Kaffeesahne von Yanone: die neue FF Kava
(Foto: Fancy @ ZOOM, Montage: Fontblog)
FF Kava – die neue, professionelle OpenType-Schriftfamilie von Yanone – ist der dritte FontFont-Neuentwurf in unserer kleinen Serie zum jüngsten FontFont-Release Nº 49 (siehe auch Wie die FF Unit-Slab-Schriftfamilie entstand und FF Duper – ›Mein Buchstabenkarussell dreht größere Runden‹). Yanone, 1982 in Dresden als Jan Gerner geboren, ist wahrlich kein Unbekannter in der Schriftszene, und das hat auch mit Kava zu tun, denn die Kava-Familie ist die Weiterentwicklung seines Free-Fonts Kaffeesatz, der weltweit im Einsatz ist.
Yanone lebt heute unweit von Weimar, wo er als Designer und Schriftentwerfer, Multimedia-Künstler, Discjockey und Sound-System-Operator tätig ist. Nachdem er 9 Jahre seiner Kindheit in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens verbracht hat, kehrte er 1997 in das wiedervereinigte Deutschland zurück, wo er die Schule abschloss. Im Alter von 14 Jahren setzte ihn sein Vater zum ersten Mal vor einen Computer, um ihm die Programmiersprache Pascal beizubringen. Das weckte sein Interesse an der Informationswissenschaft. Die Gestaltung eines Jahrbuch anlässlich seines Abiturs 2000, brachte ihn erstmals mit Grafikdesign in Berührung. 2002 begann Yanone sein Studium an der Bauhaus Universität in Weimar, das er vor einem Jahr in Amman (Jordanien) abschloss. Zuvor absolvierte er ein Praktikum bei FSI FontShop international, Herausgeber der FontFont-Schriftbibliothek.
Yanone 2009 (Foto: Michael Ott)
In Amman arbeitete Yanone eng mit Ahmad Humeid zusammen, Sprecher auf der TYPO Berlin 2001 Brands und Geschäftsführter des Designbüros Syntax. Das war gerade mit der Entwicklung eines neuen Corporate Designs für die jordanische Hauptstadt beschäftigt. Jan brachte sein Font-Know-how mit ein und entwickelte für das CI von Amman eine Schriftfamilie mit 22 Fonts: arabische plus lateinische Schriftzeichen, gerade und kursiv, Sans und Serif. Zum ersten Mal wagte sich ein Schriftentwerfer an eine kursive arabische Schreibschrift. Die Familie wird 2010 in der FontFont-Bibliothek unter dem Name FF Amman erscheinen.
Kaffeesatz im Packaging-Einsatz: auf dem Kürbiskernöl in der Steiermark und den Laugenbrezeln von Ditsch
Kaffeesatz im Plakat-Einsatz: in Frankreich, Deutschland und Neuseeland (McDonald’s)
FF Kava kam 2004 als Yanone Kaffeesatz zur Welt. Es war Yanones erste zu Ende entwickelte Schrift, denn er war noch ein Fontlab-Anfänger. Der fette Schnitt war eine Reminiszenz an die Kaffeehaus- und Kaffeemarkentypografie der 20er Jahre, während der sehr leichte Schnitt die Brücke zur Neuzeit schlug. Weil er unsicher war und noch wenig Erfahrung mit der Font-Szene hatte, entschloss sich Yanone, die Schrift als Free-font in die Welt zu setzen. Schon bald stellte sich dies als die beste Idee heraus, denn binnen weniger Monate verbreitete sich der Font tausendfach und bescherte Jan internationales Interesse. Allein von seiner eigenen Webseite wurde der Fonts über 100.000 mal geladen. Er ist auf der ganzen Welt zu entdecken, von den Malls von Dubai bis zur McDonald’s-Straßenwerbung in Neuseeland.
