Hat FontFont seine Designer getäuscht?

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Vorweg ein Kompliment an die PAGE-Redaktion, die mit zwei Beiträgen (»Monotype/FontShop … Was sagt die Community« Teil 1 und Teil 2) und ange­se­henen Experten die Debatte um die Akquise anführt. Gerne möchten Ivo und ich die Diskussion mit den Lesern an dieser Stelle fort­setzen. Dabei soll es (erneut) weniger um gute oder schlechte Gefühle bei dem Deal gehen, sondern um Fakten. Genauer: Um den Vorwurf, FontShop bzw. FontFont habe den Verkauf bereits im vergan­genen Jahr vorbe­reitet oder einge­fä­delt. Als Indiz werden geän­derte Vertragsbedingungen für die FontFont-Designer heran­ge­zogen, nämlich die Erhöhung der Tantiemen von 20 % auf 30 % und die Verlängerung der Vertragslaufzeit von 5 auf 10 Jahre.

Fakt ist: Es gab 2013 keinerlei Anfragen, Angebote oder Gespräche über einen Verkauf der FontFonts. Wäre dem so gewesen, hätten wir bestimmt nicht  den Designern das Angebot gemacht, ihre Marge zu erhöhen und die Verträge zu verlän­gern. Das wider­spräche jegli­cher Verkaufsstrategie, weil es entweder den Verkaufspreis dras­tisch nach unten gedrückt oder aber den Deal sofort zum Platzen gebracht hätte.

Der Grund für die Anhebung der Marge und die Verlängerung der Verträge waren vor allem geän­derte Randbedingungen in der Font-Industrie:

  • es gab noch nie so viele profes­sio­nelle Foundries, und damit Alternativen für Type-Designer, ihre Schriften auf den Markt zu bringen
  • auch der Schritt zur Ein-Mann/Frau-Foundry war eben­falls noch nie so einfach und
  • alter­na­tive Vertriebswege verspra­chen höhere Einnahmen als der Verkauf über FontFont/FontShop

Und weil bereits einige FontFont-Designer ihre neueren Schriften woan­ders oder selbst vertrieben, sollte die ange­ho­bene Marge und die Verlängerung der Vertragsdauer dem FontFont-Marketing und -Vertrieb mehr Sicherheit bringen.

Dass die 10-Jahresfrist heute für die FontFont-Designer fast wich­tiger zu sein scheint als für die Foundry, ist eine Ironie des Schicksals – geplant war es so nicht. (Ivo Gabrowitsch, Jürgen Siebert)


10 Kommentare

  1. Jörg Hemker

    In dieser Diskussion des FS/Monotype-Deals scheint die Meinung zu domi­nieren, das der Suhrkamp Verlag von Axel-Springer geschluckt wurde. Dem ist doch nicht so. Oder?

  2. R::bert

    Wer ist eigent­lich Monotype?

    ;-D

  3. Anonym

    Eine weitere Firma, die gerne auf Kunden verzichtet, weil nur Onlinebezahlung möglich ist, hehe. Da ist PSD-Tutorials noch profes­sio­neller als FontShop und Monotype; die haben auch IBAN, BIC und man kann tatsäch­lich im voraus bezahlen. Aber gut: Wer sich zu modern fühlt, über­sieht ganz, dass er nur gigan­tisch dilet­tan­tisch arbeitet.

    Der Bequemlichkeit wegen?

  4. Jürgen Siebert

    Es gibt folge vier Zahlungsarten auf font​shop​.com, @Anonym:

    • PayPal
    • Kreditkarte
    • Lastschrift (auf Nachfrage, nach unkom­pli­zierter Prüfung)
    • gegen Rechnung (Unternehmen und Händler)

    Ruf einfach an: 030 69596-333

  5. Sonja Knecht

    Ich mag den Kommentar

    2 | R::bert
    Wer ist eigent­lich Monotype?
    ;-D

    – nicht nur, weil er witzig ist. 

    FontShop hat einen Ruf wie Donnerhall. Einen Ruf, den er sich aufge­baut hat – nein, nicht „er“, der FontShop, oder FSI FontShop International, oder FontFont, sondern natür­lich Jürgen Siebert, die Gründer Erik Spiekermann, Joan Spiekermann und Neville Brody, Petra Weitz, Ivo Gabrowitsch, die Leute vom Vertrieb und ein Herr Evertz an der Hotline, Sabine Gruppe und Benno Rudolf, Stefan Lehr und das Technikteam und viele mehr, natür­lich – alle, die FontShop „erfunden“, gestaltet, vergrö­ßert und stetig verschö­nert haben. Sie tun das weiterhin, siehe Next FontShop (liebe­vollst durch­dacht, umge­setzt und betextet bis hin zu den Beispielwörtern, was mich restlos glück­lich macht.)

