St.-Petersburg-Tagebuch (2): genauer hinschauen
Sieht auf den ersten Blick aus wie Hamburg, München oder Berlin … vertraute visuelle Codes: neuer Film, Pop-Konzert, Klassik, Theater. Doch die Vergrößerung (ein Klick auf das Foto) liefert dem »deutschsprachigen Auge« keine vertiefende Informationen. Ratlosigkeit.
Ich wohne in der Rubinsteinstraße, eine Querstraße zur Shoppingmeile Newskij Prospekt. Ihren Namen konnte ich mir sofort merken. Welch’ wunderbare Wortmelodie: Rubinsteinstraße. Musik in meinen Ohren. In Umschrift liest sich das »Rubinštejna Uliza«. Auf dem Straßenschild steht »уа. Рубинштеина«. Auch am 2. Tag meines Aufenthalts in St. Petersburg kann ich das noch nicht flüssig entziffern.
Die Rubinsteinstraße erinnert mich an die Bergmannstraße in Kreuzberg, augenscheinlich eine gesunde Mischung aus Wohnen, Ausgehen und Einkaufen. Es gibt verzierte Mietshäuser mit großen Hinterhöfen. Dazwischen jede Menge Restaurants mit verschiedenen nationalen Geschmacksausrichtungen, darunter französisch, italienisch-libanesisch, japanisch und amerikanisch (you know what i mean). Sie wechseln sich mit kleinen Geschäften ab. Die Lebensmittelläden liegen meist im Souterrain der 4-geschossigen Wohnhäuser.
Logodesigner, aufgepasst: Ein Internationales Unternehmen braucht neben einer Wortmarke immer auch einen visuellen grafischen Anker, der schriftunabhängig funktioniert. Ohne gelbes M würden die Fast-Food-Freunde aus dem westlichen Ausland ihre Leitmarke in der Russischen Republik nur schwer wiedererkennen. Diese Filiale befindet sich in der Rubinsteinstraße.
Schaut man genauer hin, dann unterscheidet sich die Rubinsteinstraße doch sehr von einer deutschen Großstadtstraße. Die relativ homogene Sozialstruktur der ehemaligen Sowjetunion ist in den letzten Jahren auseinander gebrochen. Auf den Straßen sieht man Menschen, die ihren Lebensunterhalt erbetteln müssen, daneben Neureiche in Luxusklamotten. Es gibt eine wachsende Schicht erfolgreicher Jungkapitalisten, aber auch manche am Rand der Kriminalität wirkenden Schieber. Ziemlich schlecht geht es all jenen, die ihr Gehalt vom Staat beziehen und von der Schattenwirtschaft ausgeschlossen sind. Mein Reiseführer schreibt, dass »Lehrer und Ärzte, Busfahrer, Eisenbahner, Polizisten und Postbedienstete mit ihrem Einkommen nahe der Armutsgrenze liegen«.
Der durchschnittliche Monatslohn in St. Petersburg liegt bei 300 Euro. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass die Stadt zu den teuersten Metropolen der Welt gehört. Das Shoppen in den Edelboutiquen des Newskij Prospekt oder der Besuch eines guten Restaurants ist für den Durchschnitts-Petersburger ein unerschwingliches Vergnügen. Selbst Lebensmittel aus dem Westen, die in allen Supermärkten (auf westlichem Preisniveau) angeboten werden, sind unbezahlbar. Einheimische kaufen entweder auf preisgünstigen Märkten ein oder an den Ständen am Straßenrand und in den Metrostationen.
FontShops Corporate-Font-Abteilung predigt seit Jahren, dass man eine Wortmarke in fremden Schriftsprachräumen nicht mit der erst besten Type transkribieren soll. Wohin das führt, zeigt dieses Bild. Der kyrillische Citibank-Schriftzug sieht wie eine Fälschung aus. War die Bank nur schlecht beraten oder zu knickrig, um sich die 7 verschiedenen Buchstaben ihres Logos von einem Schriftentwerfer ins Kyrillische übertragen zu lassen. So was kostet weit weniger, als die Installation der 8 Leuchtschriftzüge an diesem Eckhaus im Newskij Prospekt.
