Städtemarketing in der Sackgasse?
Nachdem Madrid gerade seinen Claim »Mad(rid) about you« präsentiert hat, kommt Martin Jordan bei der Gegenüberstellung der vier jüngsten europäischen Stadtmarketing-Logos zu dem Schluss: »Be mad, am on«.
Die Spielerei mit Silben des Städtenamens liegt nahe, aber hat sie Substanz? Wer möchte wirklich eine Stadt sein? Reisen die Verrückten jetzt nach Madrid anstatt nach Berlin? Haben anderes Städte keinen Lichtschalter? Im Vergleich zu Milton Glasers »I ♥ NY« wirken die Wortspielereien beliebig bis ärmlich. Reine Zufallsergebnisse. (Illustration: Martin Jordan)
30 Kommentare
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tom
Sieht nach reiner Hilflosigkeit aus. Die Stadt als Marke funktioniert wie jede andere Marke, sie definiert sich über den Inhalt und die Philosophie, die dahinter steht. Die Städte-Logos sehen eher danach aus, als hätte man die Steaksauce weggekippt und statt dessen rote Konfitüre auf das Schnitzel geschmiert.
klaus
„I heat NY“ ist immer noch unerreicht, das stimmt. I AMsterdam ist aber sehr gut, weil es auch ein Statement ist, eine Bekennung zu der Stadt.
London, Madrid und Berlin dagegen sind aus dem Finger gesaugt. Die Schlussfolgerung von Martin allerdings auch o.O
Benjamin Hickethier
MAD RID about you verstehe ich überhaupt nicht mehr.
rid of; to be rid of so./sth. – los; befreit von; jdn./etw. los sein [hier]
Also rid of being mad in Madrid? Mad about getting rid of you?
Wenn sich Städte über die Buchstabenkombinationen ihrer Namen definieren, liegt eigentlich nur die Vermutung nahe, dass dies in Zeiten von McDonaldisierung und Mallmania wohl ihre letzte Alternative bleibt um ihre auf die Konsumstadt reduzierte Funktion zu überhöhen.
Daniel
mad und rid, zwei negativ besetzte begriffe in einem. das ist echt zuviel des guten. da hilft auch das you nicht mehr, denn außer fussballfans gehen die menschen wohl immernoch lieber nach valencia oder barca (in den puff?)
Benjamin Hickethier
Und übrigens: werbeblogger.de berichtet über eine Sammelklage gegen den Berliner Senat »im Fall Be-Berlin«
klaus
Benjamin, nur falls Deine Ausführungen ernst gemeint waren: es soll „mad about you“ heissen. Die Städte müssen (?) sich als Marken darstellen, um für Touristen interessanter zu werden. Marken verkaufen sich besser.
Timo
Da haben die lieben Madrider „crazy about you“ mit „mad about you“ verwechselt… Was für ein Fehlgriff.
Daniel
Madrilenen
Claudius Coenen
Auch interessant: to be mad at somebody: Auf jemanden böse sein.
Insgesamt überwiegen hier eindeutig die negativen interpretationen.
klaus
„Mad about you“ heisst so viel wie „verrückt nach dir“, wenn man Englisch kann, sollte da keine Zweideutigkeit entstehen.
maxbatu
Dieses Madrid-Ding ist ein totaler Griff ins Klo. Ich dachte, RID sollte einen Sinn ergeben…
Al
Geht auch mit kleineren Ortschaften:
nie.wiederdorfelden
matthias
warum müssen sich städte überhaupt anbiedern? wenn fulda versucht, seinen bürgern ein gutes gefühl zu geben, kann ich das strukturell vielleicht gerade noch verstehen. aber london, madrid oder berlin?
wenn man das investoren gegenüber versucht, sagt das viel über den absender, ist aber vielleicht gerade noch ok. aber gegenüber dem eigenen bürger? der auf dem amt, der originären dienstleistungs-tummelwiese einer stadt, in der regel schäbig behandelt wird? mad(rid) about you, bebebeberlin , lond(on), das ist inhaltlich ganz, ganz kleines „fishing for compliments“. frei nach marshall mcluhan: die botschaft ist die botschaft! und die tut weh.
städte, ihr seid, was ihr seid. wenn ihr euch ändern wollt, müsst ihr handeln, und nicht nur behaupten …
s
I AMsterdam passt in diese Auflistung wohl nicht so ganz – ein genialer Slogan, der ziemlich perfekt zur Stadt passt. Ein stolzes Statement…
Während hingegen die Berliner froh sein dürften, dass es jetzt endlich eine „Weltstadt“ gibt, die sich noch schlechter präsentiert: Madrid ist ein echter Tiefpunkt.
formschub
Es gibt öde Logos für schöne Städte und schöne Logos für öde Städte. Lebendigen, sehenswerten Orten werden solche wie die gezeigten Missgriffe nicht wirklich schaden können. Ob aber ein gelungeneres Logo tatsächlich mehr Leute nach z.B. Neuenstein im Hohenloher Land lockt? Oder nach einem Besuch in Jena über enttäuschte Erwartungen hinwegtrösten kann? Optimal ist doch, wenn Verpackung und Inhalt, Schein und Sein übereinstimmen und das ist vermutlich viel zu selten der Fall. Hier sind nicht nur Agenturen gefragt, deren Ergebnisse vielleicht auch deshalb manchmal so hilflos wirken, weil es kein engagiertes, koordiniertes Konzept für den lokalen Tourismus hinter der Selbstdarstellung gibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Städtemarketing-Unternehmen nicht die einfachsten Kunden sind, weil sie vielleicht Wunderdinge von Logos und Claims erwarten, die ohne begleitende Anstrengungen und Verbesserungen nicht zu erfüllen sind.
fabian
london finde ich im vergleich zu den anderen vorschlägen noch am gelungensten. aber an milton glasers NY kommt keins heran.
