Neue Foundry: Boutros Type – Arabische Schrift

Die arabi­sche Schrift ist eine der am weitesten verbrei­teten Schriften der Welt und blickt auf eine Geschichte von rund einein­halb Jahrtausenden zurück. Das Bilderverbot im Islam bewirkte, dass die kursive arabi­sche Schrift in kalli­gra­fi­schen Kunstwerken wie Linien verwendet wurde. Es enstanden Kalligramme, eindrucks­volle Bilder aus Buchstaben. Da in den meisten Ländern der isla­mi­schen Welt die Kalligraphie als einzig erlaubte Kunstform galt, entwi­ckelte sie im isla­mi­schen Raum auch eine beherr­schende Rolle als Schmuckelement in der Architektur.

 

FontShop: Boutros  Fonts Nask
Boutros Fonts International: Rubbelbogen mit Naskh Medium Schrift aus der acht­schnit­tigen Naskh-Pro-Familie
Sechs arabi­sche Schreibstile (‏الأقلام الستة‎) – im 10. Jahrhundert vom Wesir und Kalligrafen Ibn Muqla in Bagdad defi­niert – entwi­ckelten sich zum Kanon der sechs kursiven arabi­schen Schriftarten, von denen sich im Druck die Naschi-Schrift (Naskh, türkisch Nesih) durch­gestzt hat. (Quelle: Wikipedia)

Seit kurzem bietet FontShop die Schriften der reno­mierten Foundry Boutros International an und befragten den in London lebenden Gründer Mourad Boutros über arabi­sche Typografie und seine Arbeiten:

FS-Aktuell: Wie unter­scheiden sich arabi­sche Zeichen von den latei­ni­schen Zeichen, die wir kennen? Kann man das System vergleichen?
Mourad Boutros: Die arabi­sche Schrift lässt sich am ehesten mit der verbun­denen Schreibschrift verglei­chen. Je nachdem mit welchen Nachbarzeichen ein Buchstabe verbunden ist und ob dieser am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Wortes steht, kann derselbe arabi­sche Buchstabe bis zu vier verschie­dene Formen annehmen.
FS-Aktuell: Gibt es verschie­dene arabi­sche Schriften, wie Helvetica, Garamond oder Frutiger? Gibt es einen Trend?
Mourad Boutros: Auch im Arabischen gibt Text- und Auszeichnungsschriften. Mit anderen Worten, die Schriftenvielfalt ist ganz ähnlich. Arabische Textschriften folgen aller­dings einer ganz anderen Tradition als latei­ni­sche Textschriften. Für unsere Augen wirken die oben genanten »tradi­tio­nellen« Textschriften, wie z.B. Hevetica,  sehr modern. Gestaltet man ein an latei­ni­sche Formen ange­lehntes Gegenstück, so wird es sich nicht für Texte eignen. Arabische Textschriften erhalten bis heute die verbunden-kalli­gra­fi­sche Form der Schrift aus dem Heiligen Koran.
Für zwei­spra­chige, arabisch-latei­ni­sche Leitsysteme überall auf der Welt, haben meine Frau Arlette und ich bereits 1977 in Zusammenarbeit mit Letraset Boutros Advertisers Naskh entwi­ckelt. Sie arbeitet in perfekter Harmonie mit Helvetica und ist inzwi­schen die am häufigsten verwen­dete Schrift für mehr­spra­chige Leitsysteme, Autobahnschilder, Flughäfen, Krankenhäuser und Büros in der ganzen arabi­schen Welt. Man sieht sie zum Beispiel in den inter­na­tio­nalen Flughäfen von Dubai, den Emiraten, und von Riyadh, bei 3M, der Bechtel-Corporation und vielen bei anderen inter­na­tio­nalen Organisationen.
Das Design Boutros Advertisers Naskh basiert auf dem klas­si­schen Nasch-Stil. Es respek­tiert die arabi­sche Kalligraphie und die kultu­rellen Regeln. Die hinzu­ge­fügte Verbindungslinie, die der latei­ni­schen Basislinie entspricht, erzeugt Harmonie mit der  latei­ni­schen Partnerschrift. Das kann neben Helvetica auch Garamond, Futura oder Frutiger sein. Die leichten und mitt­leren Strichstärken sind für den Fließtext, weitere Schnitte eignen sich für Überschriften und Unterüberschriften. Die Umriss-, Schatten-und Inline-Versionen können verwendet werden, um zusätz­lich auszu­zeichnen und können viel­fältig einge­setzt werden.
Eine weitere hervor­ra­gende Schrift für den Satz von arabi­schen Zeitungen und Zeitschriften ist, aufgrund ihrer ausge­feilten Konstruktion, Linotypes Yakout des verstor­benen Walter Tracey.
FontShop: Boutros Advertising Naskh
Boutros Fonts International: arabisch-latei­ni­sches Flughafen-Leitsystem mit Boutros Advertisers Naskh und Helvetica
FS-Aktuell: Wer braucht arabi­sche Schriften in Deutschland?
Mourad Boutros: Arabische Unternehmen, die aus Deutschland handeln, inter­na­tio­nale Agenturen und multi­na­tio­nale Unternehmen, die in die Arabisch spre­chende Welt expor­tieren, brau­chen arabi­sche Schriften und typo­gra­fi­sche Dienstleistungen.
FS-Aktuell: Gibt es einen Buch, das Sie zur Einführung in arabi­sche Gestaltung empfehlen können?
Mourad Boutros: Mein eigenes, Arabisch für Designer: Als erstes seiner Art, richtet sich dieses Buch an Einsteiger in die arabi­sche Schriften- und Gestaltungskultur.
Arabic for Designers bei Amazon.deIch zeige über 200 Design-Beispiele von führenden Arbeiten aus der zeit­ge­nös­sisch-arabi­schen Typografie und dem aktu­ellen Grafik-Design. Arabisch für Designer ist ein zuver­läs­siger Leitfaden für Designer, die sich noch nicht mit arabi­scher Schrift auskennen. Mit der typo­gra­fi­schen Tour durch das Grafik-Design von Zeitungs- und TV-Nachrichten, Buchumschlägen, Corporate und Brand Identity, Logogestaltung, Anzeigen und die bildender Kunst ziehe ich einen Rahmen für Verständnis und Respekt. Die Verständigung der Kulturen ist mir ein zentrales Anliegen.
FontShop: Boutros MB
Boutros Fonts International: fünf­schnit­tige Satzfamilie MB für Anzeigengestaltung
FS-Aktuell: Welche Arbeit reprä­sentiert am besten Ihren Stil oder Ansatz?
Mourad Boutros: Jede Arbeit baut auf ein ein Konzept, wie ein Stück Kunst, und ist dabei eine bestimmte Nachricht an eine defi­nierte Zielgruppe, die einen kurzen Moment füllt. Grundsätzlich funk­tio­niert, was visuell attraktiv ist. Unsere Philosophie ist: schön zu kommunizieren.
FontShop: Boutros BBC Arabic
Boutros Fonts International für BBC Worldwide: On-Air-Familie Boutros BBC Arabic OT
Und – zugu­ter­letzt: Eine kurze Biographie über Boutros Fonts?
Mourad und Arlette Boutros haben mehr als 40 Jahre Erfahrung in der arabi­schen Typografie. Sie sind ausge­bil­dete arabi­schen Kalligraphen und spezia­li­siert auf Projekte, die tradi­tio­nelle kalli­gra­phi­sche Techniken mit modernen Technologien vereinen. Mourad Boutros ist der Autor der viel­ge­lobten Bücher »Arabic for Designers« und »Talking
about Arabic«. Die Arbeiten von Boutros Fonts finden sich in großen Institutionen auf der ganzen arabisch­spra­chigen Welt.