Das aktuelle soziale Gefälle ist der Grund dafür, dass die kleinen Souterrainmärkte in der Rubinsteinstraße bei Einbruch der Dunkelheit von Wachleuten geschützt werden. Irgendwie erinnert mich dieser Zweiklassenkonsum an die Intershops, damals in der DDR. Auch da gab es Westwaren, unter abenteuerlichen Umständen, gegen Devisen, zu denen Bürger ohne Beziehungen keinen Zugang hatten, und zu (hochgerechnet) Luxuspreisen. Heute regelt sich das im ehemaligen sozialistischen St. Petersburg durch die (freien?) Mechanismen des Kapitalismus.
Mein erster kultureller Pflichtbesuch: Die Christi-Auferstehungskirche, die an der Stelle errichtet wurde, wo Kaiser Alexander II am 1. März 1881 einem Attentat zum Opfer gefallen war. Daher ihr zweiter Name »Erlöser auf dem Blute«.
Am Mittag besuchte ich die Auferstehungskirche am Gribojedow-Kanal. Sie wurde zwischen 1883 und 1907 nach den Entwürfen von Alfred Parland und Archimandrit Ignatij (Malyschew) erbaut, nach Moskauer Vorbild. Auf Wunsch der Öffentlichkeit und mit Unterstützung des Bauherren Alexander III sollte das Andenken an seinen Vater Alexander II verewigt werden, der wichtige Sozial- und Wirtschaftsreformen einleitete. Und so stößt man bei der näheren Begegnung mit der christlichen Auferstehungskirche auf ganz weltliche Gedenktafeln – eine befremdliche Mixtur. Auf der einen wird an die Einführung der Telegrafie erinnert, andere loben die Reform des Steuerrechts und die Beschränkung der Körperstrafen.
Eine von 12 Gedenktafeln am Sockel der Auferstehungskirche, die an verschiedene Sozialreformen Alexander II erinnern soll. Auf dieser steht: 17. April 1863 – Beschränkung der Körperstrafen. Ein Klick auf das Foto öffnet eine vergrößerte Ansicht der Beschriftung, die nicht identisch ist mit der aktuelle kyrillischen Schrift.
Die Ausstattung der Kirche verblüfft durch ihren Reichtum. Sie birgt eine der größten Mosaik-Sammlungen der Welt. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 7000 Quadratmetern. Es ist das Werk russischer Künstler, die 12 Jahre in der Privatwerkstatt der Gebrüder Frolow und in den Werkstätten der Petersburger Akademie der Künste gearbeitet hatten. Die gemalten Vorlagen dazu lieferten 32 Künstler.
Bis 1917 wurde die Kirche ausschließlich für Toten- und Gedenkfeiern für Alexander II genutzt. Danach wurde sie in ein gewöhnliches Gotteshaus umgewandelt. 1930 wurde sie geschlossen und als Lagerhalle genutzt. 1970 begannen die Restaurierungsarbeiten, die sich bis zur Wiedereröffnung 1997 hinzogen.
Zum Abschluss noch ein Leckerbissen für die Freunde der »Vintage Typography«. Ich war nicht nur in der Erlöserkirche, sondern auch in der Eremitage. Die dort ausgestellte Kunst ist überwältigend, darüber kann ich hier nicht schreiben. Aber ich möchte eine schier endlose Reihe von Holzkisten nicht unerwähnt lassen, über die ich kurz vorm Verlassen des Museums »gestolpert« bin. In diesen befinden sich mit Sicherheit unbezahlbare Kunstschätze, die demnächst auf Weltreise gehen werden.
Die Kisten sind mit Schablonen beschriftet, echte Cowboy-Fonts und -Brandzeichen, gemixt mit sozialistischem Edelmetall-Design. Die Freunde der kyrillischen Schrift werden uns sicher das Siegel übersetzen. Alle 3 Fotos mit darunterliegender Vergrößerung:
33 Kommentare
Kommentarfunktion ist deaktiviert.
