Pangea – die Schrift für eine bessere Welt

Ausschnitt Titelseite Pangea-Schriftmuster-PDF (18 S., 3 MB)
Was gibt es Schöneres, wenn man sich mit einer neuen Schrift beschäftigen möchte, als einen aktuellen Job, bei dem sie ihr Stärken zeigen kann. Ich sitze gerade im ICE von Berlin nach Frankfurt und bereite einen Vortrag über „Die Rolle der Schrift im Branding“ vor, den ich morgen via Zoom beim BDG Feierabend halten werde. Die 60 Folien stehen schon seit Wochen, benötigen jedoch ein wenig typografischen Feinschliff, nein: Eigentlich brauche ich eine neue, aktuelle Schrift, um den Vortrag noch überzeugender zu gestalten .
Mein Freund und ehemaliger FontShop/Monotype-Kollege Ivo Gabrowitsch hat jetzt eine eigene Foundry: Fontwerk. Dahinter steckt ein festes Team und ein freies Netzwerk aus internationalen Designern, Fonttechnikern und Marketingexperten. Viele entstammen dem ursprünglichen FontShop-Universum, das typografische Trends gesetzt und mit den FontFonts die größte Bibliothek zeitgenössischer Schriften aufgebaut hat: Andreas Frohloff (Type-Direktor), Christoph Koeberlin (Schriftentwerfer und Font Engineer), Rob Meek (Web Developer), Jana Kühl (UX/UI-Designerin), Lucy Beckley (Marketing) und einige mehr.

Vielsprachig, nachhaltig, neutral und doch emphatisch: Diese Werte hat sich die neue Sans-Superfamilie Pangea auf die Fahne geschrieben
Ivo hat mir vor 2 Wochen die neue Fontwerk-Superfamilie Pangea vorgestellt, eine Menge Bildmaterial dazu geliefert und Test-Fonts zur Verfügung gestellt (was übrigens jeder auf der Fontwerk-Website einfädeln kann). Die Geschichte wie auch die Funktionen der neuen Schrift sind derart außergewöhnlich, dass ich sie hier im Fontblog kurz zusammenfassen möchte.
Am Anfang stand die eher außergewöhnliche und doch berechtigte Frage: Kann eine Schrift die Welt verbessern? Der Schriftentwerfer Christoph Koeberlin stellte sie sich 2016, noch bevor er den ersten Buchstaben gezeichnet hatte. Seine nächste Schriftfamilie sollte nicht nur möglichst vielseitig und nachhaltig in der Benutzung sein, sondern irgendwie auch dauerhaft einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Also entschloss er sich, dass 25 Prozent seiner Tantiemen zeitlich unbegrenzt an drei internationale Organisationen gehen, die nachhaltig und im Einklang mit der lokalen Bevölkerung den Regenwald aufforsten: Green Belt Movement, Trees for the Future und Fairventures. Vor zwei Monaten konnte er bereits die ersten Spenden überweisen.
Soviel zum Ethos der neuen Schrift, die übrigen nach dem Urkontinent benannt ist, der alle im Perm vorhandenen Landmassen der Erde umfasste.

Nachhaltige Schrift für nachhaltiges Marketing: Pangea bietet einen variablen Zeichensatz, mit dem sich Marken ein unverwechselbares Profil geben können
„Pangea ist eine besondere Schrift für mich. Ich habe sie aus ganz verschiedenen Perspektiven gedacht und dabei neben Ästhetik und Typografie auch Technologie, Kultur und Nachhaltigkeit berücksichtigt.“ schreibt Christoph Koeberlin in seinem Blog über die Neuerscheinung. Er habe bei dem Entwurf von Pangea nicht vorgehabt, eine historische Schrift wiederzubeleben, obwohl er großen Respekt vor den vielen guten Revivals hat, die in den letzten 5 Jahren auf den Markt kamen. Doch mit Pangea wollte er sich so weit wie möglich von direkten Einflüssen lösen. „Was natürlich nicht heißt, dass es keine gab.“ ergänzt er. „Mehr als eine historische Schrift“ sei das Briefing für die ersten Skizzen gewesen. Koeberlin liebt die Ästhetik der eng gesetzten Groteskschriften aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, und es habe ihn gereizt, diese Kompaktheit auf eine schnörkellose geometrische Serifenlose zu übertragen.

Fünf Strichstärken von Light bis Bold bietet die statische Pangea, plus echte Kursive
Man könnte die Tatsache, dass Pangea für eine geometrische Grotesk bemerkenswert eng läuft als weitere nachhaltige Eigenschaft verkaufen, denn sowas kann Papier sparen, aber in diese Richtung möchten weder der Entwerfer noch sein Herausgeber Fontwerk argumentieren. Beide sehen diese Eigenschaft lieber als das Ergebnis eines der vielen smarten Designentscheidungen, die Koeberlin während seiner fünfjährigen Arbeit an Pangea traf. Die Konsequenz in all ihrer Kompaktheit und Geschlossenheit ist einfach nur eine herausstechende Eigenschaft, mit der Pangea der erfolgreiche Spagat zwischen enger Grotesk- und geometrischer Sans gelingt.