* * *

Links:

7 Kommentare

  1. Kurt

    Wunderschön! Schade, dass ich weder die Sprache verstehe, noch wie man mit den Buchstaben schreibt. Und sogar, wenn ich solche Schrift rein deko­rativ benutzen wollte, hätte ich immer noch den Anspruch, den ich leider nicht erfüllen kann: dass die Sätze trotzdem Sinn ergeben.

    • Kurt

      Muss man fürs Von-rechts-nach-links-Schreiben eigent­lich eine andere Tastaturbelegung benutzen, wie die für Deutsch, will man auch das große Eszett (ẞ – oops, eine Schrift, die keines hat? Oder einfach nicht einge­bunden?) und/oder das lange S benutzen?

    • Ssẞßſ

      Ich glaube mich daran zu erin­nern, dass das große Eszett hier als Zeichen schon mal darstellbar gewesen ist. Irre ich oder ist das so gewesen? Weshalb jetzt nicht mehr? Schade, schade!

  2. Curd

    Diese Daimler-Werbung zeigt mir gleich, wie schön zusam­men­hän­gende Schriften sind. Und unsere Schreibschrift will dieses Kultusministerium, das es schon lang nicht mehr geben dürfte, tilgen?

    • Nur eines stört

      mich daran, nämlich, dass man fragen kann, ob der Name eine Anspielung sein soll? – Dann hoffe ich aller­dings für alle Seiten, dass es nur ein Zufall ist und nicht Kalkül. Zusammen geht es nämlich allen besser. Nur, dass wir erst lernen müssen, was uns seit Jahrtausenden offen­sicht­lich noch immer nicht gelungen ist.

Kommentarfunktion ist deaktiviert.

<em>kursiv</em>   <strong>fett</strong>   <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a>   <img src="http://bildadresse.jpg">