Meine aktuelle Lieblingsschrift

Wer sich an meine PDF-bestückten Beiträge Die 12 häufigsten Satzsünden und die Berliner-Schriftausstellung-Treppe erin­nert, wird bemerkt haben, dass ich im Moment mit einer Lieblingsschrift gestalte. Es ist die neue FF Suhmo, entworfen von Alex Rütten. Weil Suhmo alle Charakteristika einer Korrespondenzschrift aufweist, hatte ich sie auch Oliver Reichenstein für (die gestern erschie­nene) App iA Writer vorge­schlagen, wobei ich heute sagen muss: Nitti Light von Bold Monday ist exakt der rich­tige Zeichensatz für den spar­ta­ni­schen Writer, FF Suhmo wäre zu verspielt gewesen.

Ich wollte mehr wissen, über FF Suhmo und habe mir letzte Woche ein paar Informationen bei ihrem Schöpfer einge­holt. Die erste Skizze für die Schrift entstand bereits 2004 – im Aufenthaltsraum einer Jugendherberge in Frankfurt am Main. Zu diesem Zeitpunkt ging die Form der Buchstaben noch stark in Richtung Graffiti: Die Zeichen wirkten in der kräf­tigsten Strichstärke wie aufge­pustet. Die Formen waren gleich­zeitig noch sehr konstru­iert. »Die Proportionen erin­nern bisweilen an Eurostyle, obwohl das unbe­ab­sich­tigt war. Mit dem ersten Ansatz bin ich leider lange Zeit nicht weiter­ge­kommen. Und so habe ich die Papiere erst mal zur Seite gelegt.« erin­nert sich Alex Rütten heute.

Zwei Jahre später setzte er für einen Plakatentwurf die »American Typewriter« ein und war über­rascht von ihren Qualitäten als Headline-Schrift. Als kurz darauf Sony-Ericsson die gleiche Schrift für seine Handy-Reklame entdeckte, kam er erst­mals auf die Idee, seine Suhmo in diese Richtung weiter zu entwi­ckeln. Und so kramte Alex Rütten die Skizzen aus der Jugendherberge wieder aus, um sie nach und nach mit dem Typewriter-Design zu mixen. »Ich fand dass Ergebnis brauchbar. Die Zeichen wurden orga­ni­scher, die x-Höhe größer und die Slab-Serifen brachten Klarheit und Ruhe im Textfluss.« so sein Urteil in der Rückschau.

»Zu jener Zeit begann ich mich sehr für alte Neon-Reklame Schrift in Berlin zu Interessieren.« fährt Rütten fort. Besonders an italie­ni­schen Restaurants aus den 60er und 70er Jahren fand er bemer­kens­werte Schriftzüge, die häufig durch ihre skur­rilen Schlaufen auffielen. Dieses Element nahm er schließ­lich mit in das Konzept von Suhmo auf. Vor allem in den Italic-Schnitten finden sich heute einige solcher Details wieder.

Abschließend hatte ich noch einige Fragen an Alex Rütten, die er mir in einem kurzen Gespräch beantwortete:

Fontblog: Wie würdest du einem Laien den Charakter von FF Suhmo beschreiben?.

Rütten: Ihr Charakter ist aus meiner Sicht verspielt, aber gleich­zeitig funk­tional. Alle Details sind so dosiert, dass sie in klei­neren Textgrößen nicht zu sehr aus dem Textbild raus­ste­chen oder den Lesefluss stören. Ansonsten ist Suhmo freund­lich, etwas launisch, in den Italics hat sie etwas Botanisches.

Wie hat sich das Aussehen der Schrift während des Designprozesses verändert?

Im Designprozess hat sich vor allem durch das uner­müd­liche Feedback von Christoph Koeberlin bei FSI einiges getan. Viele Details, die zu unprak­ti­kabel oder zu eigen­sinnig waren, sind wegge­fallen. Zum Beispiel hatte das Q eine extra­va­gante Schlaufe, oder das J unten noch eine Serife, die der Grundlinie gefähr­lich nah kam. Eine andere Änderung war das Herausarbeiten des Wechselstrichs, da am Anfang die Horizontale noch zu stark war, so dass sie optisch zu dick wirkten. Auch die Verjüngung in den Übergängen war zu gering. Die Lesbarkeit und die Proportionen der Zeichen zuein­ander wurden mit der Zeit immer besser. Einige Großbuchstaben waren noch zu schmal, andere Zeichen liefen zu breit.