<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Simone Wolf
Ich sehe da ein Poster von Al Bano auf Deinem ersten Bild…
Italienisch-libanesische Küche – ist ja eine sehr interessante Mischung. Das gibt’s hier in Italien bestimmt nicht – Italiener sind schließlich sehr vaterlandsverliebt…
Henning
In dem Siegel steht:
CHEPRI
Upakowka i
transportirowka
wjistawok
Sankt-Petersburg
… aber frag mich mal nicht was das heisst, das jemand anderes machen …
Ich vermute
Verpackung und Transport, zu CHEPRI und wistawok fällt mir nichts ein, Gruss nach St.P.
Henning
Unglaublich, mein Bücherregal ist ein Bermuda-Rechteck. Ich finde mein Russisch-Deutsch-Wörterbuch nicht. Dafür aber mein Griechisch-Deutsch-Wörterbuch, welches ich kürzlich nicht fand, als ich es brauchte. Weshalb ich nun zwei habe.
Beim Suchen ist mir allerdings der Groschen gefallen: Möglicherweise steht da einfach nur das geschrieben, was unter dem Siegel auf Englisch wiederholt wird.
Nun sollte aber wirklich jemand ran, der Russisch spricht. :-)
Eric Eggert
Tolle Beobachtungen, die Serie gefällt mir.
Das auf dem Siegel könnte – ich spekuliere – „Fine Art Packers and Shippers St. Petersburg“ heißen…
Harki
Das mit der Auferstehungskathedrale ist aus Wikipedia abgeschrieben und es stimmt nicht. Das Ganze ist in seiner heutigen Erscheinung von vorne bis hinten ein Projekt Nikolaus II. Es geht darum, dem europäischen Petersburg ein alt-moskowitisches Bauwerk reinzuwürgen. Das ist Historismus (und in diesem Fall: Panslawismus) in Reinkultur — dumpfer Chauvnismus, protegiert von einem zur Melancholie und Schwärmerei neigenden schwachen Zaren (und seiner Frau). In Grundzügen nachzulesen bei: Orlando Figes: A Peoples‘ Tragedy, 1997 ff.
Ich möchte wirklich keine Urlaubsgefühle stören, aber dieses Bauwerk ist in einem *solchen* Maßen ein Symbol des Untergangs, des bewußten Rückfalls in die Barbarei, ein Vorgriff auf Schlimmeres… Es steht für die Ent-Europäisierung Rußlands, für einen Rückfall hinter Peter den Großen.
Uah!
Tim
Eine schöne Serie, freue mich schon auf weiteres.
Lars
sehr schöner zweiter teil! weiter so bitte :)
wie ist das eigentl mit den graffiti-writern?
benutzen die auch die kyrillischen buchstaben, oder eher die lateinischen?
auf dem ersten bild sehe ich nur „lateinische“ schriftzüge, ist das überall so?
hoffe mal, dass die russische jugund die schnheit ihrer kyrillischen schrift erkannt hat, und auch diese buchstaben schön an die wand bringt :D
Jürgen
Stimmt nicht. Ich habe die Informationen einem mit Schreibmaschine geschriebenen blauen DIN-A4-Blatt entnommen, das mir beim Kauf des Tickets an der Kasse der Erlöserkirche in die Hände gedrückt wurde. Ob dieser Text aus Wikipedia stammt, oder ob ihn ein Tourist in Wikipedia hineingestellt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Für mich ist es – relativ ideologiefreie – Information aus erster Hand … ganz anders als Dein Kommentar.
Chajm
Der Text zu „Chepri�? sagt eigentlich nichts anderes als die englische Übersetzung darunter ;-) Die Verpacken und Versenden Ausstellungsstücke…
Onkel Tobi
Ich habe in der Schule mal ein Jahr an einer Russisch-AG teilgenommen und damals natürlich auch kyrillisch lesen gelernt – im Rückblick würde ich sagen: ein paar Schulstunden, die sich gelohnt haben.
de_signer
Randbemerkung:
https://www.fontblog.de/wp-content/kiste2_gross.jpg
schaut aus wie eine ägyptische Kartusche
http://papiermuseum.freyerweb.at/images_druck/kartusche01.jpg
Felix
Auch die Flügel und der Käfer scheinen sehr ägyptisch. Vielleicht kommt oder geht die Kiste nach Ägypten.
