Neuer FontFont: Mister K
Seit Monatsbeginn darf ich meine Liebe zur Schrift – Jürgen hatte das bereits erwähnt – nun als Marketingleiter der FontFont-Bibliothek ausleben. Diese wird bekanntlich vor allem mit zeitgenössischen Neuentwicklungen in Verbindung gebracht. Der neueste FontFont zeigt jedoch, dass dies die Veröffentlichung von Schriften mit historischem Hintergrund nicht ausschließt.
FF Mister K Pro: In Kürze erscheinender FontFont
Die finnische Grafik- und Schriftgestalterin Julia Sysmäläinen fühlte sich derart von den Manuskripten des Schriftstellers Franz Kafka inspiriert, dass sie beschloss, seine Handschrift mit ihren außergewöhnlich kräftigen kalligrafischen Eigenschaften zu einem Script-Font umzusetzen. Dabei meisterte die studierte Philologin die Herausforderung, Kafkas zum Teil exzentrische Buchstabenformen in einen gleichmäßigen typografischen Fluss zu bringen. Sie verpasste der FF Mister K Pro nicht nur einige hundert Ligaturen, die jeweils aus zwei, drei oder sogar vier Einzelzeichen bestehen, sondern integrierte Alternativzeichen für verschiedene Buchstabenverbindungen, um Wiederholungen von Buchstabenformen, die es bei einer echten Schreibschrift nicht gibt, zu reduzieren. Hinzu kamen hilfreiche OpenType-Funktionen wie zum Beispiel stilistische Alternativen für verschiedene Arten der Schraffierung sowie des Unter- und Durchstreichens.
Am Ende entstanden drei völlig unterschiedliche Einzelschnitte. Neben dem normalen Schnitt auch Crossout, mit dem umfangreich ganze durchgestrichene Absätze gestaltet werden können und Onstage, der noch einmal deutlich extravaganter und schnörkeliger wirkt. Mit allen enthaltenen Fremdsprachen und Features enthält allein der Standardschnitt ganze 1.517 Zeichen.
Dass man auch ganz witzige Sachen mit der FF Mister K Pro gestalten kann, beweist die ebenfalls aus Finnland stammende Designerin Oili Kokkonen.
Die Schreibschrift FF Mister K wird in Kürze im FontShop erhältlich sein. Bis dahin darf unter den belesenen Fontblogkommentatoren gern diskutiert werden, aus welchen von Kafkas Werken der Name der Schreibschrift abgeleitet wurde. Auch ein downloadbares Specimen-PDF soll die Wartezeit auf den neuesten FontFont verkürzen.
14 Kommentare
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paniel
Sehr schön!
Liz
Ist Kafka nicht der Mister K? Ist ja auch seine Handschrift. Die Schrift ist sehr schön, besonders die Schraffierungen. Kommt gleich auf die Wunschliste.
thomas | BFA
die schrift ist sehr schön. ich finds ja immer witzig, wenn man mit solchen »persönlichen« schriften dokumente ein wenig aufladen kann, das aber kodiert geschieht und nur für insider lesbar ist. wurde ja zigfach mit der rotis erprobt, mit dem kleinen unterschied, dass es nun wirklich fast jeder irgendwann »lesen« konnte, was die sache dann wiederum langweilig macht. aber so kleine seitenhiebe … ;-) muss ja nicht zwangsläufig böse oder negativ gemeint sein.
ein briefpapier für einen richter mit dieser schrift zum beispiel fände ich sehr amüsant.
renko
»Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.« Franz Kafka. Der Prozess.
Übrigens ein wunderbarer Handschriftfont. Und die digitalisierten Durchstreichungen sind natürlich auch witzig. Das erste Mal bei Nick Cooke’s Olicana gesehen. Grandios.
HD Schellnack
ich mag ja diese digitalen Handschrift-Fakes gar nicht (wieso nicht einfach selbst was schreiben?), vor allem weil sie so oft missbraucht werden (JustLefthand/ErikRighthand). Aber rein als Experiment, vom Umfang, vom Ideenreichtum und der Umsetzung her ist das ganz definitiv eine großartige Sache. Man hat fast Lust, eben NICHT selbst zu schreiben :-D
Mart
Aaah, endlich mal wieder ein Handfont – und was für Einer!
