Spreeblick-Logo-Crowdsourcing gescheitert

Am 31. Juli rief Spreeblick, Deutschlands renom­mier­testes Weblog, seine Leser zur Teilnahme am eigenen Logo-Wettbewerb auf. Sechs Wochen später gibt es zwar eine Siegerin, aber verwendet wird ihr Logo nicht. Genauso wie 54 weitere Entwürfe, die Spreeblick seit heute in einer Galerie präsentiert.

»Für diese Entscheidung gibt es keine sach­liche Begründung, die befrie­di­gend klingen würde, sie ist eine Bauchentscheidung, anders geht es auch nicht.« schreibt Spreeblick-Gründer Johnny Häusler. Und weiter: »Mit jedem der oben gezeigten Favoriten haben wir expe­ri­men­tiert … um am Ende fest­zu­stellen, dass ein Spreeblick-Logo viel­leicht doch nur von Spreeblick selbst gemacht werden kann. Nicht, weil es objektiv ›besser‹ werden würde als die hier gezeigten Skizzen, das wird uns kaum gelingen. Sondern weil es sich subjektiv ›rich­tiger‹ anfühlen wird.«

Ein Tipp vom Fontblog, Johnny: Für solche Jobs gibt es Fachkräfte. Sie heißen Kommunikationsdesigner und lernen ihr Handwerk im Rahmen einer akade­mi­schen Ausbildung. Professionelle Designer führen einen Dialog mit ihrem Auftraggeber, um ihm schließ­lich eine Lösung zu präsen­tieren, die subjektiv richtig und objektiv gut ist. Und dann gibt es auch eine »sach­liche Begründung«, die im Idealfall mit dem »Bauchgefühl« im Einklang steht.

Wenigstens macht sich Spreeblick die Mühe, die besten Arbeiten zu erläu­tern und die Anlehnungskriterien darzu­legen. Das ausge­schrie­bene Honorar wurde auch vergeben, an eine subjektiv gute aber nicht die opti­male Lösung: Das Logo von Katrin Soschinski (Abbildung oben).


11 Kommentare

  1. johnny

    Schon alles klar. Einen Etat, der für einen solchen, entspre­chend umfang­rei­chen Dialog und Gestaltungsprozess vorhanden sein muss, gab es jedoch nicht.

  2. Jürgen

    Ich verstehe. Eine Lösung könnte die Kooperation mit der Abschlussklasse einer Hochschule sein oder »frischen« Absolventen. Die Profis werden Euch nicht böse sein, weil Spreeblick in ihren Augen ein »kleiner Fisch« ist. Von Studenten bzw. Berufsanfängern könnten sogar über­ra­schen­dere Ergebnisse kommen, weil sie noch über die Stränge schlagen dürfen und nicht vom Berufsalltag domes­ti­ziert sind.

  3. kopfkribbeln

    Der Ansatz dieser Alle-machen-beim-Logo-erstellen-mit-Geschichte ist ja voll­kommen okay. Aber es ist wirk­lich enttäu­schend für alle, wenn hinterher nichts dabei raus­kommt. Wirklich fair wäre es, die Siegerin dann zumin­dest mit ins Boot zu holen, wenn es um die Neugestaltung des Logos geht. 

    Zudem hätte die Entscheidung, dass nur Spreeblick selbst ein Logo für sich erstellen kann, vorher passieren müssen! Jetzt klingt es so, als sei einfach alles Mist gewesen, was einge­reicht worden ist. Und das kann ich mir bei 55 Entwürfen einfach nicht vorstellen!

  4. Oliver Adam

    @kopfkribbeln:

    Empfinde ich sehr ähnlich, denn einige Entwürfe sind doch durchaus gelungen, finde ich … »mit ins Boot holen« – ein schönes Bild ;-)

  5. Martin

    @kopfkribbeln: „Zudem hätte die Entscheidung, dass nur Spreeblick selbst ein Logo für sich erstellen kann, vorher passieren müssen!“ Na ja. Hinterher ist man halt immer schlauer. Kann ich schon verstehen, dass bei einem solchen Wettbewerb eine Menge hübsche Logos entstehen, mit denen sich der „Auftraggeber“ am Ende dann aber nicht so recht iden­ti­fi­zieren kann. Und wenn dann dennoch eine Siegerin gekürt und das Honorar gezahlt wurde, dann geht das schon in Ordnung, finde ich. Auch wenn sich alle Beteiligten natür­lich vorher etwas anderes erhofft hatten.

  6. jamie oliver

    Ich hab immer noch die gleiche meinung wie beim Thema „unfaire Designwettbewerbe“: Jeder weiss auf was er sich einlässt. Designer und Auftraggeber. Diese kommen viel­leicht preis­lich gut weg, bekommen aber halt meist eben das was sie verdient haben: Eine Menge Vorschläge für wenig Geld. 

    Aber „gute“ Arbeit hat sich noch nie durch die Menge sondern durch die Kommunikation (Auftraggeber-Designer) defi­niert. „Gutes“ muss wachsen können. Etwas womit man sich nur 3 Sekunden (beim anschauen) ausein­an­der­setzt, kann nie das vermit­teln was ein Logo schafft an dem gear­beitet wurde. Die Leute von Spreeblick scheinen das jetzt begriffen zu haben. 

    „unfaire Designwettbewerbe“ werden darum kaum bestand haben.

