Helvetica-Emanzipation unter Mac OS X

Die Helvetica-Situation unter Mac OS X ist verzwickt, aber nicht aussichtslos. Das Problem sind unter­schied­liche Helveticas, die vom Betriebssystem für verschie­dene Aufgaben an allerlei Orten instal­liert werden. Wer mit diesen Fonts am Mac keinen Gestaltungsjob erle­digt, führt ein problem­loses Helvetica-Leben. Schwierig wird es aller­dings, wenn man Drucksachen in Helvetiva gestalten und/oder zu diesem Zweck zusätz­lich Schnitte instal­lieren möchte. Dieser Beitrag klärt über die Helvetiva-Situation auf und beschreibt, wie man mit Band 1 der 100 Beste Schriften Edition – am Macintosh – glück­lich wird.

Verschaffen wir uns zunächst einen Überblick, über die 4 bzw. 5 bereits vorhan­denen Helveticas auf einer vorschrifts­mäßig instal­lierten Macintosh-OS-X-Betriebssystem.

1. Helvetica LT MM. Hierbei handelt es sich um eine PostScript-Version der Helvetica (daher besteht sie aus zwei Dateien, einem Screen-Font und einem Printer-Font), genauer: einer PostScript-Multiple-Master-Version. Sie liegt – gemeinsam mit anderen Systemschriften – im Ordner System/Library/Fonts und sollte nicht ange­tastet werden. Das Programm Vorschau verwendet sie zusammen mit einer Times MM als Austauschschrift für die Darstellung von PDFs, vergleichbar der AdobeSans und der AdobeSerif im Acrobat Reader. Da diese Schrift im Fontmenü nicht auftaucht, stört sie auch nicht.

2. Helvetica.dfont. Format TrueType, liegt eben­falls im Ordner System/Library/Fonts und wird unter anderem vom Programm Adressbuch verwendet. Sie taucht im Schriftmenü nativer OS-X-Programme (zum Beispiel TextEdit) als »Helvetica« mit 4 Schnitten auf: Regular, Oblique, Bold und Bold Oblique. Tatsächlich besteht sie nur aus zwei Schnitten, nämlich Regular und Bold … die beiden schrägen Varianten werden vom Betriebssystem ledig­lich simu­liert, ja auch das Mac OS X bedient sich solcher schmut­ziger Tricks. In »typo­gra­fisch sauberen« Programmen wie InDesign ist der Bluff schnell enttarnt, den dort taucht die Helvetica nur mit ihren zwei echten Schnitten im Menü auf.

3. Helvetica CY. Eine Helvetica mit kyril­li­schen Zeichen im TrueType-Format, liegt im Ordner Library/Fonts und leistet unter anderem bei der Darstellung russi­scher Websites hervor­ra­gende Arbeit. Taucht im Schriftmenü als »Helvetica CY« mit 4 (echten) Schnitten auf: Plain, Oblique, Bold und BoldOblique.

4. Neue Helvetica. Format TrueType, liegt mit den folgenden 10 Schnitten im Ordner /Library/Fonts: Ultra Light, Ultra Light Italic, Light, Light Italic, Regular, Italic, Bold, Bold Italic, Condensed Bold und Condensed Black. Wenn man mit einer Helvetiva gestalten möchte, dann mit dieser. Sie ist
• gut ausgebaut
• erfüllt keine Betriebssystem-Aufgaben
• entspricht in der Laufweite der »offi­zi­ellen« Neuen Helvetiva für den PrePress-Bereich

5. Helvetica in ›Zeichensätze‹. Falls Sie an einem Nicht-Intel-Macintosh arbeiten, stellt Ihnen Mac OS X auf Wunsch eine Classic-Umgebung zur Verfügung, unter der Ihre ›alten‹ Programme laufen. Zu Classic gehört der »Systemordner«, in dem sich der Ordner »Zeichensätze« befindet. Die hier versam­melten Fonts werden auch vom über­ge­ord­neten OS X gelesen und verwendet. Sollte darunter eine Helvetica sein, bitte aus dem Zeichensätze-Ordner nehmen und in einen Ordner mit anderem Namen »auf Eis legen« (zum Beispiel »Zeichensätze Aus«). So unter­binden Sie Konflikte infolge einer Doppel-Installation; Classic benö­tigt diese Helvetiva nicht.

