Sei Provinz-, sei -posse, sei Berlin
Die Brandenburger Schülerin Klara Martens reichte »den besten Be-Berlin-Spruch« ein
(Foto: sei.berlin.de)
Dass die Berlin-Kampagne ein Totalreinfall ist oder war, bestätigte sich gestern bei der ersten Zwischenbilanz, die von den Verantwortlichen durch die Bank schöngeredet wurde. Zur Erinnerung: Am 11. März stellte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit die Be-Berlin-Kampagne vor (Fontblog berichtete), mit der internationale Investoren in die Stadt gelockt werden sollen. Zuvor waren bereits Details an die Öffentlichkeit gedrungen und haben für schlechte Laune gesorgt.
Die erste Stufe der Kampagne wollte die Bürger der Stadt mobilisieren. Hierfür baute man die Javascript- und Flash-versaute Internetseite www.sei.berlin.de, auf der Berliner eine persönliche Geschichte hinterlassen und den Slogan »Sei dies, sei das, sei Berlin« mit eigenem Inhalt füllen sollten. Um ganz viele Bürger zum Mitmachen zu bewegen, beschäftigte der Senat zwei Agenturen und ein Expertengremium, klebte die Straßen mit Plakaten voll, schaltete Radiowerbung, warf jedem Haushalt eine Mitmachkarte in den Briefkasten, ließ Sponsoren die Werbetrommel rühren, mobilisierte die lokalen Medien und beauftragte teure PR.
Das Ergebnis: bis eben wurden 344 Geschichten veröffentlicht und rund 2000 Slogans eingereicht, aus denen gestern der Sieger ermittelt wurde: »Sei einzigartig, sei vielfältig, sei Berlin«. So etwas nennt man, glaube ich, einen Furz im Weltall.
Die Berliner sind Klasse, die Stadt ist Klasse: Sie hat die misslungene Kampagne schlichtweg ignoriert. Warum das so kommen musste, kann man in den 201 (!) Fontblog-Kommentaren zu diesen 7 Be-Berlin-Beiträgen nachlesen:
• »be berlin« wird Werbeslogan der Hauptstadt (51)
• »Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner.« (8)
• Sei Stadt, sei Wandel, sei Berlin … (52)
• Erste Reaktionen auf »be Berlin« (10)
• Wieviel Plagiat steckt in »Be Berlin«? (44)
• Be Fontblog (23)
• Nachtrag zu »Be Berlin« von OL (13)
20 Kommentare
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Ivo
Furz im Weltall. Damit hast du die Doppel-20 zerschossen, Jürgen!
fjord
344 Geschichten und 2000 Slogans. Bei insgesamt 3.416.255 Einwohnern (Wikipedia, Stand 31.12.2007).0,00010 % der Einwohner haben Geschichten hinterlassen. 0,00058 % haben Slogans eingereicht.
Furz im Weltall? – Ein Phantomfurz im Weltall!
Oder sind in den letzten Monaten vielleicht 2 bis 3 Millionen Berliner ausgewandert ohne, dass man das bemerkt hätte? Das würde die Zahlen erklären. (Die Deutschen wandern ja gerne aus in letzter Zeit, heißt es. „Standortmarketing vertreibt die eigene Bevölkerung.“ Wäre auch eine Art von Erfolg.)
HD Schellnack
Mann, ist doch toll für Klara. Ansonsten sind solche Kampagnen – siehe auch NRW – immer pffft.
formschub
Sei chtigkeiten, sei fenblasen, sei berlin.
Und jetzt schnell weg, bevor die Kalauerpolizei kommt …
ppp
Naja, es haben nicht 0,0001% sondern 0,01% der Berliner eine Geschichte verfasst. Alle bei Prozent ist 100 und nicht Faktor 1.
Trotzdem eine Schrottkampagne und eine klare Quittung aus der Berliner Bevölkerung. Schade um das verschwendete Geld.
annobuem
Hat eigentlich Wowi seinen Berlin-Slogan auch eingereicht: „Sei arm, sei sexy, sei Berlin“?
sukisouk
Klara ist eh süß, was willst du. „Sei dies, sei das, sei Berlin“ hätte sicher auch Gewinnchancen gehabt. Aber zur „niedrigen Beteiligung“, was hat man erwartet? Daß Leute sich ernsthaft mit so nem Marketing-quatsch beschäftigen? Weshalb sollten sie das tun, um Gottes willen??
Jan
So ist es. „Mitmachen“ bedeutet zunächst mal, dass ich eine Motivation habe um mitzumachen. Grundregel für den Community-Bau verfehlt. Tja.
etg
„Warum das so kommen musste, kann man in den 201 (!) Fontblog-Kommentaren zu diesen 7 Be-Berlin-Beiträgen nachlesen“
habe gerade keine Lust, 201 Kommentare zu lesen. Stand da auch drin, dass Berliner keine Mitmachtypen sind und jede (wirklich *jede*) Kampagne ähnliche Resonanz bekommen hätte?
