Ist Mister K die neue Zapfino?
Diese Frage ist mindestens so sinnvoll (oder dämlich) wie: Ist Duffy die neue Amy Winehouse? Jeder sieht den Unterschied, jeder hört ihn … warum also diese Vergleiche? Ganz einfach: Weil man nichts dagegen tun kann. Unser Gedächtnis, unsere Wahrnehmung ticken so. Die Experten nennen das »Lernen am Modell« oder »Beobachtungslernen«. Alles Neue, was der Mensch erkennt, versucht er in die vorhandenen Regale des Gelernten abzulegen. Und so erging es mir, als ich die Weihnachtskarten von FSI und FontShop sah.
Jeder sieht, dass FF Mister K eine ungekünstelte Schreibschrift ist, während Zapfino als kunstvolle Federschrift angelegt ist. Zu Recht enthält ihr Name das italienische Wort für »fein«, die feine Federschrift von Hermann Zapf. Formal gibt es kaum Gemeinsamkeiten zwischen beiden, außer dass es verbundene Schreibschriften sind, die ein handgefertigtes Vorbild in guter Qualität digital simulieren.
Warum gibt es überhaupt digitalisierte Schreibschriften? Zwei Gründe: Erstens hat nicht jeder eine schöne Handschrift und zweitens fehlt vielen die Gerätschaft bzw. das Know-how (ganz sicher auch die Zeit), um die eigene Schrift zu scannen und so digital aufzubereiten, dass sie mit der gleichen Flexibilität in Photoshop weiter verarbeitet bzw. korrigiert werden kann wie andere grafische Elemente. Stichwörter: verlustfrei skalierbar, positiv, negativ, farbig u. ä.
Zapfino feiert in diesen Tagen ihren 10. Geburtstag. Ihrem Durchbruch verhalf die Tatsache, dass sie 2000 von Apple in die Grundausstattung des neuen Mac OS X aufgenommen wurde. Aufgrund ihrer Ausschmückung mit bis zu 8 Varianten pro Buchstaben und einer Ligaturautomatik konnten Apple-Vorführer auf Betriebssystemebene demonstrieren, wohin die Zukunft des digitalen Schriftsatzes gehen wird – lange bevor OpenType auf den Computern der Designern lief: automatische Buchstabenverbindungen, ja das Wort »Zapfino« verwandelte sich sogar in einen geschlossenen Schriftzug, sobald man das letzte o getippt hatte.
Trotz der neuen technischen Möglichkeiten sehen in den darauf folgenden Jahren aus Zapfino gesetzte Grußkarten, Weinetikette oder Logos seltsam einfallslos und mechanisch aus. Der Grund liegt in der etwas aufwändigeren Bedienung der Schrift (man könnte auch sagen an der Faulheit der Benutzer). Ihre wahre Größe entfaltet Zapfino erst, wenn man sich manuell aus den Glyphenvarianten bedient, 8 unter OS X und 10 bei der Zapfino OpenType. Tatsächlich stecken im Zapfinozeichensatz mehrere tausend Glyphen, die entdeckt und kombiniert werden wollen. Wer seinen Gruß einfach so in den Computer tippt, nutzt weniger als 5 % der Schrift. Und genau das ist der Grund dafür, warum sich inzwischen viele Typografinnen und Typografen an der Schrift satt gesehen haben.
FF Mister K arbeitet mit der gleichen Technik wie Zapfino, die sie aber auf andere Art nutzt. Ihre Stärke sind Hunderte bedingter Ligaturen. Dir Schrift ist vollgepackt mit fest verknüpften 2er-, 3er- und 4er-Buchstabenverbindungen. Dazu gibt es nur 1 (!) Set mit Glyphenvarianten, die man konsultiert, falls die Automatik hier und da mal ein unbefriedigendes Ergebnis liefert. Für Schwungbuchstaben steht ein zweiter Zeichensatz zur Verfügunge, der On-stage heißt. Ergebnis: FF Mister K liefert ganz automatisch ein abwechslungsreichen Schriftbild, das nur an wenigen Stellen korrigiert werden muss.
Julia Sysmäläinen, die Designerin von Mister K, war es, die auf diese Organisation ihrer Schrift bestand. Und die FontFont-Techniker bei FSI haben ihre Wünsche vorbildlich umgesetzt. Julia ist keine hauptberufliche Schriftentwerferin, sondern arbeitet als Kommunikationsdesignerin bei EdenSpiekermann. Daher kennt sie das Verhalten von Schriften und was sie dabei stört aus alltäglicher Erfahrung.
Wenn es also zwischen Mister K und Zapfino formal kaum Ähnlichkeiten gibt, wenn sie sich zudem – bei gleicher Technik (OpenType-Programmierung) – unterschiedlich benehmen … warum soll dann Mister K die neue Zapfino sein. Ich glaube, wir werden ihr bald in vielen Anwendungen begegnen, wo Zapfino bisher die falsche Wahl war. Oder wo Zapfino einfach nur lieblos angewendet wurde. Der Hauptgrund für die Benutzung beider Schriften ist nazu identisch: Designer wünschen sich eine persönlich anmutende, verbundene Schreibschrift, die nicht nach Computer aussieht. Aus technischen Gründen könnte FF Mister K hier zu schnelleren Erfolgserlebnissen führen.
21 Kommentare
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Liz
Treffer für „Mister K“: 11. Treffer für „Mister K ist die neue Zapfino“: 0. Oder hat das wirklich jemand behauptet? Und wenn schon. Gähn.
