Fünf Fragen für Ulrike Rausch, LiebeFonts
Während ihres Studiums erhielt Ulrike die Gelegenheit, ein Auslandssemester in Florenz zu verbringen. Dort erfuhr sie das absolute Kontrastprogramm zu ihren digitalen Gewohnheiten, als sie an der Accademia di Belle Arti Malerei in den Hörsälen von Michelangelo und Galilei studierte und ein halbes Jahr Computerabstinenz übte.
Neben der Dolce Vita, lernte sie in Florenz analog zu arbeiten: Farben anmischen, Leinwände bespannen, malerische Techniken ausprobieren, mit den verschiedensten Werkzeugen experimentieren – das gehörte dort selbstverständlich zum Gestaltungsprozess.
„Das manuelle Arbeiten hat mir die Augen geöffnet und das Studium anschließend in Deutschland maßgeblich beeinflusst.“
Ulrike räumte dem Handwerk im Gestaltungsprozess fortan viel mehr Platz ein und betrachtet Ergebnisse manueller Vorarbeiten als wesentlich interessanter und lebendiger.
Illustratorin und Schriftenentwerferin Ulrike Wilhelm sprach mit FontShop Aktuell über das Entwickeln von Schriften, die Berliner Schriften-Community und ihre Font-Lieblinge
Handgefertigte Produkte und Designs ziehen Ulrike magisch an und auch ihre eigenen Arbeiten zeichnen sich durch einen handgemachten Charme aus. Bei ihren Schriften legt sie großen Wert auf eine ausgiebige analoge Vorarbeit.
Als Schriftgestalterin und Illustratorin lebt und arbeitet Ulrike Wilhelm in Berlin, zur Zeit als Untermieterin bei FontShop. Ihren Hochschulabschluss zur Kommunikationsdesignerin hat sie 2008 an der Fachhochschule Potsdam erworben. 2009 gründete Ulrike Wilhelm das Schrift-Label LiebeFonts, unter dem sie ihre hingebungsvoll gestalteten Schriften vertreibt.
1. Was hat Dich bewogen, Schriften zu entwerfen und ein eigenes Schriftenhaus zu gründen? Ein Zufall. Im Studium an der Fachhochschule Potsdam habe ich mich hauptsächlich mit Illustration beschäftigt. Ich habe zwar einige Semester in Luc(as) de Groots Schriftgestaltungskurs verbracht, aber dass ich mal professionell Schriften gestalten und auch noch erfolgreich verkaufen könnte, hätte ich damals nicht für möglich gehalten.
LiebeErika ist eine schmal laufende Lettering-Familie mit vier Schnitten. Auf Labeln und engen Verpackungen hervorragend lesbar, schafft LiebeErika in Print- und Web- Projekten immer ein freundliches Ambiente, auch in Flyern, Postern und Anzeigen.
Im Rahmen meiner Abschlussarbeit ist dann eine Serie von Piktogrammen und Mini-Illustrationen entstanden. Einige Zeit nach dem Studium hatte ich dann die Idee, daraus einen Piktogramm-Font zu machen. Gesagt, getan: Kurze Zeit später veröffentlichte ich unter dem Namen LiebeFonts meine ersten Motiv-Fonts. Mich wunderte es damals, dass sich die Fonts überhaupt (wenn auch moderat) verkauften.
Angestachelt vom bescheidenen Erfolg kamen deshalb schnell immer mehr hinzu: LiebeFish, LiebeCook, LiebeTweet, … Dass ich mich irgendwann an meine erste alphabetische Schrift LiebeErika getraut habe, lag vor allem daran, dass ich ständig selbst auf folgendes Problem stieß:
Ich hatte keinen Font, der zu meinen Illustrationen passte. Bis dahin hatte ich jeden Text, zum Beispiel die E-Mail-Adresse auf meiner Visitenkarte, per Hand geschrieben. Das klingt zwar romantisch, ist aber oft einfach nur unpraktisch.
Aus dieser Not heraus wurde dann 2010 LiebeErika geboren.
2. Ist es wahr, dass Berlin sich neben einem Schmelztiegel für Startups auch zu einer Hochburg der Typografie entwickelt hat? Ja, das stimmt definitiv. Ich finde es großartig, dass es in Berlin so viele fabelhafte Schriftgestalter gibt, die sich auch regelmäßig treffen. Unter anderem findet alle zwei bis drei Monate der legendäre Typostammtisch statt. Hier trifft sich das Who-is-who der Szene – vom Guru bis zum Typoneuling.
Meist werden kleine Vorträge gehalten und anschließend hat man die Gelegenheit, mit den anderen typophilen Gästen noch ein wenig zu fachsimpeln. Diese Treffen unter Gleichgesinnten helfen mir auch immer, mich nicht ganz so nerdig zu fühlen.
LiebeRuth ist eine natürliche Schönheit, die in vier Schriftschnitten Robustheit mit Eleganz kombiniert. Ihre Zierzeichen schaffen zusätzlich Anmut und machen sie zu einer vielseitigen Verpackungs-, Label- und Anzeigen- Schrift, die sogar Displays und Logos stemmt.