Jürgen
Das Gegenteil ist der Fall: Berliner (und ihre Gäste) sind Jahrmarkttypen wie aus dem Bilderbuch – bis zur Schmerz- bzw. Penetranzgrenze. Man denke nur an verhüllter Reichstag, Love Parade, CSD, Fanmeile und die erste Volksabstimmung für den Erhalt des Zentralflughafen Tempelhof (Mobilisierung bereits ab der Unterschriftensammlung). Dass die provinzielle Be-Berlin-Kampagne niemanden hinter dem Ofen hervorlockte, liegt allein in der Kampagne selbst begründet – die von der Webseite bis zu den Plakaten aber auch alles falsch macht(e). Einzig der Klingelton, der hat was … Würde mich mal interessieren, wie oft der geladen wurde.
Oliver Adam
@Jürgen: Genau so ist es.
Sanddorn
Das Aussehen der „Gewinnerin“ wurde doch bestimmt nicht dem Zufall überlassen, oder? Stell mir das zumindest so vor:
Senior Marketing Expert „Als Winner brauchen wir jemanden der arm aber sexy aussieht!“
Wowi „Ich kenne da paar junge Herren!“
„Unsere Agentur dachte da mehr an etwas weibliches – jung, unschuldig, am besten Blond, mit langen Beinen – dazu präsentieren wir unser rotes T-Shirt im KiK Branding!“
Christian
Ich weiß nicht, wie er es macht: Wowi bekommt sogar so eine Aktion ausgesprochen lässig über die Bühne. Das könnte Beck nicht, Claudia Roth nicht und Angela auch nicht. Wowereit hat der Aktion zugestimmt und scheint gleichzeitig drüber zu stehen. Nicht schlecht.
Jürgen
@ Christian: Genau das habe ich mich auch gefragt. Ich glaube inzwischen, das ist das Schicksal eines jeden Spitzenpolitikers. Du musst immer gute Mine zum bösen Spiel machen. Wahrscheinlich muss Wowereit 20 Mal am Tag ähnlichen Schrott aus anderen Bereichen genauso positiv verkaufen. Das ist sein Job. Nicht jeder ist dazu geboren.
Jürgen
Natürlich habt Ihr ein Recht darauf zu erfahren, wie das Foto unten weitergeht:
Marcus
Super, solche Bilder würden bei unseren hausinternen Drucksachen als „zu sexistisch“ rausfliegen … aber wir haben ja auch ein WBN (Womens Busines Network) … wobei Woei ja auch ein bischen schaut als würde er denken „Das Shirt ist jetzt nicht Euer Ernst, oder?“
Marc
“Das Shirt ist jetzt nicht Euer Ernst, oder?�?
Wenn Wowereit das Shirt angezogen hätte wäre er glaubhafter
ppp
So enge Shirts zieht er aber nur Samstagabends an. :-D
carsten
Ich find an diesem Sloagen nichts besonderes. Da gab es meines Erachtens nach bessere. Gings bei der Vergabe des ersten Platzes auch nach Aussehen der Verfasser?
Benjamin Hickethier
Ich freue mich ja auch sehr für den Fontblog (und, unterhaltungshalber, auch für mich selbst) dass es hier im Fontblog rund gegangen ist in der letzten Zeit. Aber, und das haben schon etliche Kommentatoren und Kommentatorinnen vor mir angemerkt, frage ich mich ob das einzige Mittel für diesen Zweck das Verreißen ist.
Anlässlich dieses Beitrages stimme ich erstmal HD zu – wenn man Bürgerbeteiligung will, sollte man auch einen Mainstream-Slogan (der bestimmt auch gesucht wurde … passend für alles und jeden, leider) akzeptieren können. Darüberhinaus finde ich einiges an der Kampagne durchaus gelungen und es wurde hier auch Positives über die Kampagne geäußert, auch in den 201 Kommentaren. Zum Beispiel über Alessios Schrift, oder den erfreulichen Film/Teaser von Robert Thalheim.
Ansonsten würde ich mich freuen, Jürgen, wenn Du diese Kriterien auch zum Anlass nimmst, viel nervigere Produkt- oder Dienstleistungswerbekampagnen auf den Mond zu schiessen: »[…] klebte die Straßen mit Plakaten voll, schaltete Radiowerbung, warf jedem Haushalt eine Mitmachkarte in den Briefkasten, ließ Sponsoren die Werbetrommel rühren, mobilisierte die lokalen Medien und beauftragte teure PR«.