Zur Bekanntheit der Schrift trugen auch Zehntausende Flickr-User bei die protestierten, als der Bilderdienst vor zwei Jahren in Europa eine Zensur einführte (Fontblog berichtete: Flickr-User gehen auf die Barrikaden). Sie drückten ihren Unmut mit der oben abgebildeten Hinweistafel aus – gesetzt aus Kaffeesatz, die entweder als Profilbild verwendet wurde oder als dauerhafter letzter Upload.
Die neue FF Kava ist eine komplette Überarbeitung und Erweiterung des Free-Font-Klassikers. Der auffälligste Unterschied ist der Black-Schnitt, den Yanone schon zu Kaffeesatz-Zeiten gerne gemacht hätte. Weniger auffällig ist der Ausbau zur professionellen OpenType-Familie, mit umfassender Sprachunterstützung, integrierten Kapitälchen, diversen Ziffernsätzen und allem Zauber, den man von OpenType-FontFonts gewohnt ist.
Darüber hinaus bügelte Yanone 5 Jahre nach Kaffeesatz viele Ungereimtheiten glatt, über die er sich damals gar nicht bewusst war. Erst dadurch passierte FF Kava die strengen Augen des FontFont-Typeboards und durfte sich nun Auge in Auge in die Riege von Klassikern einreihen, zu der auch FF Dax gehört, eine Schrift, die Kaffeesatz sicherlich beeinflusst hat. FF Kava ist jetzt ein professionelles Werkzeug, was Kaffeesatz nie war – außer in der weltweiten Verbreitung.
Für die Experten unter den Fontblog-Lesern sei noch auf einige Änderungen im Detail hingewiesen, die den Charakter der Schrift – im Großen – in ein neues Licht rücken.
Obwohl die Strichenden der Kaffeesatz (links) an einer Ecke gerundet waren, stehen die Buchstaben auf flachem Fuß. Kennzeichnend für die neue FF Kava (rechts) sind gewichtete, bogenförmige Strichenden, die der Schrift einen lässigeren Auftritt verleihen. Ein weiteres Detail, unsichtbar für Laien aber gravierend für das Schriftbild der FF Kava, ist die Ausführung der Kurven. Yanone gibt heute zu, dass er 2004 als Autodidakt keinen »blassen Schimmer« davon hatte, wie man ordentliche Bézier-Kurven zeichnet. Ergebnis: Die Strichenden der Kaffeessatz-Buchstaben sind im Ungleichgewicht, die Grundlinie »tanzt«. FF Kava hat korrigierte Strichenden, mit Überhang und gleich gewichteten Ecken.
Ein anderes Problem bei Kaffeesatz waren die Versalien, denen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die einzelnen Buchstaben an dieser Stelle zu vergleichen würde hier zu weit führen. Yanone beschreibt es so: »Die Großbuchstaben waren nicht harmonisch komponiert und bestimmte Formprinzipien hab ich nicht eingehalten. Schließlich baute ich das gesamte Versalalphabet von Grund auf neu, mit ordentlichen Proportionen, einheitlichen Innenräumen, Ink-traps und vielen Verfeinerungen.« Dabei entdeckte er sein Faible für Buchstaben mit niedriger Taille, ein Stilmittel, dass er auf alle Versalien anwendete.
Bei den Kleinbuchstaben der FF Kava (schwarz) änderte Yanone unzählige Details. Einige dienen der besseren Lesbarkeit – wie zum Beispiel beim l –, andere überarbeitete er aus ästhetischen Gründen, zum Beispiel k, g und y.
FF-Kava-Poster, entworfen von Yanone, für das 24. Bundestreffen des Forum Typografie in Weimar, 17. – 20. September 2009
Zum Schluss werden sich manche fragen: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem alten und dem neuen Namen von Yanones jüngster Schrift? Ursprünglich sollte sie ja Kaffeesack heißen. Ein Freund brachte Yanone beim Frühstück auf den Namen Kaffeesatz, ein Wortspiel, denn es bezeichnet nicht nur den Rückstand des beliebten Bohnengetränks sondern enthält auch das Wörtchen »Satz« wie (Text) setzen. Natürlich suchte Yanone auch für seine neue Schrift nach einem einprägsamen, knackigen Namen mit indirektem Bezug zu Café oder Essen. Er griff auf das arabische Qahwah zurück, das wie Kava klingt und etymologisch als das Stammwort für Kaffee gilt. Cava ist aber auch das katalanische Äquivalent zum französischen Champagner – eine Wortverbindung, die Yanone ebenfalls als passend für seine neue Schrift empfindet.