Hattest Du schon früh das Modell einer Korrespondenzschrift im Kopf?

Den Ausdruck Korrespondenzschrift höre ich jetzt von Dir zum ersten Mal, von daher kann ich die Frage verneinen. Wenn ich das jetzt richtig nach­ge­schaut habe, versteht man unter einer Korrespondenzschrift eine Schrift für den Briefverkehr, also eine Ergänzung zur Hausschrift, oder? Wird da nicht meis­tens Arial genommen?

OK, wieder etwas gelernt: So tickt die neue Generation von Schriftentwerfer. Welcher Buchstabe ist dein Liebling?

Vor allem mag ich das e, mit dem Unterbiss. Und mit der Form des a bin ich eben­falls sehr zufrieden. Mein Liebling ist viel­leicht das g mit diesem hoch­ge­klappten Ohr, das wie eine Baseballcap aussieht. Für mich haben diese Zeichen einen eigenen Charakter. Wenn ich mir die Schrift jetzt anschaue, fallen mir beson­ders die Ligaturen noch ange­nehm auf.

Vielen Dank für das Gespräch und die tolle Schrift, Alex.


9 Kommentare

  1. Niclas

    Super schöne Schrift! Danke für den Artikel :)

  2. Christoph

    Unermüdliches Feedback ist eins – es anzu­nehmen und uner­müd­lich-geduldig daran weiter­zu­ar­beiten das Entscheidende …
    Kompliment, Alex, hat großen Spaß mit Dir gemacht und ich freue mich, daß sie jetzt endlich veröf­fent­licht ist!

  3. Murphy

    Hm. Die Museo mit etwas Courier versetzt…

  4. erik spiekermann

    Die Museo mit etwas Courier versetzt…

    Nach der ausführ­li­chen schil­de­rung des entste­hungs­pro­zesses ist das ja wohl ein ziem­lich dusse­liger kommentar…
    Da ist nichts „versetzt“. Die bilder, die Alex im kopf hat, lassen sich nicht auf bestimmte vorlagen redu­zieren. Und selbst wenn ein schrif­t­ent­werfer eine andere schrift im kopf hat, wird er sie aus der erin­ne­rung immer so zeichnen, wie er sie sich ange­eignet hat, nicht wie sie „in echt“ ist. Mach mal die probe und lass einige kollegen die gleiche schrift aus dem kopf zeichnen und du wirst dich wundern, wie unter­schied­lich die ergeb­nisse aussehen.

    Auf jeden fall ist die FF Suhmo eine ganz eigene form, egal was irgend­welche neid­köppe sagen.

  5. Immer noch die gleiche Vroni

    Hach, solche rund­li­chen Outlines habe ich mir auf meine Schulbank gekritzelt.

    Man sollte wieder öfter Schriften zeichnen.

    @ erik spiekermann

    Freilich ist das eine feine Schrift.
    Dennoch blitzte mir Ähnliches wie Murphy anfangs durch meinen nichts­wür­digen Schädel.

  6. Hans Schumacher

    Mach mal die probe und lass einige kollegen die gleiche schrift aus dem kopf zeichnen …

    Herr Spiekermann, das ist eine sehr weise Bemerkung. D’accord.

    @Frau Vroni
    Humor ist wenn man trotzdem lacht … schönes WE.

  7. robertmichael

    verdammt, ich hab mich soeben verliebt! ♥♥♥♥♥
    wie bringe ich das nur meinen anderen frauen äh… fonts bei?

    mir ist die schrift schon vor wochen bei font​shop​.com aufge­fallen, eben weil sie eine art ‚frische american type­writer‘ ist, aller­dings hatte ich die black-schnitte noch nicht entdeckt. wahn­sinn! damals war sie aller­dings bei .de noch nicht gelistet, schön das sie jetzt auch hier zu haben ist. vorgemerkt…

  8. Hans Schumacher

    are friends elec­tric? sind fonts weib­lich? ich weiß ja nicht … scheint aber so. trotzdem grüsse. ciao.

  9. Detlef D. Seiner

    Das Minuskel „k“ 2010 geht ab! Und das 2010 „j“ find ich jetzt wesent­lich besser als das von 2007. Gefällt mir der Font!

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