Nicht lesen, nichtlesen! (2)

Immer frei­tags, zum Ausklang einer arbeits­rei­chen Woche, eine kurze Geschichte aus der lustigen Werbewelt, exklusiv verfasst und hoch­ge­laden auf Fontblog vom Berliner Texter und Schriftsteller Michael Bukowski. Los geht’s:

Berlin-Marketing

Zwar verzeichnet die Werbeagentur Auweier Unhold & Partner keinen Kunden aus dem Berlin-Marketing-Segment, aber das müsse ja nicht so bleiben, meint Grabowski. Deswegen möchte der zustän­dige Agentur-Texter Long Dong Copy doch bitte so lieb sein, und mal eben eine Stadt-Marketing-Kampagne für Berlin entwi­ckeln. Denn wenn man erst mal die Kampagne kreiert hätte, so führte der Chef seinen Plan aus, dann würde sich früher oder später zwangs­läufig auch der dazu passende Kunde einstellen.

So sei das nämlich in der Werbung, erklärte Grabowski dem alten Texter, der sehr froh war, daß ihm endlich mal jemand erklärt, wie die Werbung funk­tio­niert. Und entspre­chend moti­viert machte sich Long Dong Copy an die Arbeit. Zunächst einmal defi­nierte er dafür die charak­te­ris­ti­schen Merkmale Berlins, um die Kampagne mit Leben zu füllen. Folgendes fand er dabei heraus:

Bauamt Berlin-Mitte
Entdeckt ein Mitarbeiter des Stadtbauamts des Bezirks Mitte eine befahr­bare Straße ohne Baustelle, wird sofort gehandelt.

Berlin verkehrt
In Berlin dauert grund­sätz­lich jeder Weg und jede Fahrt genau 45 Minuten. Ob zu Fuß zum Bäcker um die Ecke, mit dem Heli von Zehlendorf nach Zehlendorf-Mitte oder mit dem Skateboard vom Kanzleramt zum Müggelsee – ganz egal: Verkehren in Berlin wird mit einer Dauer von nicht unter 45 Minuten geahndet.

Berliner Umgangsformen
Im Umgang unter­ein­ander beher­zigen die Berliner eine einfache, klare Regel: Was man auch arschig sagen kann, muß man nicht künst­lich nett formulieren.

Bier im Berlin-Verkehr
Am öffent­li­chen Personennahverkehr wieder­holt ohne Pulle oder Dose Bier in der Hand teil­zu­nehmen, gilt als Erregung öffent­li­chen Ärgernisses und wird mit der Aberkennung jegli­cher Berlin-Credibility bestraft.

Berliner Busfahrer
Berliner Busfahrer werden grund­sätz­lich beschimpft, bespuckt, getreten und geschlagen. Es kann sich zwar niemand an den Grund dafür erin­nern, aber das ist ja oft so bei alten Traditionen.

Berliner Tradition
Entdeckt in Berlin ein fröh­li­cher Stadtplaner oder ein quietsch­fi­deler Architekt eine Freifläche, wird sofort ein Bürohaus darauf gebaut, das nach der Fertigstellung zu 102% leer­steht. Ebenfalls eine alte Berliner Tradition.

Kampagne? Agentur-Oberhirn Grabowski war sehr zufrieden mit der Arbeit. Das würde ja plötz­lich streng nach geiler Kampagne riechen, meinte er. Im Bild rechts sehr schön zu sehen: Das Agentur-Team feiert schon mal prophy­lak­tisch den nahezu sicheren kommenden Etat-Gewinn im Berlin-Marketing: Stößchen!

Letztlich wäre damit auch die Schmach zu tilgen, die die Agentur vor einigen Jahren erlitten hat, als man sich um die Stadt-Kampagne bewarb, die schließ­lich zu sei Berlin führte. Auweier Unhold & Partner hatte damals diesen Vorschlag für einen Berlin-Claim vorge­schlagen: »Berlin! Aber Helmstedt soll ja auch ganz schön sei. Hihi!« Und dieser Vorschlag – stellen Sie sich das mal vor! – wurde glatt abge­lehnt. Na dann, auf ein Neues! Wir berichten weiter.

Text: © Michael Bukowsk 2010, lektuere​-fuer​-nicht​leser​.de;

Abbildung oben: © OJO Images via ZOOM @ www​.font​blog​.de

Abbildung Mitte: © ƒStop Images via ZOOM @ www​.font​blog​.de


13 Kommentare

  1. Grabowski

    Noch kein Auftrag aus dem Stadt-Marketing bei uns einge­troffen. Sehr ungewöhnlich.

  2. Grobowski

    .
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    Ja was denn nun?
    Geht das endlich mal los hier mit den Aufträgen?
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  3. robertmichael

    von mir bekommt ihr keinen.
    wo ist die lösung? klingt doch alles noch nach brainstorming?

  4. chris

    Wenn, dann ist das Stormbraining!!!

  5. Nichtleser

    … wenn das Heinz liest, hat er seine helle Freude!

    MB, dessen Wort-Spiele mit viel Witz, Charme, und Intelligenz präsen­tiert sind, erweist sich als sehr begabt. Auch wenn es sich hierbei nicht um die bevor­zugte Lieblingslektüre handelt, bedankt sich der dies­be­züg­liche Nichtleser und Kritiker von letzter Woche für das gehal­tene Wort und erhal­tene Packet. Wünsche dem geneigten Poet alles Gute und immer einen wachen Sinn – was sich bei dem Kaffeeverzehr ja von selbst zu ergeben scheint ; )

    Nun bleibt nur noch Yoga Font Jürgen zu fragen, ob er gar nicht die schlecht geti­mesden Ausreiser auf U2/U3 und der Pagina bemerkt hat. So was aber auch! Augen auf im FontFontRausch!

  6. frank bacon

    da fehlt mir irgendwie der zugang

  7. Hikaye

    nicht gelesen :-)

    Danke

  8. Donald

    ..bei dem Wort: „Stößchen!“ rollen sich bei mir die Fussnägel ein :)

  9. Michael Bukowski

    @ nicht­leser Danke sehr, das freut mich. Wegen „schlecht geti­mesden Ausreiser auf U2/U3 und der Pagina“: Das habe ich höchst­selbst zu verant­worten und nicht Jürgen. lg, mb

  10. Grabowski

    @ nicht­leser Sie werden’s nicht glauben, aber Charming Heinz kennt diese wunder­wolle Anzeige. Konzept & Text stammen nämlich aus seiner Feder. … Nee, Späßchen. Etats dieser Größenordnung konnten wir bisher leider noch nicht akqui­rieren. Aber abwarten!

  11. Michael Bukowski

    @ Donald Bei mir dagegen führt das Lesen des Wortes „Stößchen“ zu spon­taner Netzhautablösung. Aber schreiben kann ich es symptom­frei, wie Sie sehen ;)

  12. Nichtleser

    @ Bold Sievers
    Sorry Cowboy, da hatte der Sheriff wohl den Falschen im Visier.

    @ MB-Spiele (# 9)
    Wie kommt es zum leichten Hang zur Unentschlossenheit? Die Sympathie zum Unvollkommenen? Ein Ausbruch aus der perfek­tio­nis­ti­schen Agenturdogmatik? ; )

  13. Nichtleser

    @ Gra/obowski (# 10)
    Trösten Sie sich. Dafür scheinen Sie ja jetzt als Romanfigur ganz groß raus zu kommen. Frei nach dem Motto: »Früher wollte ich Koch werden, heute bin ich Astronaut – tja so zerplatzen Träume!«

    ; )

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