FF Kava probesetzen:
27 Kommentare
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Pascal
Im direkten Vergleich mehr „Handschrift“, etwas runder und legerer.
Trotz der kleinen Fehler gefällt mir im Gesamteindruck die Kaffeesatz aber besser. Vor allem das Versal-I mit Serifen gefällt mir bei der Kava leider gar nicht.
Daniel
Tolle Überarbeitung, bemerkt man sofort. Viel Erfolg damit!
robertmichael
ich liebe die neuen caps, vorallem das A. nur den mittelstrich beim G vermisse ich etwas. trotzdem glückwunsch – eine solide arbeit. danke fontblog für die schöne zusammenfassung. hoffe wir sehen uns mal wieder, yan :)
Christian
Glückwunsch, schöne Überarbeitung. Hab die Schrift letztes Jahr im Einsatz für den Kinder- und Jugendbuchpreis Deutschlands gesehen.
Keinen Zucker oder Milch, die ist schwarz am besten. :-)
Martin
Super Schrift, noch bessere Überarbeitung, toller Artikel, Jürgen.
Alles in allem ein rundes Ding; sehr gelungen. Wegen solcher Artikel mag ich das Fontblog. Danke.
Uans
Wirklich eine tolle Schrift.
Nur les ich dauernd DANONE statt yanone.
bennyd
I♥
YN
hier schon im Einsatz gewesen und gezeigt, was sie kann…
http://www.typogravieh-lebt.de
bin überzeugt das ist ne ganz Große!
benny
Henning
Ah – meine flickr Kampagne von damals wurde ausgegraben – da kommt der Revoluzer in mir wieder hoch ;)
Wenn das Bild schon zur Verbreitung der Schrift beiträgt, würde ich mich auch über eine rechte Verlinkung des Bilds freuen – wie es die Lizenz sagt:
Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.en
Quelle: http://www.flickr.com/photos/atomtigerzoo/543864623/
Dankeschön!
stefan niggemeier
es gibt da auch dieses kleine blog, das vom ersten tag an stolz den kaffeesatz im kopf trug: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/
Marc
ich muß – leider leider – dem ersten Kommentator recht geben. Sogut ich verstehen kann, daß Yanone von dem berechtigten Hype um seine Schrift profitieren will, so sehr ist dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt.
Die Kaffeesatz ist nun einmal der Knaller der letzten Jahre gewesen und vermutlich die erste OSS-Schrift, die von kommerziellen Schriften plagiiert wurde und nicht andersherum.
Dieser Erfolg läßt sich aber so nicht wiederholen oder gar toppen. Bitte, bitte lieber Yanone, verkomm nicht zu einem one-hit-wonder, das sich immer wieder selbst kopiert. Ich würde Dir sehr wünschen, daß Du Dein einmaliges Talent auch kommerziell erfolgreich verwendest, aber das wird nur gelingen, wenn „die nächste“ Top-Yanone-Schrift etwas komplett anderes ist. Das Zeug, damit wieder einen Trend zu setzen, hast Du allemal.
Jürgen Siebert
@Henning: Vielen Dank für das Nachliefern von Credit und ©.
Jean-Baptiste Levée
Es wurde toll gewesen, wenn das Bild fürs Franzosisches Anwendung das Proper Kredit hätte ;)
Heinrich
glückwunsch yanone! gut geworden.
Ahmad Humeid
Thanks for this great blog post.
Yanone, for me, represent the coming-of-age of the 21st century designer. Aesthetically accomplished yet also technically super-geeky. In other words a designer in full control of his tools and media. I am delighted to see Kava come out commercially. And we had great fun with Yanone creating the Amman font family, which now can be seen all over Amman.
