London-2012-Logo: Freiheit nicht erwünscht
Wie reif ist der Design-Diskurs für eine demokratische Logo-Idee? Resümiert man die Debatten ( besser: das Gespött) der letzten Woche, bleibt als Fazit: Designer mögen es eher diktatorisch. Im letzten Jahr haben wir uns hier noch alle darüber aufgeregt, wie die Fifa die Benutzung des WM-2006-Logos reglementierte. Sogar den Begriff »WM 2006« beanspruchte sie als ihr Eigentum und die neue deutsche Rechtschreibung für das Wort »Fußball« wollte der Verband außer Kraft setzen.
Nun stellen das Britische Olympische Komitee und das Designbüro Wolff-Olins ein »liberales Logo« vor, mit dem alle Sportfans kostenlos und unverbindlich spielen dürfen Doch niemand möchte die neue Freiheit haben. Die Massenmedien regen sich über den Ausgangsentwurf auf, ohne in Betracht zu ziehen, dass ihn jeder benutzen soll und auch verändern darf. Der SPIEGEL entlarvt zwar die Beißwut der Branche in seiner heutigen Ausgabe mit einem Spiekermann-Zitat als »populistischen Reflex«, doch die neue Marken-Freiheit ist dem Magazin kein Nebensatz wert.
Das London-Logo ist mit einem ™ versehen, was keinen Schutz reklamiert sondern lediglich sagt, dass es einen »Eigentümer« gibt, der es als Marke versteht und in die Welt gesetzt hat. Das Fifa-Zeichen trug die beiden strengen Zeichen © (Urheberrechtsschutz inkl. ökonomischem Anspruch) und ® (amtlich registrierte Marke).
Siehe auch die Fontblog-Beiträge (chronologische Reihenfolge):
Das Olympia-Logo 2012 ist für alle da 04. 06. 2007
London 2012 will doch nur spielen 05. 06. 2007
Rückblick: Olympia-2012-Logo-Fehlversuche 06. 06. 2007
Geschenkt: London-2012-Piktogramme 07. 06. 2007
London-Monster-Logo-Video wieder da [Update] 07. 06. 2007
15 Kommentare
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stefano picco
grad bei großen sportveranstaltungen sind die menschen wie ein herde ohne ihren hirten … wenn das logo schlecht ist :)
Jürgen
Wenn das Logo schlecht ist, suchen sich die Fans einen Ersatz … zum Beispiel schwarz-rot-goldene Hawaiketten oder Flaggen ;-)
Jens
bei allem Respekt gegenüber den Designleistungen von Wolff-Olins, überzeugt mich das Designkonzept nicht so besonders.
Ok, da haben sie nun ein »demokratisches« Logo präsentiert, das in dieser Form noch nicht da gewesen ist, aber trotzdem ist der Entwurf sichtlich zu schwer und zu plump geraten. Meiner Meinung nach hat die Agentur die Aufgabenstellung nicht begriffen:
Ein bischen Streetart, ein aktueller Font und etwas 80er Retro, vermischt mit angesagten Prozessfarben. Ne, das reicht nicht – für einen lokalen Graffiti-Contest, ein Hip-Hop Festival oder ein Szene-Ereignis wäre das vielleicht noch ganz in Ordnung, aber bestimmt nicht für eine weltweite Veranstaltung, die sich durch alle kulturell nur möglichen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen zieht.
Ich verstehe auch garnicht, warum nun der laienhafte Logokonsument da draussen auf einmal das Logo demokratisch mitgestalten soll. Eigentlich kann man doch froh sein, wenn er die Finger davon lässt. Insofern ist das eher ein Schritt zurück, als nach vorne.
Da trifft das andere, zwar etwas »traditionell« aber zumindest allgemein verständlich gehaltenere Logo mit der symbolisierten Themse den Kern der Sache einfach besser. Vielleicht hätten sie die Baukastenspielerchen- Idee besser mit diesem Logo umgesetzt… :)
Jürgen
In einer Demokratie dürfen alle wählen, auch politische Laien und Spinner. Das »demokratische Logo« wendet sich also an Laien und Experten. Niemand erwartet, dass Laien am heimischen Computer den Wolff-Olins-Teig zu vollendeten Konzepten fertig backen. Das Spielen mit der Marke wird jedoch nicht verboten, wie es zuletzt die Fifa schlagzeilenträchtig praktizierte. Ich warte auf den Tag, wo ein professionelles Designbüro die Flanke von Wolff-Olins aufnimmt und unsere Augen kulinarisch verwöhnt. Dazu müssen die Wettbewerber die in der Branche hochkultivierte Eitelkeit überwinden.
flxb
Seit einiger Zeit heißt es doch in der ganzen Branche, dass es neue Formen von Logosystemen braucht. Eine neue Denkweise, ein neuer Umgang und eben keine strengen, aufgestülpten Regeln. Deshalb ist das London-Logo sehr zeitgemäß. Einzig die Farb- und Formensprache ist gewöhnungsbedürftig, und meiner Meinung nach nicht seiner Zeit voraus, sondern eher retro. Um die breite Masse an einen demokratischeren Umgang mit Design heranzuführen bräuchte man vielleicht gefälligere Formen und Farben. Wenn man zu so etwas aufruft, dann muß man auch an die Zielgruppe denken und ihr Material zur Hand geben, das sich intuitiver benutzen lässt.