    Und Monotype? Wem über­haupt war Monotype über­haupt (noch) gegen­wärtig? Vor Urzeiten habe ich von Monotype, Linotype oder auch Berthold und irgend­wel­chen quasi anti­qua­ri­schen Schriftgießereien gehört: typo­gra­fi­schen Schlachtschiffen aus alten Zeiten, fern der Lebens- und Arbeitswelt um mich herum. Macht das den Schrecken umso größer? 

    Schatten und Strukturen der Vergangenheit

    Kaum jemand ist Monotype in vergleich­barer Liebe – jetzt womög­lich Hassliebe – wie dem FontShop verbunden. Monotype ist offenbar für dubiose oder mindes­tens unper­sön­liche Vertriebspraktiken bekannt; das kann ich nicht beur­teilen. Wenn dem so ist, dann ist jede Angst verständ­lich und jede Nachfrage wichtig. Also los: Wer ist eigent­lich Monotype?

    Doppelbödig, die Frage, mindes­tens. Zunächst: Was sind das für Leute? Wer arbeitet da? Ich kenne keinen. Ich weiß nicht, ob Hans oder Franz in Bad Homburg, ob John oder Janet, Ira oder Scott in den US Headquarters Schlimmes im Schilde führen. Jedenfalls, wer sich bezeichnet als „führender Anbieter von Schrift, Technologie und Expertise, die Benutzererfahrungen opti­mieren und die Markenintegrität schützen“ löst bei mir keine Wonneschauer aus. Die hölzern anein­an­der­ge­reihten Business-Begriffe, die hinkon­stru­ierten Formulierungen auch im Fließtext nach der zitierten Einleitung lassen die Texterin natur­gemäß verstei­nern („Über Monotype“).

    Im Weiterlesen wird die Positionierung des Konzerns für mich weder inhalt­lich deut­li­cher noch atmo­sphä­risch greifbar. Weil einfach zu weit weg? Unschön, dass mich direkt unter der Sektion „Geschichte“ die „Anlegerbeziehungen“ anspringen und ich darüber in Kenntnis gesetzt werde, „Aktien der Monotype Imaging Holdings Inc. werden unter dem Kürzel TYPE an der NASDAQ-Börse gehan­delt“. Durchaus unappetitlich.

    Muss mich das miss­trau­isch machen? Muss ich wegen dieser Selbstdarstellung gleich auf Täuschung, kalt­schnäu­zige Geschäftemacherei und mangelnde Sorgfalt schließen, dann womög­lich auch im Umgang mit künst­le­ri­scher Identität und Autorenschaft, mit Schriftlizenzen, Vertriebsvereinbarungen, aufgekauften/angeschlossenen Unternehmen wie „meinem“ FontShop? Meinen Bekannten, die dort arbeiten, und anderen, die dort unter Vertrag stehen? Weil Monotype schon im Wording so gräss­lich daher­kommt, zudem inkon­sis­tent? Hatte da nur jemand einen schlechten Tag, als er (oder sie) auf der Website Fantasie mit F und Typographie mit ph schrieb? Will irgendein Marketing-Mensch mich beein­dru­cken mit den „Ursprüngen im 19. Jahrhundert“ des „welt­weit führenden Typographie-Anbieters“? Kann man „Typographie“ über­haupt „anbieten“? Steigere ich mich jetzt rein? Ja. Weil das so anonym, abstrakt, konzern­mäßig daher­kommt. Ich kenne diese Leute nicht. Ich erfahre nichts, was mich beru­higt, wenn ich auf die Website gehe. Monotype bleibt mir fremd. Und riesen­groß. Natürlich löst das Unbehagen aus.

    Freunde, kein Futter

    FontShop aber kennen wir. Wir schätzen das FontShop-Team, wir sind hier in Berlin, wir sehen uns und tauschen uns aus, wir kommen­tieren die Ereignisse in der Branche. Sind wir nicht alle ein biss­chen FontShop? Oder zumin­dest sehr nah dran? Das sind unsere Freunde, kein Futter! Das soll so bleiben. Wie ein Mantra möchte man es aufsagen: FontShop sind Freunde, kein Futter, Freunde, kein Futter, wie die Haie in der Therapierunde von „Findet Nemo“, aber es hilft nicht, schützt nicht vor Veränderungen, und die Haie sind woanders. 