Martin Jordan
Anmerkenswert ist noch dass Manchester zumindest in einer Lichtinstallation auch mit den Wortgruppen »Be original« und »Be modern« umgeht, obschon es sich sonst des Claims »Manchester original modern« bedient. Also abermals unsinnig — warum jemanden auffordern etwas zu sein, von dem man zuvor sagte, dass man es bereits ist?!
Zumindest aber ist das Zeichen von Saville formalästhetisch das gelungenere …
Horst
Aus einer alten „Titanic“:
Eine Zeitlang habe ich mal für die Werbung gearbeitet, sehr lange aber nicht. Meine Agentur sollte eine neue Imagekampagne für das Kleinstädtchen Seesen am Westoberharzrand kreieren. Ich war der Texter, und ich war gut. Die Agentur und der Auftraggeber (Seesen) sahen das anders. Alle meine Seesen-Slogan-Vorschläge wurden abschlägig beschieden. Sowohl „we had joy, we had fun, we had Seesen in the sun“ als auch „Thesen – Antithesen: Seesen!“ und sogar „Am deutschen Seesen soll die Welt genesen“ fanden keine Mehrheit. Ein vierter, „Außer Seesen nichts gewesen“, fiel mir auch noch ein, aber zu spät.
(Thomas Schäfer)
Dr. Schnuffel
Ogottogott!
„I AMsterdamm“ — Aua!
Für alle Fälle beantrage ich als Ruhrgebietler wider Willen schon mal Titelschutz für folgende Elaborate aus meiner persönlichen Wortspielhölle:
„Boah!chum“, „I Wanna Eickel!“, „Hier Essen, DortMund“, „Musiktage in recKLINGhausen“, „Das Ruhrgebiet einMARL anders“, „Wir sind besESSEN!“ (bzw. bei Radsportveranstaltungen in der Stadt natürlich „Essen auf Rädern“), „Wir HAMM verstanden!“, „Wat denn? Scheid!“ etc. pp. ad sowas von infinitum …
robertmichael
generell finde ich die verbindung von namen und logo meistens als zu erzwungen. was bei ‚autohaus adler‘ mit einem adlerkopf im logo vielleicht noch funktioniert und ggf. von der masse abhebt, kann bei anderen nachnamen leicht nach hinten losgehen. gestern auf der autobahn bin ich an einem lkw eines transportunternehmens vorbeigefahren, dieses hieß ‚dehn‘ und was stand darüber? ‚ich nehm dehn …‘ argh! das ist wirkt erzwungen und ist auch nicht lustig. neulich wollte ein optiker einen stein in sein logo haben, weil er so hieß ‚optik stein‘. daraufhin haben wir ihm gesagt das stein und glas nicht die optimalste vorraussetzungen für ein optiker sind.
bei städtenamen ist das nochmal um einiges peinlicher, weil diese silben ja nicht selten sind und meistens schon irgendwie genutzt wurden. peinlich ist es dazu auch noch.
unsere stadt hat übrigens auch so einen tollen slogan.
poms
Haha, „Essen auf Rädern“ ist hübsch.
hef
Ich mag das Übersetzungs-Widget von Systran in meinem Dashboard zwar nicht so besonders, aber spaßeshalber hab ich es mal befragt. „Mad about you. Rid of you.“ wird zu: „Wütend über Sie. Gereinigt von Ihnen.“ Noch Fragen, Madrid?
PS: Castrop-Rauxel ist doch Wanne-Eickel auf Lateinisch, oder?
formschub
Mindestens eine positive Bedeutung muss „to be mad about�? dennoch haben, denn in einem berühmten Evergreen von Dinah Washington (und die konnte Englisch) heißt es:
Mad about the boy
I know it’s stupid to be mad about the boy
I’m so ashamed of it but must admit
the sleepless nights I’ve had
About the boy.
Macht das Madrid-Logo aber auch nicht besser. ;-)
Bert Vanderveen
Mad about You — great TV-show, feat. Helen Hunt and Paul Reiser. You hardly noticed the real life age difference between them…
OT: All slogans suck, A’dam’s the least. Best about it is that it is integrated into the identity program of the city, using Avenir, the right colour and so on. The other towns don’t do that, right?
Jürgen
@ Dr. Schnuffel: Großartig!
Hans
http://www.bar-jeder-vernunft.de
Jürgen
Robertmichael hat mir noch ein Städtemarketing-Logo für seine Heimatstadt geliefert:
Ist eigentlich ganz einfach, diese Methode.
Simon Wehr
Na Kloar:
Mainz bleibt meins!
(…3, …2, …1, Mainz! steht hier ja eh schon überall)
Und zu meiner Geburtsstadt: Mit Göttin(gen) zu Hause fühlen!
Idee:
Lasst uns doch mal eine Städtemarketing-Onlineplattform gründen und zusammen viel Kohle machen!
Tilmann
Am besten gefällt mir Waren (Müritz) mit:
„Waren Sie schon in Waren?“
Stephan
@ Dr. Schnuffel
Die Realität ist ganz auf der Höhe wie man sieht. Essen für das Ruhrgebiet