Super Tagebuch, Jürgen. Macht richtig Spaß zu lesen und zu rätseln.
tom
Interessante Serie!
Es kann auch mal von Vorteil sein, etwas nicht lesen zu können, damit rückt die Gestaltung in den Vordergrund und spricht dadurch für sich. Keine Infos, nur Bilder. Das ist mal eine andere Wahrnehmung, wo der Kopf sich nicht weiter damit beschäftigen muss und das Empfinden verstärkt wird.
fjord
Heißt Al Bano nicht eigentlich Albano (erste Abbildung)? ;)
Simone Wolf
Albano (fjord, Du hast Recht), heißt brügerlich so und sein künstlerisches Pseudonym ist Al Bano. Vor allem aber sieht er seit langer Zeit schon nicht mehr so aus… mindestens seit ihn Romina verlassen hat (vor ca. einem Jahrhundert), um sich selbst zu verwirklichen… Auch das lernt man hier in Italien – das ist Volkskunde, 1. Stunde… ganz wichtig, ich weiß… :-)
Hier ein aktuelles Foto von Al: http://en.wikipedia.org/wiki/Albano_Carrisi
Sorry für den abschweifenden Diskurs! Ein bisschen Klatsch am Freitag – ich hoffe, es wird mit verziehen.
Suzu
Danke Jürgen, für die herrlichen Reportagen! Mir fällt auf Reisen auch immer als erstes die Landes-Typo ins Auge – Bilder, die man in üblichen Dokumentationen sonst nie sieht. Deshalb werden für mich Deine Berichte besonders lebendig, auch durch die Erklärungen der russischen Worte und die atmosphärischen Bilder – besonders das sphärische mit dem Wackler aus Folge 1 :-). Ich war noch nie in Russland / St.Petersburg, aber durch Deine Schilderungen ist es jetzt irgendwie ganz nahe gerückt…
Auch scheint es so, dass ‚wessi‘ noch einiges nachzuholen hat – in Bezug auf die deutsch-russische Freundschaft: danke deshalb auch an die anderen für Eure schönen Kommentare!
Da bleibt als Kommentar doch eigentlich nur: bitte noch viel, viel mehr!
Axel
Ich kann kein Russisch (Kyrillisch), verkaufe ja nun aber schon seit über 17 Jahren Fremdsprachen-Fonts. Daher lehne ich mich mal ein bisschen aus dem Fenster und behaupte, dass die Schrift auf der Gedenktafel Altkirchenslavisch ist.
fjord
@ Simone
Klatsch am Freitag muss auch sein! Vielleicht als neue Rubrik wöchendlich abwechselnd zum Designdiskurs? ;)
Al Bano jedenfalls klingt nach Sopranos, finde ich.
Jürgen: Weiter so! Merci!
Chajm
Natürlich ist das eine Kartusche oben auf dem Bild. Die Firma heißt ja auch Chepri. Eine ägyptische G-ttheit, diese wurde meist als Skarabäus dargestellt. Das steht offenbar damit in Zusammenhang, dass die Firma Mueseumsstücke/Ausstellungsstücke transportiert…
roman k
henning hat recht mit seiner übersetzungstheorie ;-)
»verpackung und transport von austellungen«
generell kann ich sagen, dass es den typografen hierzulande gut tun würde sich mit der kyrillischen schrift auseinanderzusetzen um zu neuen erkenntnissen in bezug auf lesbarkeit der lateinischen schrift zu kommen.
die lateinische schrift hat sich ja (soweit ich im typo-grundkurs aufgepasst habe :-)) aus der capitalis monumentalis und der karolinischen minuskel entwickelt. die formen der kleinbuchstaben und der grossbuchstaben unterscheiden sich stark von einander.
