Sommerspiele (3): Gutenberg war nicht der erste

Bei der gest­rigen Eröffnungsfeier spielte die visu­elle Kommunikation eine Hauptrolle, ja die gesamte Zeremonie war ein grafi­sches Zauberwerk. Es wurde gepin­selt und geschrieben, Zeichnungen proji­ziert, ein Heer von Statisten spielte farbige Leuchtdioden und formte zwei- und drei­di­men­sio­nale Botschaften.

Im Mittelteil berich­tete China aus seiner 5000 Jahre langen Kulturgeschichte und erin­nerte an chine­si­sche Erfindungen, die die Welt verän­dert haben: Papierrollen, Buchdruck, Oper, Seidenstraße und auch das Schießpulver (atem­be­rau­bende Fotos auf dieser Seite, einschließ­lich der beweg­li­chen Druckbuchstaben, Bildunterschrift: »Artists under­neath movable boxes …«). Hoppla: Buchdruck mit beweg­li­chen Buchstaben, war das nicht eine Erfindung aus Mainz?

Tatsächlich soll der Buchdruck als Hochdruckverfahren wahr­schein­lich bereits um 1040 in China prak­ti­ziert worden sein. Die ersten schrift­li­chen Zeugnisse über chine­si­sche Buchdrucke stammen von 1324. Nach neuesten Forschungen wird das korea­ni­sche Jikji auf den Juli 1377 datiert. Es wäre damit das älteste Buch der Welt, das mit Metall-Lettern gedruckt wurde.

Ab 1410 wurden in Europa Bücher mit hölzernen Drucktafeln gedruckt. Die Johannes Gutenberg in der Mitte des 15. Jahrhunderts zuge­schrie­bene Erfindung des Buchdruckes bezieht sich auf das Drucken mit beweg­li­chen metal­lenen Lettern, die den Buchdruck verein­fachte und damit erschwing­lich machte. Das Prinzip war wohl nicht neu (s. o.), allein die Anwendung auf die latei­ni­sche Sprache scheint Gutenbergs Verdienst. (Quelle: Wikipedia)

China Daily zum Thema: How movable types turned into computer bytes

Das Protokoll der olym­pi­schen Eröffnungszeremonie zum Thema Schrift und Druckkunst:
12.2 The disci­ples are holding bamboo scrolls, which were a kind of book with scripts carved onto the indi­vi­dual bamboo strips.
12.3 A perfor­mance of movable-type prin­ting, one of the four great inven­tions of ancient China.
12.4 The movable-type prin­ting perfor­mance creates images of both ancient and modern fonts of the Chinese character.
12.5 This is an ancient repre­sen­ta­tion of the Chinese character »He«, which means harmony.
12.6 This is another ancient repre­sen­ta­tion of the Chinese character »He«.
12.7 This is a modern repre­sen­ta­tion of the Chinese character »He«. All three character repre­sen­ta­tions show not only the evolu­tion of Chinese charac­ters, but also the Confucian idea of huma­nism, that is, »Harmony is precious«.


8 Kommentare

  1. Stefan

    Ich hatte auch immer geglaubt Gutenberg war der erste Erfinder des Buchdrucks mit beweg­li­chen Lettern. So wird es ja schließ­lich auch in deut­schen (euro­päi­schen?) Schulen gelehrt. Bis ich dann letztes Jahr genau in der korea­ni­schen Stadt (Cheonju) zu Gast war, in der »Jikji« gefunden wurde. Habe sogar das Museum dort besucht: http://​english​.cheongju​.go​.kr/​c​u​l​t​u​r​e​/​f​a​m​o​u​s​-​0​2​p​.​asp
    Die Mönche von damals waren schon recht gut entwi­ckelt was die Produktion der metal­lenen Lettern anging.

  2. erik

    Buchdruck mit beweg­li­chen Lettern

    Beweglich heisst hier aber auch, dass die buch­staben keine unikate sind, sondern aus einer form gegossen und deshalb fast beliebig oft wieder­holbar. Koreanische und chine­si­sche zeichen wurden einmal geschnitten und so oft gedruckt, bis sie kaputt waren (das modu­lare Hangul alphabet in Korea wurde erst nach Gutenberg entwi­ckelt). Sehr unprak­tisch, weil etliche tausend zeichen geschnitten werden mussten, und die häufigen eben einige male. Gutenberg hat den ganzen prozess entwi­ckelt, vom schneiden der stempel über das instru­ment zum gießen der lettern bis zur druck­farbe aus ruß und leinöl.

  3. McCain Fan

    Alles ist in China schon tausende Jahre frueher erfunden worden. Und wenn nicht, dann war ich wohl Opfer wetli­cher broba­ganda… oder waren die chinesen die propagandisten?

    ich bin sicher, dass die spaeter auch sagen werden, sie haetten emphy­sema entdeckt. Beijing ist ja das chine­schi­sche wort fuer [smog-induced] emphysema.