Platzsparend und gut lesbar auch im Mengentext: das sind die bemerkenswerten Eigenschaft der hybriden Sans Pangea
Aus diesem Ansatz heraus erklären sich auch die relativ hohe x-Höhe und die kaum geöffneten Buchstaben, sowie das bei dieser Art Schriften eher ungewöhnliche „Brillen-g“, das zweistöckige a (double-story) und das l mit Bogenabschluss. Selbstverständlich stehen auch die hierzu üblicheren einstöckigen g und a sowie einfachen l via OpenType-Alternativen zur Verfügung. Diagonale Abschlüsse und runde Punkte sorgen für ein freundliches Erscheinungsbild.

Alternativzeichen, mit denen sich Pangea individualisieren lässt: offenes/geschlossenes a, einfaches/Brillen-g, l mit und ohne Bogen, Null mit und ohne Schrägstrich
Neben der Subfamilie Pangea (Headline) basiert das zweite Familienmitglied – Pangea Text – zwar auf dem gleichen Grundkonzept der Kernfamilie, zielt jedoch auf eine bessere Lesbarkeit bei klein gesetzten Texten ab. Mit ihren größeren Ober- und Unterlängen, offeneren Formen, leichten Inktraps und ihrer großzügigeren Zurichtung ist die Textvariante die erste Empfehlung für Mengentexte, Anwendungen in kleinen Schriftgraden sowie für den Bildschirm. Nicht nur ergänzen sich beide Familien und harmonieren miteinander, die Entscheidung, mit optischen Größen zu arbeiten macht die Kompromisslosigkeit der Grundfamilie und ihr bestechendes Erscheinungsbild erst möglich.

Geht es um UX- und Web-Design, ergänzen sich Pangea und Pangea Text perfekt und sorgen für gut lesbare Texte, im Großen wie im Kleinen
Christoph Koeberlin ist nicht nur ein Gestalter besonders eigenständiger Schriften (neben Pangea auch Co-Designer der FF Mark und Fabrikat), er ist auch einer der weltweit gefragtesten Font-Techniker. Wie es sich für einen derartigen Experten gehört, verpasste er der gesamten Superfamilie eine umfangreiche Variable-Font-Version. Sie erlaubt eine stufenlose Einstellung der Schriftstärken zwischen den Extremen Light und Bold, der Ausprägungen von Ober- und Unterlängen, der Offenheit der Zeichenformen, des Spacings, der Kursivneigung und der Inktraps sowie den Wechsel zwischen den Alternativformen. Ja, Sie haben richtig gelesen: Neun Achsen setzen neue Maßstäbe auf dem Gebiet der variablen Schriften.

Diesen Variable-Font-Test-Parcours auf Koeberlins Pangea-Website dürfen sich Schriftfreunde nicht entgehen lassen
Wie bei allen Fontwerk-Schriften, die von Hause aus als Variable-Fonts zur Verfügung stehen, ist auch die Pangea Variable im jeweiligen Gesamtfamilien- oder Superfamilienpaket – im konkreten Fall in letzterem – ohne zusätzliche Kosten enthalten.
Schließlich noch ein paar Worte zu Pangeas Sprachtalent. So wie der Urkontinent Pangaea ein Symbol für das größtmögliche gemeinsame Ganze ist, steht auch die gleichnamige Schrift für globale Kooperation. Während Gergő Kókai aus Ungarn beim Design der aufrechten Zeichen half, holte sich Christoph Koeberlin für die Kursiven Tanya George aus Indien und den in Japan lebenden Gabriel Richter ins Boot. Irene Vlachou aus Griechenland, Ilya Ruderman aus Russland und Donny Trương aus den USA konsultierte er zur Sicherstellung der Qualität seiner griechischen, kyrillischen und vietnamesischen Zeichen. Die Zurichtung und das Kerning der Schrift übernahm der Italiener Igino Marini mit seiner überlegenen iKern-Technologie.
Eine breite Sprachunterstützung ist mit einem derart omnikulturellen Ansatz geradezu obligatorisch. Und tatsächlich wird neben den enthaltenen Sprachräumen Extended Latin, Extended Kyrillisch, Griechisch und Vietnamesisch bereits am arabischen Ausbau gearbeitet; Hebräisch sowie andere Sprachen sollen mit weiterer internationaler Unterstützung folgen. Die ebenfalls sich in Arbeit befindliche Latin-basierte Unterstützung indigener nordamerikanischer und afrikanischer Sprachen soll demnächst sogar kostenlos bereitgestellt werden.

Ausschnitt Präsentationsfolie, gesetzt in Pangea
Ach so, und wie hat sich denn nun Pangea beim Einsatz für meine Präsentation geschlagen? Ganz kurz: Sie erwies sich als ein vielseitiges und neutrales typografisches Wunderwerk – genau das Richtige, wenn es darum geht, die Rolle er Schrift im Branding von heute zu beleuchten.
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