Die FDP kämpft um eine neue Identität [Update]

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Eine Serie verlo­rener Wahlen und der Aufstieg der AfD haben die Freien Demokraten (FDP) 2014 in eine bedroh­liche Situation gebracht. Nach einem ange­deu­teten und rasch demen­tierten Kurswechsel Richtung rechts (»geis­tige Neugründung«), scheint Parteichef Christian Lindner zum letzten Strohhalm zu greifen: einem visu­ellen Neustart. Bereits am 20. Dezember deutete Die Welt an: »Die aus dem Bundestag geflo­genen Liberalen werden Anfang des nächsten Jahres ihre neuen Parteifarben enthüllen. Für den Neuanfang will die Partei mögli­cher­weise sogar ein neues Logo entwerfen.«

Zum morgigen Dreikönigstreffen werde sich die FDP neu erfinden und mit ihrer blau-gelben Identität brechen, hieß es weiter. Zur Diskussion stünden alter­na­tive Farben und ein neues Logo. »Die FDP wird sich in Stuttgart in neuer Frische zeigen – auch gestal­te­risch«, zitiert Die Welt Andreas Mengele, Chef der Berliner Werbeagentur Heimat. Die Berliner betreuen seit zwei Monaten die FDP-Bundespartei und entwi­ckeln für die Liberalen ein neues Kommunikationskonzept.

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Am heutigen Montagabend verrät BILD weitere Details zum visu­ellen Comeback der Freien Demokraten. »FDP-Chef Christian Lindner (35) wird das neue Logo der Liberalen am Dienstag auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart offi­ziell vorstellen. BILD zeigt es schon jetzt.« Wir sehen zwei Visuals, die eine »neue« Schrift im Einsatz zeigen – Rockwell (Frank Hinman Pierpont, Monotype, 1934) statt Corporate S (Kurt Weidemann, URW, 1990), neue Farbkombinationen und den Slogan »Freie Demokraten« statt »Die Liberalen«.

Zur Diskussion stünden zwei Versionen, schreibt BILD: Blauer Hintergrund mit gelbem Schriftzug und gelber Hintergrund mit blauem Schriftzug – der domi­nie­rende Vorschlag, hieße es aus Parteikreisen. »Besonders auffällig«, schreibt BILD: der magen­ta­far­bene Balken. Magenta solle neben den bishe­rigen Farben Gelb und Blau die dritte Parteifarbe werden. Die aller­letzten Details des Logos seien in der FDP-Führung bis spät abends disku­tiert worden, so dass morgen noch mit einer dritten Version zu rechnen ist: die Wörter »Freie«, »Demokraten« und »FDP« jeweils unter­ein­ander und rechtsbündig.

Die hier gezeigten Abbildungen sind inof­fi­zi­elle Interpretationen, ange­lehnt an die BILD-Fotos, die ich mit der Schrift Rockwell Bold nach­ge­baut habe.

[Update, 6. Jam 2015, 14:15]

Das neue Logo und die neue Farbgebung sind enthüllt. Weniger schlimm als von BILD voraus­ge­sagt. Die Schrift ist nicht Rockwell, sondern eine leicht modi­fi­zierte PMN Caecilia (mit einer Art Helvetica-e), das Blau ist heller und die Grundfarbe Gelb bleibt erhalten. Mit anderen Worten: Die FDP ist jetzt CMY.

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Zum neuen Auftritt der Freien Demokraten erklärt der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner heute:

»Wir haben das letzte Jahr intensiv genutzt, um unser Profil zu schärfen, uns unserer Identität zu versi­chern und Fehler aufzu­ar­beiten. Die FDP steht für mehr Chancen durch mehr Freiheit. … Wir haben Lust auf die Gestaltung der Zukunft statt uns in der Gegenwart zurück­zu­lehnen. Wir vertei­digen den Innovations- und Wohlstandsmotor Soziale Marktwirtschaft, die Bürgerrechte und die Toleranz unseres Landes gegen Angriffe jegli­cher Art. Dieser Geist treibt uns an. Mit unserem neuen Auftritt bekräf­tigen wir nun das Bekenntnis von Theodor Heuss und den Mitgründern unserer libe­ralen Partei: Wir sind Freie Demokraten.«

Das neue Logo der FDP kann unter folgendem Link herun­ter­ge­laden werden: fdp​.de/​s​i​t​e​s​/​d​e​f​a​u​l​t​/​f​i​l​e​s​/​u​p​l​o​a​d​s​/​2​0​1​5​/​0​1​/​0​6​/​l​o​g​o​s​_​f​u​e​r​_​d​r​u​c​k​_​u​n​d​_​w​e​b​.​zip


38 Kommentare

  1. Soll die Zeit

    der Entwicklung dieser alten neuen Schrift auf die Geistesgesinnung der Partei anspielen. Oops: Besser zurück zur Weidmann’schen!

    • Curd

      Zuerst habe ich gedacht, dass „r“ reiße ein Loch zwischen sich und das „F“, und dass das Kerning so geän­dert werden sollte, dass dieses kleiner würde. Dann hab ich gedacht, das wäre schwierig, außer man würde die dann entste­hende liga­tur­ähn­liche Kollision befür­worten, weil die Serife des „F“ so weit herunterhängt.