    FontShop aber ist hier, nach wie vor. Jürgen bleibt dabei – noch rund 10 Jahre, wie er selbst prognos­ti­ziert. Auch Ivo wird das Handtuch so schnell nicht schmeißen. Beide verspre­chen sich unter dem Dach von Monotype mehr Handlungsfreiheit als vorher, mehr finan­zi­elle Sicherheit und damit mehr Möglichkeiten. Zu schön um wahr zu sein? Die TYPO soll die TYPO bleiben, FontFont wird immer besser, der Druck der Geheimhaltung der Veränderungen ist vorbei, lässt hoffent­lich alle durch­atmen und weiter­ma­chen. Keep calm and – ihr wisst schon. Romantisch ist das nicht, aber realistisch. 

    Genauso realis­tisch, um es noch mal zu betonen: Dass Jürgen Siebert, Erik Spiekermann und Joan Spiekermann ihr Lebenswerk sichern nach bestem Wissen und Gewissen. Sie leiten zum für sie rich­tigen Zeitpunkt die nächsten Schritte ein. Zum Glück – für sie selbst und für die Sache. Sie haben es mehr als verdient. Sie haben die Auf- und Ausbauarbeit geleistet, Energie, Zeit und Geld hinein­ge­steckt, Talente entdeckt, ganze Gefolgschaften geför­dert, Firmen und Familien gegründet, waren und sind mit Begeisterung dabei. Sie werden doch nicht so wahn­sinnig sein, das alles in den Sand zu setzen. 

    Es fällt ihnen sicher nicht leicht. Aus dem Nähkästchen geplau­dert: Seit mindes­tens 2008 sagt Erik bei jeder Weihnachtsfeier bei Edenspiekermann, dass er sich jetzt aber wirk­lich, wirk­lich zurück­ziehen, „endlich wieder drucken“ und über­haupt in Ruhe seinen Kram machen will. Endlich scheint ihm das besser zu gelingen, mit seiner Galerie in der P98A (wo sich aller­dings auch schon wieder tumult­ar­tige Zustände verzeichnen lassen) …

    Es bleibt anderen über­lassen – allen, die bei FontShop sind und uns allen, die wir FontShop auf die eine oder andere Weise verbunden sind – anständig zu bleiben und dafür zu sorgen, dass die besagten Haie, zumal die ganz großen, in Sachen künst­le­ri­scher Freiheit und Unabhängigkeit niemandem zu nahe kommen. Sonst nützt auch keine Therapie mehr was. 

    Was eben doch nützen könnte, hoffentlich:
    Dass „wir“ FontShop sind.
    Und jetzt auch ein biss­chen Monotype.

    PS
    Mehr speziell dazu in den Kommentaren von Erik Spiekermann Nr. 8, 15, 16 zum Beitrag vom 16. Juli, mehr zur Debatte ebd. im Kommentar Nr. 32 von mir: „eine Unverschämtheit“.

    PPS
    Falls jemand weiß, wer Monotype ist: raus mit der Sprache.

  6. Anonym

    Ich fasse es nicht, dass es in 2014Q3 noch erwach­sene Menschen gibt, die nicht online bezahlen können!

    Köstlich…

    • Frédéric

      Wohl eher „nicht“ wollen als können. Kann ich nach­voll­ziehen. Und ob die Person erwachsen ist, wissen wir auch nicht.

  7. R::bert

    @Sonja

    Danke! Und mir gefallen Deine Gedanken – Deine Interpretation. Schön, dass es jemand verstanden hat! : )

  8. R::bert

    Nochmal @Sonja

    Jetzt wäre natür­lich nur noch inter­es­sant zu wissen, ob Sie Ihr Plädoyer aus freien Stücken oder im Auftrag von … verfasst haben. ; )

  9. Sonja Knecht

    Lieber @R::bert,

    ich bin mein eigener Auftrag :)

    Manche Texte (Gedanken) drängen sich einfach auf. Flirren umher und wollen auf den Punkt gebracht werden. Gegen Bezahlung übri­gens hätte ich nichts einzu­wenden, bei so viel Arbeit. 

    Egal: Es bleibt spannend. 

    Zumal wir immer noch nicht wissen, wer eigent­lich Monotype ist …

    … oder?

    Vielen Dank und lieben Gruß zurück,
    Sonja.

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