@HD Schellnack: Prinzipiell gebe ich dir Recht, selber schreiben ist schöner – aber manchmal auch verdammt unpraktisch. Aktuelles Beispiel, an dem ich gerade sitze: Ein Katalog für den Buchhandel soll gemacht werden, die Headlines der einzelnen Seiten leiten sich aus der im jeweiligen Cover verwandten Schrift ab. Leider sind Cover mit handgeschriebenen Schriften dabei – und ich darf jetzt unter Zeitdruck versuchen, diese einigermaßen originalgetreu nachzuempfinden. Natürlich stehen die Headlines noch nicht fest, also male ich brav „Lorem Ipsum“ auf dem Wacom – wohl wissend das ich da noch mal ran muss. Hmpf.
HD Schellnack
Ich kanns ja total verstehen – mein Handscript ist auch nicht unbedingt das von Ed Benguiat, im Gegenteil. Aber ganz generell ist es halt irgendwie schummelig :-D.
Trotzdem – Wunderbare Schrift, die ich abstruserweise gerade wegen ihrer leichten rotzigkeit ganz schön auf High-End-Konsumartikel (aber nicht so High-End, dass man einen Kalligraphen zahlen kann) sehen kann.
Dr. Schnuffel
Ich kann’s auch „total verstehen“, aber voll!, mein „Handscript“ ist ebenfalls nicht das von Ed Benguiat, sondern in Gegenteil, was immer auch das Gegenteil von Ed Benguiat sein soll oder mag oder wie — —
— anmerken wollte ich allerdings noch, daß nicht nur der Protagonist des „Proceß“ Herr K. heißt, sondern auch der des „Schloß“: der Landvermesser K., wenngleich, Walter Benjamin zufolge, der ausgerechnet wiederum gar kein Landvermesser ist; das ist aber wieder eine andere Frage, die wohl nur der High-End-Konsument Kafka beantworten könnte, wenn er nicht, zu seinem Glück, schon längst tot wäre und infolgedessen diesen ganzen Müll hier nicht mehr erleben muß.
Ganz definitiv:
Dr. Schnuffel
Jonathan (Weg Eins)
Schöne Schrift, und es war ja klar, dass jemand wie Kafka in einer so markante Schrift schrieb.
Schön auch das untenstehende Experiment und die Kritzleien (durchstreichen).
Meine Handschrift könnte man so gar nicht realisieren, da sie keine klare Linie aufweist und schlimmste Stilbrüche in sich hat. Mir reicht sie – trotzdem.
Jürgen
Ach herrje, Dr. Schnuffel ist wieder an Bord. Willkommen!
fjord
@ Dr. Schnuffel (#8)
Ich glaube ja, Kafka hatte eine gehörige Portion Humor und war überdies ein exzellenter Beobachter (siehe zB. die Reisetagebücher). – Hätte er geahnt, Etiketten von Konsumartikeln könnten in „seiner“ Handschrift ausgezeichnet sein (ist ja nicht wirklich seine, sieht nur so aus), hätte er sich wahrscheinlich an die Stirn gegriffen, kurz und laut gelacht und weitergearbeitet. Und so sollten wir es auch halten. ;)
Andrzej
Ach Leute, ich merk grad, ich hab mich lang nicht so auf eine neue Schrift gefreut wie auf diese hier. Wird gekooft. Und dann wird subversive Werbung damit gemacht. Kafkas Schrift soll ganz im Gegenteil auf so viele Konsumartikel wie möglich drauf. Ich will Herrn K. im ALDI-Regal sehen. Juhuu!!!
fjord
Leider, leider hab ich momentan keine Verwendung für Handschriften-Fonts. Sonst tät ich sie auch sofort kaufen. Dafür ist die zu gut!
Man stelle sich vor, Franz Kafka säße am Laptop und schriebe seine Texte direkt in seiner digitalen Handschrift. Und kicherte jedesmal, wenn er verschiedene Ligaturen durchprobierte. „So sauber schrieb ich nimmernicht, hihi.“ Und dann würde er wahrscheinlich murmeln: „Jetzt mach mir den Thomas Mann!“ Und auf einen Mausklick wechselte das Programm von „Mister K“ zu „Mister M“. Kafka nippte an seinem kalt gewordenen Kakao. „Und wenn das nun dieser Nashornjäger geschrieben hätte, dieser Hemingway?“ Klick! …
fjord
Ich freue mich jedenfalls jetzt schon auf die Mister May in den Schnitten Sure- und Shatterhand. ;)