Kyrillisch für alle

Wer nie in der Schule (oder im Leben) mit der kyril­li­schen Schrift in Berührung kam, der weiß viel­leicht – dank der Scorpions und ihrem »Wind of Change« –, dass Moskau von den Einheimischen »Moskva« genannt wird, trotzdem lesen wir Nicht-Kyrillen ein Москва́ einfach nur »Mockba«, und kriegen die Verbindung zur Originalaussprache nicht hin.

Als Kind bekam ich mal eine Langspielplatte des Sängers Iwan Rebroff geschenkt, der eigent­lich Hans Rolf Rippert hieß und Deutscher war, aber unter seinem russi­schen Künstlernamen mit dem Singen tiefer Weisen Ende der 60er Jahre Millionen verdiente. Auf dem Cover stand sein Name in kyril­li­schen Schriftzeichen, also statt Ivan Rebrow war dort Иван Ребров zu lesen, und so war er für mich immer jahre­lang der »Peopopp«.

Damit sich diese Leselücke schließt, haben die Schriftentwerfer Marija Juza und Nikola Djurek jetzt einen Font heraus­ge­bracht, der als Lern- und Lesehilfe verwendet werden kann. Wie der oben einge­bettet Film zeigt, verbindet die Schrift Balkan Sans latei­ni­sche Zeichen und die kyril­li­schen Gegenstücke zu einem Zeichen mit zwei aufein­ander stehenden Buchstaben. Sind kyril­lisch und latei­nisch iden­tisch, wie beim M, erscheint nur ein Zeichen, dieses aber doppelt so hoch. Ein wunder­bares typo­gra­fi­sches Spiel, für das es vom Type Directors Club New York (TDC) jüngst eine Auszeichnung gab.

 


11 Kommentare

  1. André

    sensa­tio­nell

  2. Kurt

    Schöne Sache! Funktioniert problemlos wahr­schein­lich nur mit der engli­schen Transskription des Kyrillischen. Schon die fran­zö­si­sche ist anders und über die heutigen deut­schen Varianten möchte ich gar nicht erst nach­denken. da bekomme ich Kopfschmerzen.

  3. Philipp

    Hallo,

    Als Ich das gelesen habe musste Ich erhr­lich gesagt lachen. Das erin­nert mich an meine Kindheit. Meine Mutter war 1993 oder 1994 auf einem Konzert von Ivan Rebroff. Sie hatte damals ein Plakat mit original Autogramm von ebens­elbem ergat­tern können. Darauf stand dessen Name in deutsch und eban auch auf kyril­lisch. Dieses Plakat hängt bis heute, also fast 20 Jahre, bei meiner Mutter an der Badezimmertür auf dem Dachboden, welches zwischen dem Schlafzimmer meiner Eltern und meinem Kinderzimmer liegt. Jedesmal wenn Ich also in meinen jungen Jahren dort oben auf dem Klo hockte musste Ich darüber nach­denken was das mit eben besagtem „Peopopp“ auf sich hatte. Es sollte noch Jahre dauern bis Ich das kapiert hatte…

    Viele liebe Grüße aus Kaiserslautern

    Philipp

  4. Jürgen Siebert

    Danke Philipp, ich bin erleich­tert, dass ich mit meinen Erinnerungen an Iwan Rebroff nicht alleine bin.

  5. noch ein philipp

    Mir ging’s umge­kehrt, als ich bei Griechenlandurlauben meiner Kindheit σνιτσελ (snitsel) auf der Speisekarte fand. Dafür hatten die mich in der Schule bestimmt nicht mit altgrie­chi­schen Akzenten traktiert.

    Gruss aus München

  6. Christoph Päper

    Dass das besser in der Richtung vom Kyrillischen ins Lateinische funk­tio­niert merkt man bspw. am Ende des Videos, wo „.COM“ mit „.ЦОМ“ statt „.КОМ“ kombi­niert wird.

  7. Andreas Stötzner

    Wie funk­tio­niert es aber, wenn z. B. für das kyrill. Ш das engli­sche SH oder gar unser SCH einge­setzt werden? Extrem: die Endung -tzsch wäre im Kyrillischen ein einziges Zeichen: ч. Großzschocher – Гросчохэр, das sind 13 zu 9 Zeichen … Dafür habe ich keine Beispiele gesehen.
    Die Idee ist reizend, aber da es von einem Schriftsystem zu einem anderen keine 100%ige Zeichenentsprechung gibt, dürfte es schwierig durch­zu­halten sein.

  8. Christine

    Besonders nütz­lich ist dieses Schriftsystem für Länder, in denen sowohl Kyrillisch wie auch Lateinisch genutzt wird, zum Beispiel Serbien. Dies war zentrales Konzept und Zielgruppe des Projekts.

  9. frank

    In Wismar sah ich vor einiger Zeit im Schaufenster folgendes Schild:

    „Вэр дисэс лэсэн…“ (ich schreibe es mal in latei­nisch weiter:) „kann, ist kein думмэр
    Вэсси.“

    Fand ich gut.

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