Nic Bourquin: Warum Designwettbewerbe frustrieren
Am vergangenen Freitag fand der 3. Creative Morning in Berlin statt (iQ-Store, Stralauer Allee 44). Der Schweizer Designer Nicolas Bourquin präsentierte fünf ausgefeilte CI-Projekte, die es bisher jedoch noch nicht an die Öffentlichkeit gebracht haben. Der Grund: Es handelt sich um fünf erfolglose eingereichte Beiträge für Design-Wettbewerbe, an denen sein Büro Onlab.ch in der vergangenen 12 Monaten teilgenommen hat … Kieler Woche, Region Stuttgart, Fondation Cartier Paris, Campus Bielefeld und Energieberg Georgswerder Hamburg (in Zusammenarbeit mit raumtaktik). Bourquins Fazit: »Ein finanzielles Desaster.« Warum die Arbeit trotzdem nicht umsonst war, das verrät unser Video von seinem Vortrag (HD, Vollbildmodus empfohlen).
Creative Mornings sind kostenlose Frühstücksreferate (engl.), 20 min lang, mit anschließender Diskussion bei – ebenfalls kostenlosem – Kaffee und Kuchen. Um den 4. Creative Morning nicht zu verpassen, verfolgen Sie uns auf Twitter (@Berlin_CM und @creativemorning), achten Sie auf Ankündigungen der Berliner CM-Event-Site oder hier im Fontblog. An dieser Stelle ein Dankeschön an unseren Video-Regisseur Robert Schatton, der auch die ersten beiden Events aufgezeichnet und geschnitten hat:
Joachim Sauter, Creative Morning Berlin #1: vimeo.com/berlincm/sauter
Human Rights Logo, Creative Morning #2: vimeo.com/berlincm/humanrights
21 Kommentare
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DanU
Danke für das Video. Immer wieder nur die Frage, warum man Leute bei internationalen Event-Reihen (zB Cm oder TED) zwingen muss, englisch zu sprechen, auch wenn es weh tut, zuzuhören. Englische Untertitel würden es doch auch tun, oder? Onlab liebe ich natürlich trotzdem weiterhin. ;)
Martin
Mal wieder ein schönes Beispiel von guten Design und schlechten Inhalten. Stadtmarketing ist nichts anderes als Standortkonkurrenz. Trotzdem schön… schön…
Jürgen Siebert
@DanU
Creative Morning ist eine internationale Vortragsserie mit dem Ziel, die Erfahrungen wegweisender (lokaler) Kreativer mit so vielen Menschen wie möglich weltweit zu teilen (Vimeo). Nicht jeder spricht so gut französisch, um Nicolas’ Vortrag in seiner Muttersprache zu folgen. Noch weniger Menschen auf der Welt sprechen deutsch. Und deshalb reden und diskutieren wir bei Creative Mornings in englisch … auch um das eigene Sprachtalent ein bisschen zu trainieren.
Ansonsten: Über das Sprachvermögen anderer machen sich gerne jene lustig, die sich selbst nicht trauen vor Publikum in einer ander Fremdsprache zu sprechen … das ist jedenfalls meine Erfahrung.
Florian Pfeffer
schade, dass der vortrag eigentlich eine portfolio-schau (schöne projekte!) war und man wenig über die wettbewerbs-politik von onlab erfahren hat. es wäre es im sinne des themas und der debatte interessant gewesen, zu erfahren, warum sie an den genannten wettbewerben teilgenommen haben (wo sie eigentlich nicht an wettbewerben teilnehmen). es wäre auch interessant gewesen, ob die wettbewerbe honoriert wurden (bei der kieler woche weiss ich, dass das so ist, weil ich selber einmal teilgenommen habe). wann nimmt man an kostenlosen pitches teil? wie kann man den fehlenden austausch mit dem auftraggeber kompensieren? welches sind die rahmenbedingungen auch für bezahlte wettbewerbe? wie kann man auf die bedingungen eines wettbewerbes als eingeladenes büro einfluss nehmen?
wenn wir darüber nicht reden (sondern trotz finanziellen desasters trotzdem teilnehmen), werden wir alle gegeneinander ausgespielt. beispiel: das zkm – unser nachbarinsitut an der hfg karlsruhe – hat 2008 aus anlass der ausstellung „neues terrain“ einen kostenlosen wettbewerb unter 25 (!) designbüros ausgeschrieben. 12 (!) haben teilgenommen … alles renommierte agenturen. gewonnen hat mario lombardo. das zkm hatte in einer pressemitteilung geschrieben, man wolle mit dem wettbewerb „jungen gestaltern eine chance geben“ … eine chance wozu?