Christoph Koeberlin
… mit dieser Technologie schaffen es sogar die Prosiebensat1-Designer, doppelte Glyphen zu vermeiden:
Die neuen Popstars „Queensberry“ (Studio Lettering Swing)
Ein Hoch auf OpenType!
Pascal
Bitte-JA!
Boris Noll
Im Prinzip ist die Zapfino eine schöne Script leider ist der verhunzte Schnitt auf den Apple Systemen nicht zu gebrauchen.
Heinrich
nicht schlecht, einige verbindungen sind aber nicht ganz sauber.
Phillip
Vielleicht habe ich ja bis jetzt nur eine schlecht digitalisierte Version gesehen, aber mir missfallen die Kurven der Zapfino. In der Version die ich kenne sind die wirklich schlampig gezeichnet.
Sascha
Ich bin Fan von der FF Mister K, aber selbst wenn ich mich durch alle Formsätze der Zapfino kämpfen würde wäre ich nicht froh damit. Für mich bleibt sie eine mit Feder zu perfekt gezeichnete Schreibschrift die mit nem Presslufthammer natürlich aussehen will.
robertmichael
die zapfino ist gut für kurze zeilen, überschriften und einzelne wörter. alles andere, also mehrere seiten und mehrere zeilen glückwünsche sollte man tunlichst vermeiden. ist auch nicht fürs auge schön.
robertmichael
uiii, ich sehe gerade das heinrich recht hat. in dem pdf sind die verbindungen der ff mister k wirklich nicht überall perfekt. fällt auf einer glückwunschkarte bestimmt weniger auf als auf einem werbeplakat.
Jyrki
It’s because of the hinting. In print they are clean.
Dr. Schnuffel
„In print they are clean.“ — No, they are not.
Jürgen
They are clean … at least on my Epson desktop ink-jet-printer. I’ve just printed the PDF an coated paper with different resolutions.
Icke
Dumme Frage nun des interessierten Laien, wie nutze ich die verschiedenen Glyphen unter OS X mit Boardmitteln? Gerne auch mit XeLaTeX, aber ohne InDesign und Co.?
Jürgen
Native OS-X-Programme, zum Beispiel TextEdit, übersetzen die OpenType-Funktionen einer Schrift in die Apple-eigene Font-Technik. Im Fall der Mister K. funktioniert das zu 99 % kompatibel:
Michael Müller-Hillebrand
Mit ähnlicher Technik gibt es auch die Zapfino Extra Pro, die den beschriebenen „Live-Effekt“ bietet; eingerichtet von Adam Twardoch.
Die Apple-eigene OpenType-Maschinerie nicht ganz vorhersehbar und leistungsmäßig eingeschränkt. Ich habe beobachtet (mit FF Schulschrift), dass in Pages, Keynote, TextEdit et al. für Contextual Alternates nur die zwei Nachbarbuchstaben und nicht wie mit OpenType möglich auch längere Strings berücksichtigen. Schade.
Aber woher kommen denn die durchgestrichenen Zeichen, ein Stylistic Set?
Jürgen
Durchgestrichene Zeichen = separater Font Mister K Crossout
Dr. Schnuffel
„They are clean … at least on my Epson desktop ink-jet-printer.“
I used it with defferent scales now to take a look and — you are right: they are clean.
My fault. Sorry.
Jyrki
Crossout:
The crossout effect is possible either by
– selecting font „Crossout“ (good for long passages of texts)
-or pressing emdash (alt + shift + hyphen) several times (contextual alternates active) (good for single words, parts of words)
The first disconnects the characters, the second keeps them connected.
At http://fontfeed.com/archives/upcoming-fontfont-mister-k-pro/
is a downloadable pdf showing the use of the different underline and crossout effects.
Connections:
There are three types (high, medium, low). The connective endings are fixed in form and position within the em-square and are used identically for all glyphs demanding the same type of connection. Great care was taken to make the „master endings“ match before they were applied to other glyphs. On the screen they sometimes seem to be unprecise because of the screen resolution (possibly complex TrueType hinting could improve this (?).
Zapfino
A closer relative to Mister K is probably the very well designed Cezanne (Michael Want, James Grieshaber, P22) using alternates and ligatures in a similar way but creating quite a different atmosphere.
Sam
Gibt es noch mehr solcher Schriften?
Florian
@Sam: Du meinst Schreibschriften mit intelligenten OpenType-Funktionen wie Verbindungen/Ligaturen, Anfangs- und Schlußschnörkeln, kontextbedingten Alternativen bzw. Pseudo-Zufallseffekten?
Dann schau mal in diese Auflistung bei Typophile rein. Adobe hat mit Bickham Script Pro (einer englischen Spitzfeder-Schrift) und Caflisch Pro (der vergleichsweise gemäßigten Handschrift des Schweizer Typografen Max Caflisch) einiges an Pionierarbeit geleistet.
Alejandro Paul von Sudtipos ist bekannt dafür, eine abgefahrene Schreibschrift nach der anderen rauszuhauen. Tal Leming und Ken Barber von House Industries wurden für ihre Technologie-Studie ›Studio Lettering Collection‹ beim diesjährigen TDC-Award gleich mit 3 Preisen belohnt.
Jenseits von Schreibschriften und dem recht jungen Format OpenType ist natürlich Letterror zu nennen, mit ihrem RandomFont FF Beowulf, oder auch der nicht minder komplexen FF Trixie.
Sam
@ Florian
Vielen Dank. Alejandro Paul hat ja wirklich sehr schöne Fonts gezaubert. Ich kannte ja bereits Ministry Script.