Sprachverwirrung aufgelöst: Das Schriftsystem-Poster
Die vom Turmbau zu Babel hergeleitete Redewendung einer babylonischen Sprachverwirrung (lateinisch: »confusio linguarum«) steht für maximale Konfusion. Theologen interpretieren das Bauvorhaben als den Versuch der Menschheit, Gott gleichzukommen. Als Antwort auf diese Anmaßung brachte Gott den Turmbau unblutig zum Stillstand, indem er eine Sprachverwirrung entfachte, die alle Beteiligten wegen Verständnislosigkeit zur Aufgabe des Projektes zwang und – aus dem gleichen Grunde – über die ganze Erde zerstreute.
Tatsächlich ist die Sprachvielfalt auf der Erde endlich, vor allem aber die Techniken, sie niederzuschreiben. Experten gehen aktuell von 292 Schreibsystemen aus, wobei das lateinische eines davon ist, von denen genau die Hälfte erschlossen und dokumentiert ist. Dieser Prozess ist im Digitalzeitalter abgeschlossen, wenn das Unicode-Konsortium ein Zeichensystem in seinen ISO 10646 Standard aufgenommen hat. Im Moment sind das 146, also genau die Hälfte der bekannten Schriftsysteme, was aktuell 137.374 Zeichen ergibt.
Bei den noch unkodierten Schreibsystemen handelt es sich sowohl um die Zeichensätze ausgestorbener Sprachen, aber auch um Minderheitenschriften. Letztere werden immer noch in Teilen Süd- und Südostasiens, Afrikas und des Nahen Ostens verwendet. Unkodierte Skripte beinhalten Kpelle und Loma. Zu den Schriften von historischer Bedeutung gehören Book Pahlavi, Large Khitan und Jurchen.
Das Projekt Missing Scripts (Vermisste Schriften) hat sich über einen Zeitraum von 18 Monate am Atelier National de Recherche Typographique (ANRT, Nancy) mit den »vergessenen« Schreibsystemen beschäftigt; Partner waren die Hochschule Mainz und das Department of Linguistics, in Berkeley, USA. Bereits 2002 wurde dort die Script Encoding Initiative (SEI) ins Leben gerufen, die sich intensiv um die Vorbereitung formaler Vorschläge für das Unicode-Konsortium kümmert.
Am Rande der umfangreichen wissenschaftlichen Recherchen nahm sich das Missing Scripts Projekt Zeit für eine visuelle Spielerei, ein vierfarbiges Poster. Es stellt alle 292 lebenden und historischen Schreibsysteme sowie codierte und noch nicht in Unicode codierte Schriftsysteme dar, jeweils repräsentiert durch ein Schriftzeichen: dunkelblau, violett, rot, orange.
Seit Montag kann das Plakat nun – im 4-Farben-Siebdruck – auf designinmainz zum attraktiven Preis von 24 € erworben werden: Format 80 × 120 cm, 1. Auflage 600 Exemplare.
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