Ich empfinde es als einen großen Luxus, mich immer wieder mit diesen Profis austauschen zu können. Natürlich inspiriert der Austausch mit Kollegen auch ständig das eigene Schaffen und man weiß, wen man fragen kann, wenn man eine zweite Meinung oder technische Hilfestellung braucht.
Es ist weniger ein Konkurrenzkampf als ein freundschaftliches und konstruktives Miteinander. Und ständig erscheinen neue tolle Leute und Foundries auf der Bildfläche. Dadurch gibt es ständig Workshops und neue interessante Veranstaltungen. Es gibt wohl momentan keine bessere Stadt als Berlin, wenn man sich für Schrift und Typografie interessiert.
LiebeKlara beweist, dass Handgeschriebenes auch auf wenig Raum überzeugt. Speisekarten, Kochbücher und auch Label und Etiketten – wenn viel Inhalt auf wenig Platz trifft und die persönliche Note trotzdem nicht fehlen darf, empfielt LiebeKlara ihre kundigen Dienste.
3. Was sollte eine moderne Schriftenfamilie können? Über welche Fähigkeiten sollte sie verfügen? Zunächst sollte sie über einen vollständigen Zeichensatz verfügen. Das klingt zwar trivial, aber
… gerade im Bereich der Display-Schriften findet man leider viele, die gerade mal über die Minimalbelegung A–Z, a–z und 0–9 verfügen. Ich habe den Anspruch, so viele Sprachen mit meinen Schriften abzudecken, um ein professionelles typografisches Arbeiten zu ermöglichen.
Außerdem ist es mir auch wichtig, meine Fonts mit reichlich Alternativbuchstaben, Swash-Varianten und Ligaturen auszustatten. Das macht die Schrift vielseitiger und interessanter. Natürlich dürfen auch Ligaturen, Formvarianten und andere Alternativzeichen nicht fehlen. Die meisten meiner Schriften sind als Displayschriften gedacht, und da ist es wichtig, dem Anwender eine Auswahl an die Hand zu geben, damit nicht alle Überschriften gleich aussehen.
LiebeDoni bringt Italiens typografische Erbe ins OpenType-Format und beeindruckt mit opulenten Formen und kontrastiertem Schwung. Über 600 Glyphen bestücken den Font mit jedem erdenklichen Schnörkel. Raffiniert: Der Outline-Schnitt, der Fettes visuell leicht verdaulich serviert.
Ich finde es reizvoll, wenn man genauer hinschauen muss, um zu erkennen, ob das nun eine digitale Schrift ist oder sich jemand die Mühe gemacht hat, den Text per Hand zu schreiben.
Diesen Anspruch baue ich per OpenType-Features in meine Schriften ein: bei Buchstabenpaaren, die häufig auftreten, wird beim Tippen automatisch der zweite Buchstabe ein wenig anders aussehen als der erste. Das ist zwar für den Laien kaum zu sehen, macht den handgeschriebenen Charakter aber wesentlich glaubwürdiger.
4. Welche Deiner eigenen Schriften ist Dein persönlicher Liebling? Ganz klar: LiebeErika. Das hat aber auch sentimentale Gründe, denn LiebeErika war die erste ›richtige‹ Schrift, die ich veröffentlicht habe. Hätte ich durch sie nicht so viel positives Feedback erhalten, wäre ich unter Umständen gar nicht bei der Schriftgestaltung geblieben. LiebeErika ist außerdem meine meistverkaufte Schrift. Ich bin also nicht die einzige, die LiebeErikas schlanke und liebevolle Formen schätzt.
Liebe Dingbats: So auf den Punkt wie liebevoll enthalten Dingbats von LiebeFonts die visuellen Botschaften von heute
Unter meinen Illustrations-Fonts ist LiebeFish immer noch mein Liebling. Ich habe immer noch Spaß daran, sie anzusehen und zu verwenden. Die Dinger haben erstaunlich viel Persönlichkeit und erinnern mich an verschiedenste Leute.
5. Welche ist Deine persönliche Lieblingsschrift eines anderen Entwerfers? Natürlich schätze ich viele Schriften meiner Berliner Kollegen, da man durch den persönlichen Kontakt auch einen Einblick in deren Arbeit erhält und somit auch ihre Schriften sehr gut kennen und lieben lernt. Generell bin ich ein großer Freund von Egyptienne-Schriften. Eine Schrift, die ich schon seit Jahren gerne mag, ist die Clarendon. Eine gute Form übersteht Moden und Trends, in diesem Fall seit 150 Jahren.
LiebeFonts-Schriften bei FontShop liegen im OpenType- und im Web- Format vor:
• LiebeDoni | 2 Fonts | € 35,00
• LiebeErika | 4 Fonts | € 59,00
• LiebeKlara | 1 Font | € 19,90
• LiebeRuth | 4 Fonts | € 59,00
LiebeFonts-Dingbats bei FontShop (OT & Web):
1 Font | je € 14,90
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alle Preise verstehen sich zzgl. MwSt.
Ein Kommentar
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Curd
Die zwei Kommata liefere ich noch nach: , – ,. Nur, weil ich sie vergessen habe.