It personally satisfies me to have been able to curate this cross cultural experiment in type!
Yanone
Vielen Dank für den tollen Artikel und die Blumen.
Nein, ja, ich verspreche hoch und heilig: Ab jetzt kommen nur noch neue, originale Entwürfe. Aber dass die Kaffeesatz irgendwann mal zum Geldverdienen rausgeschickt werden würde, war doch abzusehen, oder? Ich meine, zum Glück muss ich sie nicht in die Fußgängerzone zum Betteln schicken. Sie hat gezeigt, was sie kann, und muss jetzt für Vati mal die Brötchen holen.
Und außerdem wird die Kaffeesatz für alle unverbesserlichen Enthusiasten ja weiter erhältlich sein. Der Fortschritt der Kava in Ästhetik, technischem Unterbau und Umfang ist so groß, dass ein Nebeneinanderexistieren gerechtfertigt ist. Eine wahrlich professionelle Anwendung bedingt einfach eine andere Art Schrift, eben einen Pro Font. Und gestalterisch gesehen war ich total überrascht, was aus dem alten Entwurf noch so alles rauszuholen war. Eigentlich hatte ich die Kaffeesatz längst dem alten Eisen zugeordnet, und freue mich, sie nun in neuem Glanz strahlen zu sehen.
Lards Harmsen
well done, yanone!
auch schönes foto von dir!
werden mal die tage ienen kleinen link in slanted setzen.
hättest uns ruhig mal informieren können :-)
Friedrich Dengeler
Kaffeesatz hat mir von Anfang an gut gefallen! Ich finde gut, dass sie jetzt in einer professionellen Variante herauskommt. Das ist, bei diesem Erfolg, eine logische Weiterentwicklung, zu der ich viel Erfolg wünsche. Auch wenn ich FF Kava nicht benutzen werde ;-) Eine schöne Geschichte, die auch sehr schön erzählt wurde!
Joshua K.
Die neue 7 sieht ja grausam aus.
Indra
(und ratet mal, wer das Bild aus Neuseeland mitgebracht hat :)
Jan ist ein ganz toller Schriftgestalter, auch wenn ich die Überarbeitung nicht unbedingt gebraucht hätte. Ich mag das alte a, die kantigen, manchmal vielleicht nicht so politisch, eh technisch korrekten Beziér-Kurven etc., Kava ist mir fast schon zu ästhetisch und smooth. Und vor allem komme ich nicht über das g hinwe
Hans Schumacher
Das Konsortium Berliner Provisorium bedankt sich für eine Handvoll passender Versalien, gratuliert und wünscht viel Profispasz!
rebus
wie unterschiedlich geschmäcker sein können: aus meiner sicht hätte die lücke zwischen dax und comic sans nicht geschlossen werden müssen.
Ivo
Hier mal noch eine kleine Illustration zur Verdeutlichung, was die Überarbeitung auch im Zeichenumfang bedeutet:
Christian
@ Ivo: schöner Vergleich, nur der NEW-Störer sieht so aus, als ob die wenigen Glyphen das Neue wären. :-]
Ivo
Stimmt. Den Störer hätte man auch weglassen können. Zur Not muss man dann eben unten die Schriftnamen lesen ;)
Yanone
Die Mischung aus Dax und Comic Sans! Das ist es: Die Identität der Kava bzw. Kaffeesatz, nach der ich schon immer gesucht habe. Danke, rebus :)
Jürgen Siebert
@Ivo: Das kommt davon, wenn man sich gegen das Gewohnte auflehnt: alt gehört links, neu gehört rechts! Anders herum will ich das Bild nicht verstehen. Wachsender Baum, nicht sterbender Baum. Alexander: Machst Du – exklusiv für Fontblog – noch mal eine vertauschte Version?
Ivo
Exklusiv für Fontblog wurde die Grafik noch einmal überarbeitet.