robertmichael
ich glaube, es gibt wie immer 2 seiten der (vorsicht kalauer …) medaille. die einen finden das logo nicht gelungen, somit auch das komplette demokratische konzept, welches dahinter steht, quatsch. Andere sind einfach faul oder unfähig: »wie, logo selbst gestalten? och, nö … gib mal das fertige ding her – ich setz’ das hier drunter. so, fertig!«
was ich mich frage: wer soll mit dem logo spielen? redakteure? merchandise-hersteller? agenturen? die sekretärin vom IOC? mir ist das system zu undurchschaubar. nichts gegen ein dynamischens logo, welches in form verschiedener elemente und farben daherkommen soll, aber es sollten doch gewisse formen wiedererkennbar sein. für mich ist das ganze etwas zu offen. hätte man die 2012er-form in seiner ursprung behalten wäre das ganze einfacher umsetzbar, aber selbst die formen und ecken sind austauschbar. ich glaube nicht das so ein wiedererkennungswert entstehen kann, aber ich lasse mich gern überraschen.
MR
Ich find’s schade … [Kommentar auf Wunsch des Autors gelöscht]
Christian
Wir beschneiden uns doch selbst, wenn durchgeknallte Ideen immer gleich von Leuten aus den eigenen Reihen zerrissen werden. Zu sehen, dass solche Umsetzungen möglich sind lässt einen Hauch von kreativer Freiheit erahnen, der den Beruf Grafikdesign doch erst interessant macht.
MR
Mir fällt da der Beuys Satz sein … [Kommentar auf Wunsch des Autors gelöscht]
Ivo
Kurzer Einwurf zum SPIEGEL-Artikel [wenn ich darf]: Da hätte ich mir auch etwas mehr Information und Aufklärung gewünscht. Stattdessen werden bekannte SUN-Geschichten wiedergekäut und die Farbenblindheit eines der Verantwortlichen benannt. Da erfährt man im Fontblog definitiv mehr zur Sache.
robertmichael
irgendwie scheint der (das) fontblog sowieso die einzige deutschsprachige seite zu sein die das thema richtig diskutiert, wenn ich mir im gegenzug die unqualifizierten beiträge und vorallem kommentare in anderen blogs anschaue. das ist eher traurig.
jamie
ich glaube, die meisten Designer vergessen, dass jeder Mensch ein visuelles Wesen ist. Den grössten Teil unsere Umgebung erfassen wir visuell. Trotzem ist nicht jeder Mensch, der visuell etwas auf sich hält, ein Designer. Aber viele setzen sich ständig mit dem »Guten Geschmack« auseinander. Logisch, dass da jeder schnell mit einer Meinung parat ist. Diese Meinung muss auch respektiert werden.
Trotzdem: Geschmack bleibt relativ. Über das Handwerkliche kann man streiten – denn es bleibt messbar. Handwerklich hat sich Wolff-Olins nichts vorzuwerfen. Die Idee und die Umsetzung bleibt solid und nahvollziehbar.
Oft hab ich hier das Gefühl es wird bei so einer Debatte mit dem Bauch geredet und anschließend intellektuell ausformuliert.
Ein bisschen mehr Auseinandersetzung (auch in zeitlicher Hinsicht) wäre lobenswert. Nicht immer gleich poltern. Dreimal tief einatmen, Tee aufsetzen und nachher erst loslegen.
markus
zu beginn ueberrascht, glaub ich nun, das londonlogo wird funktionieren. die praesentationen wirken zwar aggressiv aber dem stadtbild von london2012 wird die aesthetik gut passen. dass es zur freien verwendung unentgeltlich zur verfuegung gestellt wird, ist auch ein ausdruck von macht und erweitert das einflussgebiet natuerlich. fuer diese anwendung waeren die lachenden koepfe der wm 2006 zb voellig ungeeignet gewesen. jedes kind wird das london-logo sobald ein wenig olympiabedeutung verknuepft ist gerne auf die schultasch pappen.
bemerkenswert ist, dass es bereits alternativ-logo wettbewerbe gibt, und jeder einzelne alternativ entwurf ist eine katastrophe. genauso wie bei der 11designer geschichte ausschliesslich unglueckliche unbrauchbare ansaetze zu sehen waren.
der erschrocken-abwehrende reflex der meisten weblogs war fuer mich ueberraschender als das logo selbst. da schwingt wohl viel normative olympia-tv-nostalgie mit.
Johannes Brückner
Die Idee für ein „demokratisch“ gestaltetes Logo finde ich grundsätzlich gut. Wenn es brauchbare Ergebnisse geben soll, müssen aber auch die Vorgaben stimmen. Die bisherigen Ergebnisse lassen auf jeden Fall zu wünschen übrig (siehe http://www.london2012.com/joinin/create/gallery/index.html) und das PDF zum Bearbeiten beinhaltet lediglich ein paar Felder zum ausmalen.
Die Reaktionen auf das Ausgangslogo finde ich teils berechtigt. Immerhin sollte es schon zu der Aufgabe von Wolff Olins gehören (die ich im Übrigen eigentlich sehr schätze), einen Vorschlag zu bringen, der die Leute mitreist. Gerade wenn es sich um eine Idee handelt, die dann von allen modifiziert werden soll.