Polit-Font »Parole«: CC hilft nicht wirklich
Arm aber sexy: die Wowi-Schablone aus der OpenType-Schrift Parole, entweder direkt getippt mit der Euro-Taste oder durch die kontextsensitive Ersetzung der Initiale KW (Abbildung aus dem Parole-Read-Me-PDF (80 K)
Ich wusste gar nicht, dass »Software-Verschenken« so viel Stress machen kann. Gestern haben Dataloo und FontShop den Polit-Font ›Parole‹ zum kostenlosen Download in die Welt gesetzt. Wir wollten die Software unter einer Creative-Commons-Lizenz herausgeben, ein Gebiet (um nicht zu sagen Minenfeld), von dem wir beide nicht wirklich viel verstehen. Die Reaktion kam prompt: Man diskutierte hier und hier nicht über die tolle Schrift, sondern über die mitgelieferten Lizenzbestimmungen.
Reaktion: Wir haben die Lizenzbedingungen überarbeitet und uneingeschränkt auf CC Attribution – Share Alike 3.0 umgestellt. Unsere eigentliche Intention steht zusätzlich und unverbindlich – in Umgangssprache – ebenfalls im Read-Me-PDF (80 K). Denn:
Hintergrund: Creative Commens bietet keine passende Variante für die von uns gewünschten Spielregeln. Dazu später mal mehr.
10 Kommentare
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kosmar
bei fonts kommt (ich glaube wie auch hier) ein spezielles ding dazu: man müsste unterscheiden zwischen verwendung der schrift in einem werk und verwendung der schriftdatei selbst … urheberrecht ist kompliziert.
Jürgen
Du bist auf dem richtigen Pfad. Die Bestandteile eines Fonts sind ungeschützt. Im Vergleich mit einer Musikdatei wäre da so, als würde diese mehrspurig digital veröffentlicht (»Studio-Quelldaten«). Man könnte ganz easy das Gitarrensolo von Eddie van Halen aus Micheal Jacksons »Beat it« herausoperieren und in einen neuen Song einbauen, ohne auch nur einen Cent Tantiemen zahlen zu müssen. Doch die Musikindustrie vertreibt ihre Musikstücke als Einheit und hat dieses Copyright-Problem nicht.
Ein fiktives Szenario für unsere Schrifte ›Parole‹: FontShop und Dataloo müssten unter der aktuellen Creatice Commens Lizenz hilflos mit ansehen, wenn eine rechtsradikale Bande die Politiker-Schabonen aus dem Font herausnehmen, diese in einen (eigenen Fraktur-)Font einbauen und den dadurch entstehenden »neuen« Font kostenlos auf einem Nazi-Server zum Download anbieten würde.
Lawbär
Das lustige ist ja auch noch, dass diese ganzen freien Lizenzen in Deutschland überhaupt nicht funktionieren. Ihr könnt es jetzt schön verbreiten und in nem halben Jahr gucken, wer es benutzt und dann angemessene Honorare fordern. :-S
In Deutschland kann man Urheberschaft nicht abgeben. Ist ja auch Quatsch. Ihr habt das Font gemacht. Da kann man ja nicht behaupten, dass man es nicht gemacht hat. Und schon da scheitern die freien Lizenzen aus dem angelsächsischen Raum. Ihr könnt nur Nutzungsrechte einräumen. Und die dann auch nur entweder uneingeschränkt kostenlos – ohne IRGENDWELCHE Bedingungen. Oder ihr habt Bedingungen. Bei den Bildern in dem Font räumt Euch dann das Urheberrecht eine angemessene Entlohnung ein. »Angemessen« ist irgendwo festgelegt. Selbst wenn ihr einen Vertrag über weniger Honorar als diese Liste vorschlägt macht, könnt ihr hinterher noch Geld nachfordern. Damit werden Fotografen vor Preisdrückern geschützt. Aber: IANAL
Jens Kutilek
Warum glaubst Du, daß die Lizenzen nicht funktionieren? Und wo in der hier verwendeten Lizenz liest Du, daß man seine Urheberrechte aufgibt?
Ja, genau das tut die Lizenz.
Nur, wenn es sich um Werke im Sinne des UrhG handelt. Schriftzeichen haben fast immer nicht die erforderliche Schöpfungshöhe, und durch einen Tontrennungsfilter auf Politikerfotos dürfte auch kein neues Werk entstehen.
Der komplette Font ist hingegen als Computerprogramm nach dem UrhG geschützt. Dessen Urheber kann dann auch Nutzungsrechte mit einer beliebigen Lizenz einräumen, ich sehe da insofern kein Problem.
Kenner
Ach behaltet eure Kackschrift doch einfach, wenn ihr sie nicht uneingeschränkt verschenken wollt.
Jürgen
1. Mai ist doch erst am Dienstag, Steinewerfer.
Benjamin Hickethier
tja, lieber Jürgen, wärst du mal auf der re:publica-Konferenz gewesen… ;-) ;-) Da gabs mehrere Vorträge und Diskussionen auch über creative commons, verschiedene Lizenzierungen und die Frage ob diese Lizenzen in Deutschland greifen (und dass mal jemand vor einem deutschen Gericht einen Präzendenzfall schaffen sollte, hint hint)
Christian Büning
Wo kein Kläger, da kein Richter, oder?
Maik
Auch wenn sie mit etwas Bauchschmerzen erfolgte, begrüße ich die Entscheidung und bedanke mich, auch im Namen der zukünftigen Nutzer (sofern ich für die in diesem Sinne sprechen darf). Eigentlich besonders, weil sie mit etwas Bauchschmerzen erfolgte; seine Werke der ganzen Welt zu schenken, kann ja auch Überwindung kosten und ist dann um so lobenswerter.
Daher ein Lob und Dankeschön an Fontshop und: Herzlich Willkommen in der Creative Commons-Community.
Eigentlich hasse ich das C-Wort, aber zu diesem erfreulichen Anlass ringe ich mich mal dazu durch, es zu benutzen. ;-)