Arne
Hhm, das hat mir das Video nicht verraten können. Soll der Lohn für die erfolglose Teilnahme an fünf Wettbewerben etwa die Beauftragung zur Erstellung von Entwürfen für drei Plakate gewesen sein? Falls in Russland hierfür exorbitante Honorare gazahlt werden, hat der Hinweis darauf gefehlt.
Florian
Diese Frage hat das Publikum auch interessiert, sie wurde in der anschließenden Fragerunde beantwortet: Die ersten Wettbewerbsanfragen kamen in einer Phase der Auftragsflaute und wurden daher als Pausenfüller und Herausforderung gerne angenommen. Als dann die Kieler Woche einlud, wollte Onlab die einmalige Gelegenheit nicht ausschlagen, denn einem solch renommierten Wettbewerb sage man nicht ab, so Bourquin. Auf diese Weise fand sich das Studio im Handumdrehen und eher unbeabsichtigt in einer Situation wieder, in der fünf zeitintensive Wettbewerbe zu bearbeiten waren. Vergütet worden seien diese, wenn überhaupt, nur mit einer geringen Aufwandsentschädigung.
Übrigens sei Onlab nicht prinzipiell gegen Designwettbewerbe, man wolle nur im kommenden Jahr eine Pause einlegen, nachdem man sich mit den fünf erfolglosen Versuchen in Folge überhoben habe.
Da Stefan
Mir reicht der Designwettbewerb bei meinen Kunden. Auch da muss ich eine gute Leistung abliefern und bekomme Kritik, die ich aufnehmen und umsetzen muss. Aber das Schönste: ich werde dafür bezahlt und meine Arbeiten sind Arbeiten aus der „echten Welt“ und werden wirklich eingesetzt. Toll, oder?
Mir kommen Designwettbewerbe entweder vor wie Selbstbeweihräucherungen der Branche oder (bei Pitches) wie billige Abzocke.
Arne
Da Stefan, ich spring Dir mal bei und oute mich hier ebenfalls: Ich mach’s auch nur für Geld.
Selbstverständlich gibt es Ausnahmen: Familie, Freunde, Ehrenamt, die gute Tat für sympathische nichtkommerzielle Organisationen. Dies natürlich nur in eng gestecktem Rahmen, denn am Ende des Tages zahle ich Miete, Klamotten, das Brot und die Butter darauf mit: Geld, richtig.
Daher gilt zuerst die Regel: Soll meine Leistung beim Geldverdienen helfen, bekomme ich was ab, sprich, diese Leistung anständig bezahlt. Seriöse Geschäftsleute haben damit auch kein Problem, Schweinchen Schlau hingegen muss woanders sein Zockerglück versuchen.
Andersrum wird ein Schuh daraus: Weil die Branche im Nebel der Selbstbeweihräucherung am liebsten mit doppelt durchgestreckten Armen ein Dauerkonzert der Ich-Hupen gibt, braucht sie auch diese Wettbewerbe als Projektionsflächen für vermeintliche Genialität wie der Junkie den Stoff.
Und Schweinchen Schlau wäre ja Schweinchen Blöd, würde es diesem fragwürdigen kollektiven Geisteszustand bei uns Designerlein nicht mit endlos wiederholten Versuchen billiger Abzocke begegnen.
Wir sind es, die unsere Perlen (in mehrfachem Sinne umsonst) vor die Säue werfen.
Vroni
:-) :-P
Lost in Translation:
Dauerkonzert der Ich-Hupen = PR?
Ratlos:
Zu PR wird immer geraten. Jegliches Akquisitonsbüchlein, das speziell für die Designerbranche ausgelegt ist, sagt: zeige dich, gehe ans Redner-Pult, gehe in Magazine, gehe in Wettbewerbe du Weichei.
Da hier jede Menge junger hoffnungsvoller Designer mitlesen:
Darf es bitte etwas mehr sein als Zyan?
Wo geht die Reise hin?
Mika
Ich habe 19min durchgehalten.
