Petition: RV-Pflicht für Selbstständige
Viele Designer arbeiten als Selbstständige. Ein Fontblog-Leser aus Bremen macht mich eben darauf aufmerksam, dass der von der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen geplante Rentenversicherungszwang für Selbstständige in der aktuellen Fassung für viele Kreative nicht akzeptabel sei. Darum wies er mich auf eine Online-Petition hin, die sich vielleicht noch nicht so breit herumgesprochen hat wie vergleichbare Widersprüche gegen Vorratsdatenspeicherung oder Fluglärm. Hier geht es zur Petition von Tim Wessels, die bis zum 22. Mai 2012 läuft und im Moment von 12.900 Unterzeichner hat.
12 Kommentare
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ubloc
Auf jeden Fall ablehnenswert, aber der Vollständigkeit halber sollte man trotzdem erwähnen, dass Mitglieder der Künstlersozialkasse vom geplanten Rentenversicherungszwang ausgenommen werden sollen (http://www.gruendungszuschuss.de/unternehmerwissen/geld-steuern/news/blog/das-wird-teuer-ab-2013-rentenversicherungspflicht-fuer-selbstaendige.html)
Mick
Gut, dass Ihr das hier ansprecht!
Christian Büning
Das Ziel der Aktion ist gar nicht so falsch. Viele Selbstständige, die heute von der Hand in den Mund leben, landen in der Altersarmut. Allerdings lässt das geplante Vorgehen von Frau von der Leyen jedweden Übergang, Vorbereitung oder Karenz vermissen. Man kann nicht einfach in bestehende Existenzgrundlagen eingreifen und eine willkürliche Summe per Gesetz abzweigen. Frau von der Leyen hat offenbar nicht verstanden, wie Freiberufler zweiter Ordnung arbeiten. Freiberufliche Designer sind übrigens in der KSK pflichtversichert und daher auch in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Sebastian Nagel
Als Österreicher eine Verständnisfrage: *muss* ein Unternehmer wie z.B. ein Grafiker in Deutschland gesetzlich bisher keinerlei Pensionsversicherung haben?
Wir hier zahlen ja als Selbständige per Gesetz in eine (relativ grottige und veraltete) staatliche Kranken- und Pensionskasse ein – einen im Verhältnis zu anfangs vielleicht geringen Einnahmen relativ hohen Mindestbetrag, und dann abhängig vom Einkommen mehr.
Die ersten beiden Jahre haben wir eine Befreiung davon, im dritten Jahr will die Kasse aber dann ihr „geliehenes“ Geld zurück, und das Jahr ist für viele ein harter Prüfpunkt, ob isch die Sebständigkeit überhaupt lohnt … Dagegen gibt es hier Initiativen, die das etwas „humaner“ regeln wollen, und wenn das vernünftig gemacht wird, spricht da ja nichts dagegen.
Trotzdem: in gar keine Rentenkasse einzuzahlen verleitet doch dazu, die Sache in jungen Jahren etwas zu einfach zu sehen und sich auf längere Sicht selbst zu täuschen – die Feststellung, dass man vor 15 Jahren vermutlich doch einen zu geringen Stundensatz genommen hat, weil ja eh alles easy war, kann ja auch nicht die Regel sein …
Und dass jeder für sich selbst verantwortlich ist, gilt halt solang, solange er das auch durchzieht … wenn dann Selbständige am Ende doch noch massenweise vom Staat abhängen, darf dieser auch präventiv dagegen was tun.
Johannes
Keine Frage, die geplante Rentenversicherungspflicht ist gar nicht überzeugend.
Keine Frage auch, dass es ein Problem mit der Altersarmut gibt.
Aber ist diese Petition mit ihrem ideologischen Kern des »Jeder ist allein für sich verantwortlich« wirklich eine passende Antwort? Ich habe da ganz starke Zweifel.
Für »uns« Grafiker gibt es ja seit vielen Jahren die Pflichtversicherung Künstlersozialkasse. Wäre das nicht ein Modell, das auszuweiten wäre mit der Beteiligung der Auftraggeber und Kunden?
Christian Büning
@ Johannes, das sehe ich ähnlich. Eine möglichst starke gesetzliche Rentenversicherung, in die ALLE einzahlen. Auch Beamte und Selbstständige. Allerdings mit einem geordneten Übergang und mit einem Blick für die wirtschaftlich machbaren Schritte. Einfach den Selbstständigen in die Tasche zu greifen, ist doch etwas arg schlicht gedacht.
Florian Pfeffer
@johannes
wie meinst du das? die künstlersozialkasse funktioniert doch bereits mit der beteiligung von kunden und auftraggebern? oder verstehe ich den beitrag falsch?
merz
@Florian Pfeffer
Ich denke er meinte, dass man das Modell der Künstlersozialversicherung auch für Selbstständige anderer Berufsgruppen einführen könnte. Wie das funktionieren soll erschließt sich mir allerdings nicht.