  7. Markus Pöhlmann

    Ich hätte es mal über eine der Plattformen versucht, die über ihre Community Logos und Designs „crowd­sourcen“ (www​.wilogo​.com und ähnliche)… Ändert zwar nichts an dem Problem, sich für ein frem­derstelltes Logo zu entscheiden.

  8. HD Schellnack

    Viel ist nicht gleich gut. Insofern korrekte Entscheidung von einer Crew, die ja qua River-Claim guten Geschmack im Schilde führt :-D.

    Dieser Crowd-Bullshit ist wirk­lich nur die Web2.0-Erweiterung dessen, was doch eh Alltag ist. Wenn eine große Kräuterlikör-Hersteller gleich sechs Agenturen mit je zwei Entwürfen antanzen lässt, um sie ALLE wieder nach Hause zu schi­cken und dann doch bei der alten Agentur zu bleiben, ist doch klar, das Pitches und deren Online-Variante nur die Hilflosigkeit des Managements zum Ausdruck bringen. Werbung und damit Design sind wichtig, aber woher in der Flut der Gestalter den rich­tigen finden? Man kann entweder auf die großen Ranking-Namen setzen (von Meta bis JvM) oder an wirft einfach so lange Shit an die Wand, bis irgend etwas dabei kleben bleibt. 

    In der Architektur seit langen gang und gäbe, haben Pitches auch unser Feld selbst bei budget­seitig eher albernen Etats erobert. Man pitcht inzwi­schen um Jobs unter 10.000 Euro, was allmäh­lich etwas abstrus wird. In der Architektur sieht man allmäh­lich die Ergebnisse dieser Kultur – die immer­glei­chen Bauten in den Städten, as Schubladne gezogen, im Nebelfeld der mangelnden Kommunikation entworfen… entweder eitel fürs Portfolio gepowert oder bauher­ren­freund­lich hinge­rotzt, je nach Ego-vs-Geld-Balance der Teilnehmer. 

    In der Werbung hast du es genauso. Die Masse wird lieblos raus­ge­hauen, und dann macht man ein paar Gold-Idee-Sachen mit den JADs und Praktikanten, die man beim ADC einrei­chen kann, weil man sie zweimal preis­wert in der Titanic oder so geschaltet hat :-D.

    Crowdsourcing ist nur der Extended Club Dance Remix der Mentalität von Pitches. Der Wunsch der Kunden, Kontrolle und Selektion zu haben anstatt in die Niederungen des Nachdenkens über das eigene Handeln gehen zu müssen, sich – igitt – mit jemanden unter­halten zu müssen. Und auf Seiten der Agenturen ein gnaden­loser Darwinismus, in denen nur noch die Big-Name-Agenturen richtig vorne liegen, weil sie die Ressourcen haben, an den zahl­losen Burn-Out-Pitches über­haupt teilzunehmen. 

    Es ist die Casting-Mentalität, die dahinter steckt, eine Form von Hunger auf der einen Seite und müder voyer­uris­ti­scher Arroganz auf der anderen. Der Kunde will mal Bohlen spielen und wir Designer hoffen auf span­nende Jobs. Das Prinzip ist das gleiche

    Nur sind bei DSDS Germanys Next Top-Model usw. nie echte Stars herum­ge­kommen, nicht mal Sternchen. Nur Retortenbabies ohne Authentizität.

  9. Frank

    Tja.

    Ein Paradebeispiel dafür, dass Logowettbewerbe eben nicht die direkte Kommunikation Kunde-Designer ersetzen können. Wie denn auch? Bei einem übli­chen Gestaltungsprozess gibt es meist diverse »Runden« mit Verbesserungen, Kritik etc. und vorher­ge­hende Gespräche über Zielgruppen, Strategie usw.Insofern stellt obiges »Feedback« seitens Spreeblick zu einzelnen Logos grade mal das dar, was in einer normalen Kunde/Designer-»Beziehung« die erste Runde gewesen wäre. Leider macht Spreeblick hier schon Schluss, dabei hätte man so etwas wie »Mit der Typo sind wir leider nicht so richtig warm geworden.« ja noch leicht ändern können mit verschie­denen Typo-Variationen.

    Was ich richtig armselig daran finde – hätte man alles schon vorher wissen können. So hat es sich Spreeblick quasi geleistet, auf Kosten anderer diesen Lernprozess »live« zu erleben.

    Warum »auf Kosten anderer«?

    Weil für viele die Motivation mitzu­ma­chen sicher­lich nicht nur die 400 EUR waren, sondern auch der Werbeeffekt für’s eigene Portfolio das neue Spreeblick-Logo gestaltet zu haben. Ist natür­lich nicht gegeben, wenn das Gewinnerlogo nicht verwendet wird bzw. wenn es keinen Gewinner gibt.

    Wenigstens die 400 EUR trotzdem zu vergeben, war das mindeste was Spreeblick tun konnte und macht den Wettbewerb deswegen trotzdem nicht besser.

  10. Prof. Eku Wand

    Wenn auch etwas spät, bedingt durch einen längeren Aufenthalt an unserer Partner-Uni in Indonesien – meinen Beitrag möchte ich hier doch noch loswerden:

    @ Johnny: ehrlich gesagt rate ich meinen Studenten mitt­ler­weile davon ab, an solchen Crowdings teil­zu­nehmen … ab Du weisst ja, wie Du mich errei­chen kannst … daher …

    @ Jürgen: Dank für den konstruk­tiven Hinweis, den ich nur unter­strei­chen kann …

    It’s all about commu­ni­ca­tion … struc­ture is the key to complexity!

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