Wenn man das Ziel hat einen Vortrag in englischer Sprache „wegweisender (lokaler) Kreativer mit so vielen Menschen wie möglich weltweit zu teilen“ sollte man vielleicht jemanden den Vortrag halten lassen, der (verückte Idee, ich weiß) auch Englisch kann.
Das Ding wäre auf französisch mit deutschen/englischen Untertiteln viel angenehmer gewesen.
koni
Respekt!
Ich hab schon deutlich früher kapituliert.
Vroni
Also ich habe das komplett angeguckt.
Damit ihr einen Vergleich habt:
Sein Englisch ist deutlich besser als das des Franzosen (Art Direktor), mit dem ich (auf Englisch) ein Fotoprojekt begleiten musste. Das reine Grauen. (Das Englisch, vor allem die Aussprache dieses sonst sehr netten Franzosen.)
Und zigmal besser als das Englisch meiner damaligen Agenturleiter. Ein Doppelgrauen.
Abe wie sagt der Typ auf der jetzigen Typo London so schön:
»Pain is temporary, sucks is forever«
Ich weiß nicht, was der nette Onkel von der Typo London meint, ich meine mit sucks genauso wie Nicolas den frustrierenden Zustand der Designwettbewerbe.
Vor allem, dass es unmöglich ist, ein Projekt, das eigentlich ständigen Dialogs bedarf, zu erarbeiten auf der Basis von meist mageren, oft fälschlich in Beton gegossenen Pitch-Briefings. Und dann als Agentur alleine vor sich hin zu wurschteln. Da läuft gründlich was schief, so kann man eigentlich als Tiefendesigner (viele Corporate Design Studios verstehen sich als solche) nicht arbeiten.
Noch frustrierender, wenn man nichts von dem Kram gewinnt. Doppelfrust.
Ich fand es mutig und ehrlich, dass Nicolas Bourquin das so erzählt.
In der Branche von Design und Werbung neigen die Anbieter unisono ja sonst eher dazu, solche Kröten stumm zu schlucken, oder sie sich selbst gegenüber schönzureden oder sie gar nach außen als Erfolg umzudeuten. Merde!
Das berühmte in die Tasche lügen halt. Da sind die meisten eigentlich immer noch ganz groß. Nicolas Bourquin gefällt mir da um Klassen besser.
Man muss durchaus obacht geben, dass der »Creative Morning« kein »Creative Mourning« wird. Aber was gesagt werden muss, muss gesagt sagen. Eine Branche, die sich in die Tasche lügt, braucht das dringend. Unser Französisch ist sicher auch nicht so dolle.
Florian Pfeffer
mann, ist das peinlich, kleingeistig und provinziell wie hier zum teil kommentiert wird.
nicolas bourquin macht sich die mühe, englisch zu sprechen, damit auch nicht-deutsche zuhörer ihn verstehen (was auch sehr gut ging). das kann man einfach honorieren (und ansonsten die klappe halten). im übrigen spricht der grösste teil der menschen auf diesem planeten mehr oder weniger schlechtes englisch … lernt einfach damit zu leben oder zieht auf ein dorf, wo man nur deutsch spricht. kein mensch auf der welt will wissen, wie lange der ein oder andere das video gesehen hat. eine inhaltliche auseinandersetzung wäre für alle interessanter – aber das ist anscheinend zu viel verlangt.
Vroni
Florian Peffer, das war aber jetzt auch daneben. Und zwar voll. Warum ausschließlich ad personam und auch noch so saugrantig? Das ist ebenfalls nichts zum Inhalt.
Florian Pfeffer
vroni … du hast natürlich recht. ich entschuldige mich für den ton – ich habe mich gerade wahrscheinlich zu sehr geärgert (da soll man mit dem kommentieren warten). in der sache aber stehe ich dazu: es ist leicht, sich anonym über die angeblich (!) schlechten sprachkenntnisse von anderen lustig zu machen (und wenig erhellend für die mitlesende gemeinde). und ich bleibe dabei, dass das provinziell ist. pigeon-english ist die am meisten gesprochene fremdsprache der welt … . aber eigentlich wünsche ich mir einfach mehr interessante (!) auseinandersetzungen in diesem blog zum thema gestaltung (ich weiss, dazu habe ich gerade nicht beigetragen … ich werde mich bessern …).
Christine
Mich hätten auch weitere Hintergrundinformationen interessiert:
– wurde immer begründet, warum die Beiträge nicht gewonnen hatten?