Nun stellt sich die Frage: Wie vermeidet man Helvetica-Disharmonien und warum braucht man denn noch mehr Helvetica auf einem Mac? Zum Beispiel Band 1 der 100 Beste Schriften Edition, Neue Helvetica OT?

Die Neue Helvetica OT der Edition ergänzt die mit dem Macintosh-Betriebssystem gelie­ferte TrueType-Neue-Helvetica in den leichten und den fetten Gewichten. Die rechte Abbildung zeigt die OS-X-Schnitte (schwarz) und die Edition-Schnitte (weiß). Natürlich gibt es eine Überschneidung in den Grundschnitten (Regular/Roman, Bold und die dazu­ge­hö­rigen Italics), ohne die aller­dings die »beste Schrift aller Zeiten« nicht ange­boten werden kann. Dafür ergänzen die Neue Helvetica Thin und Thin Italic die vom Betriebssystem bereit gestellten Ultra Light und Light auf ideale Weise, genauso wie die Neue Helvetica Black/Black Italic die Familie jenseits der Bold-Schnitte erweitert.

Zur Vermeidung von Konflikten empfehle ich die Aktivierung der kompletten Neue Helvetica OT und die Deaktivierung der vier vom Mac OS X gelie­ferten TrueType-Schnitte Regular, Italic, Bold und Bold Italic (siehe Abbildung oben, ein Screenshot der Linotype-Schriftverwaltung FontExplorer X mit allen Betriebssystem-Helveticas und der gelb markierten Neue Helvetica OT). Tatsächlich unter­scheiden sich die beiden Neuen Helveticas im ASCII-Zeichensatz nicht, aber aufgrund ihrer Cross-Plattform-Kompatibilität ist die OpenType-Version die »welt­of­fe­nere« Alternative. Das zeigt sich zum Beispiel in den stan­dard­mäßig enthal­tenen grie­chi­schen Buchstaben µ, ∂, π oder Ω sowie einigen mathe­ma­ti­schen Zeichen, die wirk­lich wie Helvetica aussehen, währen die TrueType-Schnitte, wie schon zu Mac-OS-9-Zeiten mit den Zeichen aus dem Symbol-Zeichensatz aufge­füllt werden (siehe Abbildung unten).

Fazit: Neue Helvetica OT ergänzt die von Mac OS X bereit gestellte Neue Helvetica TT (für zur Zeit nur 99 € statt 199 €) um vier sinn­volle OpenType-Schnitte, so dass die Familie mit insge­samt 14 Schnitten viel­sei­tiger einsetzbar wird. Mit den zusätz­lich gelie­ferten OT-Grundschnitten Neue Helvetica Roman, Italic, Bold und Bold Italic sollte man wegen des harmo­ni­scheren Zeichenvorrats und der höheren Pre-Press-Zuverlässigkeit (sie ist Windows-austauschbar) die TrueType-Antagonisten des Mac OS X ablösen.


3 Kommentare

  1. Dr. Vectordope

    Apropo Helvetica … am nächsten Samstag in Zürich:

    Ein Podiumsgespräch (englisch) zum Thema »Will this type­face last forever?«

    Teilnehmende sind unter anderen der Autor des Films Gary Hustwit/GB sowie David Carson/USA, Erik Spiekermann/D/USA, Manuel Krebs/CH und Alfred Hoffmann/CH. Moderation: Lars Müller (Verleger), Baden

    und der neue Film wird im Anschluss noch gezeigt.

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