und nun guckt euch das kyrillische alphabet an. http://de.wikipedia.org/wiki/Kyrillisches_Alphabet#Russisch
und dann guckt euch ein paar fließtexte in russischer sprache an. auf den ersten blick hat man das gefühl es handelt sich um kapitälchen, gell?
also nicht viel von ober- und unterlängen, die »das auge führen sollen«. die verwendung der kleinbuchstaben soll ja geradezu essenziell sein für die lesbarkeit von fließtexten. alles gewöhnungssache denke ich. vielleicht würden sogar in kapitälchen gesetzte bücher funktioniern (erwarte riesenaufschrei! ;-))
Jürgen
Wusstet Ihr, das der Abba-Hit »Dancing Queen« (1976) in weiten Teilen identisch mit Al Banos »Nel Sole«, das er 1967 veröffentlichte. Beide Songs kann man im Tunes anhören.
Henning
Danke Chajm,
über den Skarabäus hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht, aber auf die Gottheit bin ich nicht gekommen. Um die Uhrzeit sollte man besser ins Bett gehen. Und, na klar, der gestrichelte runde Rahmen soll bestimmt an eine Kartusche erinnern. Allerdings wurden Kartuschen doch eigentlich nur für die Namen der Pharaonen verwendet und nicht für die Gottheiten, oder?
Danke Roman,
den kleinen Exkurs über die Entstehung der kyrillischen Schrift habe ich mir schon bei Jürgens ersten Blogeintrag aus St.P. geklemmt. Da kommt man so leicht von Hunderdsten ins Tausendste … In meinem halbgeschriebenen aber dann nicht abgeschickten Text stand dann auch ein Absatz, WARUM die kyrillischen Minuskeln größtenteils Kapitälchen sind – im Gegensatz zu den griechischen oder lateinischen Kleinbuchstaben. Aber ich bin grad schreibfaul und eigentlich noch im Urlaub, das soll nun meinetwegen ein anderer machen.
niki
die kisten wurden übrigens nicht durch schablonen beschriften,
die punzen in den buchstaben kriegt man nicht ohne trägerverbindungen hin!
es muss also irgendwie aufgestempelt o.Ä. sein.
nur so am rande ;)
Suzu
@ Jürgen und Simone (um den „Spass am Freitag“ fortzusetzen :-)):
Die lustigste Version von Al Banos „Nel Sole“ ist vielleicht diese:
http://de.youtube.com/watch?v=uYdoyyNHuHI&feature=related
Henning
Roman, in Bezug auf Lesbarkeit lautet mein Lieblingssatz: Es wird gelesen, was von Interesse ist.
Insoweit, wenn man halt ein typografisches System ohne nennenswerte Ober- und Unterlängen hat, ist es besser als gar nichts. Und die kyrillische Schreibschrift hat schon auch Ober- und Unterlängen (r, d, f …), so richtig schlüssig lässt sich mit Deinem Ansatz nicht argumentieren … :) Um Deine These zu vertreten, würde ich vielleicht gleich zum Chinesischen greifen, doch da verstrickt man sich wieder in den Aspekt, dass es sich dabei um ein (*vergröbernd*) ideografisches und nicht um ein alphabetisches System handelt … :D
Henning
Gut gesehen, Niki (#23)! Es muss sich um Rollstempel handeln, sowas habe ich irgendwo in meiner ozeanischen Sammlung auch. Damit kann man große Flächen stempeln, für die flach der Anpressdruck aus der Hand nicht reichen würde.
Nils
Die Darstellung von Begriffen und Namen mit kyrillischen Buchstaben bleibt für mich ein steter Quell der Freude. Seit meinen ersten Leseversuchen in den Siebzigern.