– stimmt onlab den Begründungen und Wahl der gewinnenden Beiträge zu?
– haben die »Misserfolge« Einfluß auf den Umgang mit zukünftigen Wettbewerbsbeiträgen?
georg
5:58min
sagt er
»to work with the horse from stuttgart«
oder
»to work with the whores from stuttgart«
?
;)
koni
Ach Georg, wie
ist denn das schon wieder.
Aber, Achtung, wird noch peinlicher:
ist doch egal, ob horse oder whores.
reiten kann man beide.
(Himmel, war der mies).
georg
@koni
*ba dum dum tsss*
HD Schellnack.
Mir ist letztens bei einem Pitch, bei dem ich zu erklären versuchte, warum wir – ausnahmsweise tatsächlich, das zweite Mal in 15 Jahren – keine Entwürfe mitbringen, sondern eher ein Konzept für ein umfassendes Rebriefing vorschlagen in Form von Workshops oder Seminaren mit allen Beteiligten, um die sehr komplexe Materie gemeinsam anzugehen und die sonst in dem Bereich gegebene strukturelle Gleichförmigkeit und Langeweile der Lösungen zu umgehen, erklärt, dass man sich «externe Dienstleister» heranholt, damit diese eine Lösung entwickeln und nicht noch mehr Fragen stellen.
Dass ein Konzept, das erst einmal die richtigen Fragen stellt und beantwortet – Zielgruppen, Infrastrukturen, Angemessenheit des Corporate Design, Kommunikationsziele usw. -, geleitet von einem erfahrenen Designer eigentlich deutlich mehr wert ist als ein Out-of-the-Box-Pitchentwurf, ist anscheinend selbst mit einer umfassenden Präsentation, mit konkreten Zeitplan und Betonung der Ergebnisorientiertheit schwerer zu erklären, als ich gedacht hätte. Es scheint, als wollten die Auftraggeber bei Pitches fast bewusst «bunte Bilder» kaufen, so wie auch in der Architektur oft die große phallische Geste eher gewinnt als der tatsächlich nachhaltig gute Entwurf.
Das zu bejammern ist allerdings nicht neu – und wir wissen ja alle, worauf wir uns einlassen bei diesem Spiel, bei dem man halt mal verliert und mal gewinnt, so what.
Trauriger ist dabei eher, dass die Klienten selbst auf diesem Weg des visuell orientierten Pitches nicht die besten Ergebnisse kriegen, strukturell gar nicht kriegen können. Es ist immer so, dass Designer sich beklagen, wie blöde die Pitches für uns sind – aber die wahre Crux ist, dass dabei (nicht immer, aber oft genug) B-Lösungen entstehen (da unbezahlt, unter Zeitdruck und ohne Dialog), die dann auch noch so umgesetzt werden. Und dann wundert es nicht, wenn viel CD nach «Powerpoint-Template» aussieht.
Wichtiger also als unser Unwohlsein mit der Pitch-Kultur ist die Erkenntnis bei Auftraggebern (auch der öffentlichen Hand, die qua Gesetz auf Pitches besteht), das diese nicht zu besseren, sondern zu suboptimalen Ergebnissen führen, weil sie methodisch die wichtigste Quelle von gutem Design – die Zusammenarbeit von Anfang an – unterbinden .
Vroni
Um das zu erkennen als Auftraggeber braucht es für ihn den Vergleich und damit den berühmten Aha-Effekt:
1mal quick and dirty und ohne Dialog (unsymmetrische Pitch-Situation) versus
1mal mit Stellen der richtigen Fragen und Dialog (symmetrische Auftragsituation).
Grund: Wir Grafikdesigner und Typografen haben den Vergleich, wir erleben ihn fast jeden Tag. Diese Clienten nicht. Um überzeugt zu sein, muss man es gesehen haben.
Laut nachgedacht:
Wie wäre es, als Design-Verband so eine Side-by-side-Versuchsanordnung als Event für einen Clienten zu arrangieren, der für so etwas offen ist.
Auf die Unterschiede wäre auch ich sehr gespannt. Und darauf, ob sie Auftraggebern (und auch manchem Designer) ein Aha-Erlebnis bescheren.
Oder auch nicht.
Aus Untersuchungen weiß ich, dass den meisten Auftraggebern Feinheiten, die Designern und anderen Gestaltungs-Fachleuten wichtig sind, oft vollkommen egal sind. Das ist die deprimierende Realität.