Heinz Edelmann 1934 – 2009
Der Illustrator, Grafikdesigner und Hochschullehrer Heinz Edelmann ist am 21. Juli im Alter von 75 Jahren in Stuttgart gestorben, wie die Staatliche Akademie der Bildenden Künste mitteilt. Edelmann studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und arbeitete seit 1958 als freischaffender Grafiker. Gemeinsam mit dem Artdirektor Willy Fleckhaus prägte der gebürtige Tscheche als Illustrator über zehn Jahre lang entscheidend das Gesicht des Jugendmagazins Twen. Daneben war er für Capital, Playboy, Pardon und das FAZ-Magazin als Grafiker tätig. Einem größeren Publikum wurde Heinz Edelmann durch den Beatles-Zeichentrickfilm Yellow Submarine, bei dessen Produktion er als Artdirektor 1967/1968 mitarbeitete. Der Vorspann der ZDF-Sendereihe Der phantastische Film stammt ebenfalls von ihm (YouTube-Link).
form-Chefredakteur Gerrit Terstiege besuchte Heinz Edelmann vor 14 Tagen zu Hause in Stuttgart, führte ein Interview und machte Fotos. »Ich habe ihn in guter Verfassung und sehr charmant erlebt« schreibt er mir heute in einer Mail. Er fügte seinen Nachruf bei, den ich hier mit freundlicher Genehmigung von form veröffentliche.
Das gezeichnete Ich
In der von Heinz Edelmann ausgestatteten Klett-Cotta-Gesamtausgabe der Werke Gottfried Benns findet sich folgendes Gedicht, es gehört zu seinen schönsten: „Durch soviel Formen geschritten, durch Ich und Wir und Du, doch alles blieb erlitten, durch die ewige Frage: wozu? Das ist eine Kinderfrage. Dir wurde erst spät bewusst, es gibt nur eines: ertrage – ob Sinn, ob Sucht, ob Sage – dein fernbestimmtes: Du musst. Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere, was alles erblühte, verblich. Es gibt nur zwei Dinge: die Leere und das gezeichnete Ich.“
Heinz Edelmann wusste Rosen in Schnee zu verwandeln und Meere aus Löchern zu füllen. Er konnte Radiowellen sichtbar machen, ließ Sterne regnen, Tiere erblühen und brachte Erbsen zum Tanzen. Und er hat Berge versetzt. „Seine Linien und Farben durchzogen das Heft“, schrieb Willy Fleckhaus über Edelmanns zeichnerische Interventionen in „twen“, viele Jahre nach ihrer Zusammenarbeit in der legendären Redaktion. Edelmanns Vorspann zu der ZDF-Reihe „Der phantastische Film“ hat mir als Kind Alpträume beschert: Köpfe drehen sich darin wie leere Puppenglieder, Haare brennen, Flammen züngeln zu dem flatternden Geräusch von Vogelflügeln. Plötzlich erscheint ein einäugiges Spinnenmonster mechanisch wie die Kirschen in Spielautomaten. 30 Sekunden blanker Horror, stilistisch noch ganz in der Tradition von „Yellow Submarine“. Viele seiner Buchumschläge machten auch spröde Autoren zu Bestsellern, doch als der von ihm illustrierte „Herr der Ringe“ vor ein paar Jahren zum „Besten Buch der Deutschen“ gekürt wurde, nannte er diese Wahl einen „Triumph der Blödheit“: „Das Buch ist gewiss eine liebenswürdige literarische Kuriosität. Aber es ist wohl das einzige Buch, das jemals in diese Finsternis gedrungen ist.“ Was heute längst nicht mehr selbstverständlich ist: Edelmann las die Geschichten, die es zu illustrieren galt, nahm sich Zeit, experimentierte, haderte mich sich – und mit seinen Epigonen: „Jetzt kopieren sie sogar meine Manierismen, wie den abgespreizten kleinen Finger, den ich den Beatles angedichtet habe“. Aber er verbitterte nicht, dafür hatte er viel zu viel Humor. In einer Episode seines wunderbaren Buchs „The Incredible“, das er vor vier Jahren fertig stellte, bekommt selbst der Sensenmann seine Späße zu spüren und bleibt sprachlos zurück.
Nun starb der große Lehrer und Zeichner, am 21. Juli in Stuttgart. Zwei Wochen zuvor hatten wir uns noch getroffen, zusammen mit seiner Frau, zu einem lange geplanten Gespräch. Als wir uns vor seiner Wohnung in der Augustenstrasse verabschiedeten, sagte er mit Blick auf die herunter gelassenen Rolläden: „Immer wenn sie unten waren, dann war ich zuhause.“ Edelmann hielt sich als Professor immer nur während der Semester in Stuttgart auf, ansonsten war seine Wahlheimat Amsterdam. Im Dunkeln hat er eine helle Welt geschaffen. Adieu, Heinz Edelmann.
Gerrit Terstiege
Abbildung 1: Rolling Stone Ausgabe 9 vom 27. April 1968 (© Rolling Stone Archiv)
Abbildung 2: Heinz Edelmann und seine Frau Anna am 7. Juli 2009 in Stuttgart (© Gerrit Terstiege)
3 Kommentare
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Jürgen
New York Times: Heinz Edelmann, ‘Yellow Submarine’ Artist, Dies at 75
Martin
Traurig, ein toller Illustrator.
Mario van Middendorf
Heute, im April 2011 finde ich zufällig diese Nachricht. Sie macht mich traurig. Heinz Edelmann war lange Zeit mein Professor in Köln an der Werkkunstschule. Ich habe ihn in Erinnerung, als einen stets fröhlichen Menschen, der viel geraucht hat und ständig ungewöhnliche Ideen entwickelte. So kam er eines Tages in unseren Werkraum und meinte, der Raum sei viel zu langweilig, um Ideen zu entwickeln – was wir wohl von der Anschaffung einer Tischtennisplatte hielten? Von da an kam er immer gerne auf ein kleines Match vorbei…
Obs mit unseren Ideen besser klappte ist nicht wirklich belegt, aber Spaß hatten wir deutlich mehr…
Mario