Und es ist kein Ende abzusehen …
Chajm
@Henning: So scheint es zu sein. Kartuschennamen waren anscheinend Königen und Königinnen vorbehalten. Vielleicht meinte man hier einfach, es sieht „authentischer�? aus mit Kartusche (?) Jedenfalls finde ich das gar nicht schlecht gemacht.
roman k
@henning
na ja, ich kenne nicht viele russische bücher, die in schreibschrift gesetzt werden
mir geht es eher darum ein bisserl zum nachdenken zu bewegen, weil ich das gefühl habe, dass vor allem in der typografie bestimmte regeln und normen einfach nicht in frage gestellt werden
wie z.B.
antiqua schriften sind besser lesbar als gebrochene
minuskeln besser als versalien usw.
ich sage – alles eine sache der gewohnheit.
keine wissenschaftliche beweise!
es hätte geschichtlich auch anders kommen können – und wir hätten keine minuskeln und würden alles in capitalis monumentalis setzten – und ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass wir etwas vermissen würden, oder dass es den lesefluss stören würde
roman k
»Insoweit, wenn man halt ein typografisches System ohne nennenswerte Ober- und Unterlängen hat, ist es besser als gar nichts.«
klingt ziemlich wertend
als ob das system mit den unter- und oberlängen das bessere, reifere, technologisch überlegenere wäre.
Nina Stössinger
Jürgen, großartig. Hoffentlich bleibst Du noch wochenlang dort und bescherst uns jeden Tag so einen Bericht? :-)
Zu Roman: Naja, vielleicht alles eine Sache der Gewohnheit im Sinne der Kultur und Schriftsozialisierung. Wenn man mit der kyrillischen Schrift aufwächst, »stört« einen das Fehlen von Ober- und Unterlängen vermutlich nicht; dass die Russen keine Probleme haben, das so zu lesen, kann man aber m.E. nur begrenzt auf Kapitälchensatz bei uns übertragen. Denn wir sind ja mit andersförmigen Minuskeln »sozialisiert« worden, erwarten also gewissermaßen die Ober- und Unterlängen, und Kapitälchen erscheinen dann als »Ausnahme«, als Auszeichnung.
Interessant ist in diesem Kontext evtl. auch ein Blick nach Bulgarien, wo sich nach langer Verwendung der kyrillischen Schrift russischer Prägung in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten eigene, lokaltypische Buchstabenformen als Präferenz herausgebildet haben – die sich vor allem dadurch vom Standardkyrillischen unterscheiden, dass sie Ober- und Unterlängen haben (die kursiven Formen geradegestellt, grob gesagt). Wäre spannend zu erfahren, wie das für ältere Bulgaren ist, sich von den »Kapitälchenformen« auf diese neuen Minuskeln »umzugewöhnen«.
Simone Wolf
Leider komme ich erst jetzt wieder dazu hier reinzuschauen (und ich lasse mir die Feeds nicht schicken, weil ich sonst vor lauter Neugier den ganzen Tag nichts Anderes machen würde – ist also reiner Schutz… :-)
„Wusstet Ihr, das der Abba-Hit »Dancing Queen« (1976) in weiten Teilen identisch mit Al Banos »Nel Sole«, das er 1967 veröffentlichte. Beide Songs kann man im Tunes anhören.“
Jürgen, wow – Nein, das wußte ich nicht… das ist ja das Sahnehäubchen zu meinem Kommentar. Danke!
fjord: Danke, ich hatte den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen… Ich finde das übrigens eine gute Idee, mit dem Gegenpol zum Designdiskurs… mit Klatsch kann ich behilflich sein. Wenn ich mir Mühe gebe versuch ich’s auf Gala-Niveau :-)
Suzu: das Nächste was ich mache, sit Deinen Link anschauen. Danke!
… so muss das Wochenende anfangen…
Arith
@ Nils (27):
Ja, so geht’s mir auch. Die kyrillischen Zeichen gehören für mich zu den schönsten. Ich habe vier Jahre Russisch gelernt, aber ich bin noch nie in einem russischsprachigem Land gewesen. Lediglich in Bosnien und Herzegovina bin ich in den Genuss von kyrillischen Verkehrszeichen gekommen. Heute bin ich nicht mal mehr noch in der Lage, kyrillische Schrift wie lateinische zu lesen (also z.B. телевизор als „tenebnzop“ oder Ähnliches), wie das die Leute machen, die kyrillische Zeichen nicht lesen können.