Da ich strikt gegen die Künstlersozialkasse bin, finde ich die Idee eher schlecht. Wer als Grafiker selbstständig arbeiten möchte, sollte auch »die Eier haben« entweder privat vorzusorgen oder sich freiwillig gesetzlich zu versichern – wie die Selbstständigen anderer Berufsgruppen auch. (Meiner Meinung nach würde das zu einer besseren Honorardisziplin führen.) Wer es nicht schafft seine Unternehmung auf stabile Beine zu stellen, sollte über eine Anstellung nachdenken. Die 350,- Euro für die Altersvorsorge, so wie im Gesetzesentwurf als Mindestbeitrag vorgesehen, ermöglichen einem später ein Leben knapp über der Grundsicherung – das sollte jedem klar sein.
Was mich aber an dem Gesetzesentwurf stört ist, dass die Art der Altersvorsorge auf Versicherungen reduziert wird. Es sollte aber jedem selbst überlassen sein, wie man seine Altersvorsorge gestaltet.
Eine Bürgerversicherung, in die jeder – egal ob selbstständig oder angestellt – einzahlt, könnte ich mir aber gut vorstellen.
Henning Krause
Dem Ministerium für Arbeit und Soziales auch nicht. Immerhin zahlt das BMAS einen 20%igen Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen der KSK-Versicherten. Eine Ausweitung auf alle Selbstständigen würde nicht nur sehr viel mehr Geld kosten, sondern darüber hinaus langfristig als Prämie zur Abschaffung fester Arbeitsverhältnisse wirken. Das dürfte vermutlich politisch nicht durchsetzbar sein.
Mh, ich auch. Um das Realität werden zu lassen, müsste der politische Meinungsbildungsprozess noch ein paar Hürden und Denkblockaden überspringen. Logisch wär’s.
kai
@ merz: Und wer nicht die Eier hat? Für den kommt dann im Alter der Steuerzahler auf? Dem Gesetzentwurf ist übrigens zu entnehmen, daß nicht JEDER zur zwangsweisen Rentenversicherung herangezogen werden soll. Wer bereits etwas an die Seite legt oder gelegt hat, wird von diesem Zwang befreit. Ich finde den Gedanken, den Selbständigen hier im Sinne der Allgemeinheit ein wenig in seinen Freiheiten zu beschneiden, durchaus vernünftig. Denn: Ich will mich als Steuerzahler nicht darauf verlassen, daß jeder klug genug ist, für sich vorzusorgen. Daß die meisten von uns „demnächst“ sowieso nur eine Einheitsrente bekommen und mit diesem Gesetzentwurf wohl ein neues Bürokratiemonster geschaffen wird, steht auf einem anderen Blatt. Bin übrigens selbst selbständig und in der KSK … ich weiß gar nicht, was gegen die KSK einzuwenden ist (ebenfalls @merz). Insbesondere Künstler, die kaum vor Hunger in den Schlaf kommen, können sich hier glücklich schätzen. Und da auch (oder insbesondere?!) kommerziell wenig erfolgreiche (aber manchmal umso „innovativere“) Kunst/Kultur meiner Meinung nach gesellschaftliche und förderungswürdige Relevanz hat, beteilige ich mich als Steuerzahler hier ganz gerne. Ja, ich bin selbst drin … aber mit meinen recht hohen Beiträgen unterstütze ich eher die „armen“ Künstler, als daß ich selbst etwas davon hätte. Man schaue mal nach, wo das durchschnittliche Einkommen eines KSK-Mitglieds liegt und wie sich der persönliche KSK-Beitrag zum Einkommen verhält.
Andreas
Achtung Provokation, gib mir jeden Monat 350€ und ich gebe dir vielleicht jeden Monat später ab 67, 50€ zurück.
Die gut verdienen sorgen schon für später vor, aber vielen anderen wird es das Genick brechen und sich gleich in das Soziale Wohlfühlparadies flüchten, Hartz 4!
@merz Anstellen lassen, danke für den Tipp, mach ich morgen.
@kai hoffe du wirst nicht ernsthaft Krank und belastetest uns mit 5 bis 6 stelligen Kosten, die ich aber gerne gemeinschaftlich trage!
Provo Ende …
Johannes
@7—9: Ja, ich hatte mich nicht klar genug ausgedrückt. Gemeint ist die Ausweitung des Modells KSK auf andere Gruppen der Selbständigen.
Die angebliche Selbstverantwortlichkeit — die ist doch nichts als Ideologie. Keiner ist so unabhängig von den herrschenden unbeeinflussbaren Verhältnissen, dass er sein Schicksal wirklich in der Hand hat. Deswegen braucht es unbedingt einen sozialen Ausgleich.