ge­blieben, wenn auch nur kurz. Zwar nicht so sehr auf das gespro­chene geachtet, aber mehr auf die Schrift und dessen Einsatz. Fand das, beim kurzen hinsehen, sehr schlicht und gut.

    Aber im Abspann finde ich so die Abstände zu gering.
    Sonst wirk­lich schick und gut leserlich.

  7. Jürgen Siebert

    Danke, Thomas (form­schub) für die Identifikation der Schrift. Ich füge einen Verweis auf Deinen Kommentar in den Originalbeitrag ein.

  8. R::bert

    Ob die Elf bewusst wie zwei Tower herausragte?

    Der Größenkontrast zwischen Wortmarke und Untertitel ist mir etwas zu unaus­ge­wogen. Die Zeilenabstand im Abspann auch. Die FS Lola hingegen großes Kino! Aber der Mix mit The Sans – ich weiß nicht …

  9. Alexander

    Ich finde das gesamte »GÜNTHERJAUCH«-On-Air-Design gera­dezu miss­lungen und halte es für einen klaren Rückschritt nach der heraus­ra­genden On-Screen-Gestaltung von »ANNEWILL«.


    Das Will-Design war sehr viel weniger verspielt und erschien mir deswegen seriöser. Mit der Wortmarke von Günther Jauch weiß ich leider gar nichts anzu­fangen. Die FS Lola passt doch weniger zu einer poli­ti­schen Talkshow als viel­mehr zu einer Bäckerei oder einer RTL-Bauer-sucht-Schwiegertochter-Sendung.

    Der bereits erwähnte »Hockeyschläger« wirkt tatsäch­lich wie ein Relikt aus den 1980er Jahren und mit diesen verros­teten Stahlträgern, die bspw. für die Diagramm-Grafik verwendet wurden, werde ich mich auch nicht anfreunden können.

    Das Setdesign hingegen ist nicht schlecht, die Nähe zum sterntv-Studio lässt sich aber nicht bestreiten. (Inhaltlich gibt’s an der Sendung nichts auszusetzen.)

    Für das Design von »ANNEWILL« ist DMC Group verantwortlich.

  10. Jürgen Siebert

    Das Zusammenspiel zwischen Kapitälchen und gemischter Schreibweise funk­tio­niert bei Günther Jauch lesfreund­li­cher als bei Anne Will, wo der Name des Gastes fett und gemischt geschrieben ist, der längeren erläu­ternde Satz dagegen leichter und in Kapitälchen. Der Rahmen um den einge­blen­deten weißen Text ist überflüssig.
    Mit diesem Beispiel wird auch deut­lich: Orange entwi­ckelt sich zur verbin­denden Zusatzfarbe der ARD-Talk-Serie.

  11. Andreas

    Die Schrägen könnten auch Überbleibsel eines alter­na­tiven Entwurfs sein, in dem sie mal ein »J« waren bzw. ange­deutet haben.

  12. Matthias

    … Design hin oder her – inhalts­leeres Sonntagabendgelaber wie eh und je.
    Design sollte ja eigent­lich schon bei den Inhalten ansetzen und nicht gefäl­liges Augenfutter produ­zieren. Das wusste schon Otl Aicher vor 50 Jahren besser.

  13. Christian Büning

    Mir gings ähnlich: Die Typo gefällt enorm qua Feingefühl, der Schrägbalken will seine Herleitung nicht so recht verraten, scheint mir etwas zu zeit­geistig gedacht – der Gesamteindruck ist jedoch solide.
    Nur, was nützt die beste Typo bei einer Sendung so zäh wie eine Betriebsanleitung für einen Wagenheber und einer Tonqualität, die man nicht mal mehr von Audiocassetten kennt? Da ist noch Luft nach oben.

  14. nora

    Ich glaub ich war auf einem anderen Stern ;-) und musste nach einer Viertelstunde ausschalten. Jauch mode­rierte tragend und hölzern, die Location war schreck­lich, die Einspieler mit der pathe­ti­schen Musik unter­ir­disch, der Ton sonst war auch seltsam und irgendwo gab es auch noch so Metallnieten die als visu­elles Muster da dauernd vorge­kommen sind … Aber viel­leicht war ich ja auch nur zu müde.

