Nächste Ausfahrt: Frankfurt Buchmesse (5)
Messetagebuch
Zweiter Fachbesuchertag: Noch schöneres Wetter, noch mehr Betrieb – zwischen den Hallen und in den Hallen. Ich bin seit Montag auf der 70. Frankfurter Buchmesse, weil Monotype Gast des Gastlandes Georgien ist. Wie es dazu kam und was sonst noch so aufregendes auf der Messe passiert, vor allem aus typografischer Sicht … auch heute wieder hier im Fontblog-Tagebuch.
Früh am Morgen lief ich den Studierenden der Forschungsgruppe Urban Health Games der TU Darmstadt in die Arme, die in Halle 3.0 die Barrierefreiheit der Buchmesse erforschen. Hierzu gehören, neben einem barrierefreien Musterstand, die im Projekt entwickelten Konzepte zum Barriereabbau auf dem Messegelände, wie z. B. Anpassungen beim Orientierungskonzept und Leitsystem sowie das Leiten von Besucherströmen. Am Stand kann zudem durch ein Tastmodell (Abbildung oben) die Perspektive eines Blinden eingenommen werden, der sich Orientierung auf dem Messegelände verschafft. Ein Rollstuhl vor Ort lädt Besucher zum Perspektivwechsel ein, bei dem man in die Rolle eines mobilitätseingeschränkten Besuchers schlüpfen kann.
Das Forschungsprojekt wurde 2017 ins Leben gerufen. In der ersten Phase standen drei Besuchergruppen im Fokus: Mobilitätseingeschränkte, seheingeschränkte Besucher und Familien, die mit ihren Kindern die Messe besuchen. Zu den in 2018 bereits umgesetzten Maßnahmen, die Zugang und Nutzbarkeit von Informationen und Messehallen verbessern, gehören eine neue Website, die z. B. für Lesegeräte besser auslesbar ist, sowie eine verbesserte Beschilderung und Wegführung. Auf der diesjährigen Messe wird Weiteres getestet: In Halle 3.0 wird ein Gang stellenweise fünf Meter breit sein. Zudem wird durch roten Teppichboden ein Rundgang in der Halle und in den Gängen zum Freigelände hin markiert sein, um zu untersuchen, wie sich dies auf die Besucherströme auswirkt.
Gut gestaltet, Neugier weckend: Der Stand des jungen Berliner holmVerlag. »Unsere jungen Autoren schreiben von Liebe, Freundschaft und Fantasie, aber auch von Religion, Flucht und Angst.« heißt es knapp auf der Website des Verlags, der leider nicht erklären kann, was sich hinter der Edition 24 Kisses Adventskalender verbirgt und warum diese »Bücher« diagonal abgeschnitten sind. Auch am Stand zeigte man sich maulfaul: »Wir haben schon jede Menge Komplimente dafür bekommen« wirft mir die junge und einzige Mitarbeiterin, in Stuhl sitzend, entgegen. Ich hätte gerne gewusst warum, wollte dann aber doch nicht weiter bohren.
Kurzer Einwurf: Jimi Blue Ochsenknecht kann kochen! Sein Buch heißt Kochen ist easy und ist nicht nur das erste Druckwerk des beliebten Schauspielers, sondern »ein durch und durch authentisches Kochbuch« (Verlagswerbung). Marktlücke entdeckt und gefüllt.
Die Kunst des Letterings ist jetzt in der Volkshochschule und im Wohnzimmer angekommen. Beim EMF Verlag kümmert sich inzwischen ein Team von über 40 Mitarbeitern darum, die nächsten Trends des Selbermachens aufzuspüren, kreative Autoren zu fördern, innovative Bücher zu gestalten und diese zu vermarkten. Bei den dicken Wälzer oben im Bild handelt es sich nicht etwa um einen Bestseller von EMF, sondern um deren Katalog.
Die Erfolgsgeschichte der Edition Michael Fischer begann 1985 mit dem Titel »Wie kopiere ich ein Kunstwerk« des spanischen Zeichenkünstlers José Maria Parramón. Verlagsgründer Michael Fischer, Sohn des Boje-Verlegers Hanns-Jörg Fischer, entwickelt EMF in den darauffolgenden Jahren zum führenden Verlag für Anleitungsbücher im Bereich Malen & Zeichnen. Unter seiner Leitung erscheinen heutige Klassiker wie die »Sammlung Leonardo« oder auch »Das Handbuch für Künstler«.
Habe ich eigentlich schon gesagt, dass es langsam reicht, mir diesen Handlettering-Kritzeleien‽ Nein, ich glaube, so deutlich habe ich das noch nicht formuliert. Wohin die Amateurisierung dieser Kunst führt, lässt sich wunderbar am Stand von Coppenrath & Spiegelburg beobachten, direkt neben dem Do-it-Yourself-Verlag EMF: links nachgeschlagen, rechts gleich hausgeführt. »Look poor« auf dem weißen Holzbrettt oben trifft es ganz gut. Aber es sieht sehr gemütlich aus.
Noch mehr zugeramscht ist die Sammlerecke. Das liegt aber in der Natur der Sache, denn der Shop in Esslingen bietet neue und gebrauchte Comics an. Mein Lieblingscomic »Bobo der Ausbrecherkönig« gibt es dort leider nicht. Ich verstehe auch warum: Bobo musste man sich in den 1970er Jahren selber basteln, aus einem Druckbogen im Fix-und-Foxi-Heftchen. Jedes Bobo-Comic ist ein Original, von dem sich niemand trennen möchte.
Apropos Comic: Heute hat uns ein alter Bekannter am Monotype-Stand besucht, den wahrscheinlich nur Hessen kennen, die über 50 Jahre alt sind. Onkel Otto, der Fern-Sehhund. Onkel Otto wurde 1958 das Maskottchen des Hessischen Rundfunks. Er kam im regionalen Vorabendprogramm des HR als Werbetrenner zwischen den einzelnen Werbespots zum Einsatz. Dieses Video zeigt ab Minute 1:23 die Werbe-Intros der 1960er und 1970er Jahre, untermalt von Holiday Party von Roger Roger.
[Fortsetzung folgt]
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