  4. Da Stefan

    Nun ja, ein Besuch im Mainzer Gutenberg-Museum hat mich auch eines Besseren belehrt: die Chinesen waren in der Tat etwas flotter als Gutenberg. Aber er hat halt die Technik verbes­sert und in eine weite Verbreitung geführt. Ist übri­gens sehr zu empfehlen, das Gutenberg-Museum! Ich war faszi­niert vom Blocksatz der Gutenberg-Bibeln – unglaub­lich ausge­gli­chen, ein perfektes Schriftbild – das MUSS man gesehen haben!

  5. Phaistos

    Gutenberg haben wir ein funk­tio­nie­rendes ökono­mi­sches System zu verdanken, welches Renaissance und Aufklärung erst möglich machte. Die Chinesen waren mit einem ähnli­chen System etwas früher dran. Der erste Druck mit beweg­li­chen Lettern aber fand wohl bereits vor ca. 3.500 Jahren in Griechenland Anwendung: auf dem Diskus von Phaistos.

    „Eines der frühen klaren Beispiele für die Realisierung des typo­gra­phi­schen Prinzips bietet der berühmt-berüch­tigte, unent­zif­ferte Diskos von Phaistos (ca. -1800 bis -1600). Sollte die Vermutung zutreffen, dass es sich dabei um eine Textrepräsentation handelt, so hätten wir es tatsäch­lich mit einem „gedruckten“ Text zu tun, bei dem alle defi­ni­to­ri­schen Kriterien des typo­gra­phi­schen Prinzips erfüllt sind. Die spira­lige Sequenzierung der Exemplare graphe­ma­ti­scher Einheiten, die Tatsache, dass sie in eine Tonscheibe einge­drückt (Blindprägung!) und nicht aufge­druckt sind, stellen ledig­lich Varianten im Möglichkeitsraum der tech­ni­schen Randbedingungen der Textrepräsentation dar. Entscheidend ist, dass mate­ri­elle „Typen“ sich mehr­fach instan­ti­iert auf der Tonscheibe nach­weisen lassen.“ Herbert E. Brekle: Das typo­gra­phi­sche Prinzip. In: Gutenberg-Jahrbuch. Band 72, 1997, S. 60f.

    http://​de​.wiki​pedia​.org/​w​i​k​i​/​D​i​s​k​o​s​_​v​o​n​_​P​h​a​i​s​tos

  6. karl

    In einer noch nicht globa­li­sierten Welt gab es eine Menge paral­leler Erfindungen – gerade auch in Bezug auf das fast völlig abge­schot­tete China. Aufgrund unüber­wind­li­cher Wegstrecken und entspre­chend kaum vorhan­dener Kommunikation kann man in dieser Zeit durchaus von verschie­denen, sich unab­hängig entwi­ckelnden Welten sprechen.

    Vor diesem Hintergrund war Gutenbergs Erfindung durchaus neu. Er hat schließ­lich nicht in China abge­kup­fert, sondern das Drucken mit beweg­li­chen Lettern in der „euro­päi­schen Welt“ erfunden.

  7. Hermann Wenzel

    Das Vorurteil der Sprachlichkeit verstellte 100 Jahre lang den Blick auf wesent­liche Eigenschaften des Diskos von Phaistos. So z.B. auf die Bedeutung des Teilers „11“: Es gibt 2 x 11 x 11 geprägte Zeichen, davon 4 x 11 nur einseitig auftre­tende und 2 x 9 x 11 beid­seitig auftre­tende Zeichen, davon 9 x 11 auf Seite A und 9 x 11 auf Seite B. 7 x 11 Zeichen sind Abstrakta (nicht ‚eindeutig‘ einem Gegenstand zuzu­ordnen), 8 x 11 Zeichen sind Mensch und Tier zuzu­ordnen, davon sind 3 x 11 Zeichen Köpfe, 2 x 11 Zeichen dem Menschlichen und 3 x 11 dem Tierischen zuzu­ordnen. Wiederum 7 x 11 Zeichen verkör­pern Gegenstände (Waffen, Gerät, Pflanzenteile). – Im Diskos steckt eine Hierarchie, die die Zeichen ordnet und letzt­lich eine Reihenfolge für die 45 verschie­denen Prägungen und den geritzten ‚Dorn‘ fest­legt. Diese 46 Positionen entspre­chen den Tageszahlen 1 bis 46.- Der Diskos ist also eine Zahlenschrift. Sie beschreibt die Bewegungen der Gestirne mittels Muster in einer Matrix. Diese Matrix wurde aus Gründen der Verschlüsselung in zwei Spiralen umge­wan­delt. – Mehr darüber im drei­tei­ligen Werk „Die Architektur des Labyrinths“, Band I: Strukturanalyse des Diskos von Phaistos, Band II: Entzifferung des Diskos von Phaistos, Band III: Astronomie der Minoer im Diskos von Phaistos (zusammen über 800 Seiten und über 1000 Abbildungen) – Staatsbibliothek München.

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