  15. B.

    erin­nert mich an das Design vom Sender „Sport1“

  16. David

    Ich bin kein sonder­li­cher Freund davon, einen um Kapitälchen erwei­terten Zeichensatz zu verwenden, wenn es darum geht, eine oder wenige allein­ste­hende Zeilen in Versalschrift zu setzen und dann (wie hier offenbar geschehen) notwen­di­ger­weise nur klein­buch­staben (also unge­mischte Zeichen) im Satz zu verwenden, damit die resul­tie­renden Versalien eben alle die gleiche Höhe haben. So entsteht auch die sicher unge­wollte – hier bereits mehr­fach ange­spro­chene – detail­ty­po­gra­fisch unglück­liche Koinzidenz der „11“ mit dem Thema der Sendung. Die Höhe der Ziffern eines Kapitälchen-Zeichensatzes entspricht meines Wissens eigent­lich nie der x-Höhe der Gemeinen. Hätte man im Satz nur GROSSBUCHSTABEN verwendet, wären die Ziffern in „11. September“ nicht so aufge­fallen. Für reine Kapitalschrift brauche ich keine Kapitälchen.

    Kapitälchen haben ihren ganz beson­deren Reiz – in einer einzelnen Zeile, wie auch als Auszeichnung im Mengentext. Das hat in meinen Augen aber nichts mit – zur besseren Lesbarkeit leicht gesperrten – Versal- oder Majuskelschrift zu tun, die man auch wunderbar aus dem normalen Zeichensatz (unter ausschließ­li­cher Verwendung eben von Majuskeln) setzen kann..

    Zur weiteren typo­gra­fi­schen Differenzierung zwischen erster und zweiter Zeile in den Texteinblendungen wie auch im Abspann bietet doch gerade die verwen­dete Thesis mit ihren vielen Schnitten mehr als genug Spielraum.

    Aber viel­leicht hat man mir während meines Studiums den wahren Einsatz von Kapitälchen auch verschwiegen.. :)

  17. Georg

    „Die Texteinblendungen sind vorzüg­lich gestaltet – erste Zeile in Kapitälchen, zweite Zeile gemischt“

    Kann da aber leider keine Kapitälchen erkennen! Sehe nur Versalien beim Gastnamen.

    Im übrigen: Wie war das noch mit der Typo-Regel: „Mische nie verschie­dene Schriftfamilien aus der selben Schriftgruppe“?

    Mir ist das irgendwie ein wenig zu viel „Seriefenloser-Linear-Antiqua-Salat“.

  18. Jürgen Siebert

    Kann da aber leider keine Kapitälchen erkennen! Sehe nur Versalien beim Gastnamen.

    Dann schau Dir mal die 2. Abbildung im Beitrag etwas genauer an.

    Mische nie verschie­dene Schriftfamilien aus der selben Schriftgruppe.

    Die Texte sind in EINER Schriftart gesetzt, aber in verschie­denen Stilen. Man nennt das auch »auszeichnen«.

  19. Phil

    Der Eishockeyschläger ist mir auch sofort aufge­fallen und ist mir einfach zu platt. Sieht aus wie ein sehr erzwun­genes Gestaltungsmerkmal und man hatte anschei­nend keine bessere Idee.

    Die Rostwände finde ich gräss­lich. Ich habe nichts gegen eine warme Farbgebung, aber eine rostige Wand?! Ohje.

    Typografisch fand ich es, bis auf die schon erwähnten Details, ok. Witzig, dass Jauch sich anschei­nend vom ARD-CI entfernen darf ;). Ich meine, eigent­lich sei nur die Thesis zulässig. Auch im Logo.

  20. Oliver Adam

    Der »Eishockey-Schläger« könnte das stili­sierte J von »Jauch« sein …

  21. claudia

    Tsja, dann hoffen wir, dass die Screendesigner weiterhin so profes­sio­nell arbeiten dürfen und nicht demnächst in die Subtitel dann die typo-ortho­gra­fi­schen Schwächen der Praktikanten einge­pflegt werden, wie sonst gerne auch bei den Öffentlichen (bei RTL ist man es ja gewohnt) üblich. ,-(

  22. Dominik

    MIr gefallen weder Logo noch Hockeyschläger. Vor allem das „R“ bei „Günther“ fällt mir immer negativ ins Auge. #9 hat schon Recht, Anne Will hat mir da besser gefallen, geradliniger.

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