      Jetzt fällt mir auf, dass man diese gekürzt hat, was inso­fern nicht nötig gewesen wäre, da das Kerning ohnehin gleich­ge­blieben ist. Ausgeglichen, so sehe ich hat man durch die Verlängerung des Mittelstriches des F. Schön ist aller­dings alles nicht; und auch nicht beson­ders modern – finde ich.

      Aber ich bin ja kein Fachmann, sondern sowas wie ein Klosettbubi.

    • Curd

      Aber eines muss ich bei näherem Hinsehen doch noch fest­stellen: Die neue Variation ist von den drei Vorschlägen dann doch die schönste Variante.

      Und nach dem Nachlesen stelle ich fest: Ups, es ist ja ein anderer Font; hätt’ ich auch am „k“ sofort erkennen müssen.

    • Fritz

      Beim Loch gebe ich dir recht, aber die Schrift ist doch die alte wesent­lich feiner, schöner sozu­sagen. Zumindest für mich.

  2. Philipp Schilling

    Seit die FDP die Punkte aus ihrem Logo gekickt hat ist sie eh nicht mehr zu retten.

  3. Jens Tenhaeff

    Passt perfekt! Meine abso­lute Hassschrift und die nutz­lo­seste Partei Deutschlands.

    • Katharina

      Nutzlos sind sie alle allemal!

    • Curd

      Was mich an der Rockwell stört, sind auch die Kollisionen folgender Zeichen: „f“ – einfach eingeben und staunen. Wie hält sich so etwas so lange am Markt und ist noch dazu sooo beliebt? Schade eigent­lich um die sonst so schönen Formen. Im Bleisatz sind solche Kollisionen leicht zu verhin­dern gewesen, aber heute muss der, der sie digi­ta­li­siert, schon etwas kriti­scher hingu­cken – denke ich.

      Gibt es da nicht die Möglichkeit, bei verschie­denen Zeichenkombinationen, die aufein­an­der­treffen könnten, andere Kerningwerte einzu­tragen? Mir kommt vor, dass ich das mal wo gelesen habe; und dass jemand, der das so genau genommen hat, dafür auch noch (von einem sehr bekannten Schriftschneider!) auf die Schippe genommen worden war. Die Rockwell aber zeigt, dass der genaue Brüter wohl richtig gelegen hat.

      Außerdem: Wieso hat noch niemand bei Monotype das große scharfe S nach­ge­tragen – bei den Preisen?

  4. Dave

    @ Jens: Rockwel = „abso­lute Hassschrift“
    Aus welchem Grund?

    • Dave

      … Rockwell =

    • Jens Tenhaeff

      Lange Geschichte. Die Kurzfassung ist, dass sie Anfang der 90er die einzige Schrift auf meinem Atari ST mit spani­schen Sonderzeichen war, und ich sie daher während meines Studiums nutzen musste, obwohl ich sie damals schon nicht so toll fand. Im Laufe der Jahre ist dann aus herz­li­cher Abneigung echter Hass geworden. Herr Pierpont kann nichts dafür.

    • Dave

      Hehe ok! Danke für die Info. Solche Fälle kenne ich. Mein „persön­li­cher Hass“ die Rotis!

  5. christoph

    fette slab­serif? na klar. eine schrift mit ein biss­chen western-flair passt doch super zu den vorstel­lungen der fdp zum thema »freie marktwirtschaft«.

    • Komisch,

      aber eine freie Marktwirtschaft hat es noch nie gegeben. Die Konzernwirtschaft bezüg­lich der Gesetzesgestaltung wider­spricht jegli­cher Freiheit. In Deutschland mehr denn je. Blöd nur, dass die Konzerne jedes vergleich­baren Staatsgefüges besten­falls 10 % der Arbeitsplätze stellen; trotzdem wird nach denen und nicht nach den 90 % der Klein- und Mittelunternehmen gestaltet. Weswegen wohl? Bestechung, bedroh­li­cher Zwang oder was?

  6. Die alten

    Dilettanten mit neuen Sprüchen. So wollen sie das von allen Parteien dauer­be­tro­gene Volk neu betören?

    Das neue Logo ist übri­gens blaue Schrift auf gelbem Hintergrund, der male­ri­sche Breitpinselstriche wider­spie­gelt, nein, nicht die eines Künstlers, sondern die eines Anstreichers.

    Komisch: Beim Volk funk­tio­niert das immer wieder.

  7. Joachim Tillessen

    Das bestehende Logo in der Corporate S war zwar nicht gerade kühn, aber im Prinzip nicht weiter zu bean­standen – ein Kind des jungen Jahrtausends. Höchst proble­ma­tisch war jedoch der plumpe Emboss-Effekt der vor ein/zwei Jahren darauf gekü­belt wurde, offen­sicht­lich hielt es jemand für zeit­gemäß ein Parteilogo wie ein IOS App-Icon aussehen zu lassen. Das war für mich ein Paradebeispiel, wie man mit einem Markenzeichen nicht umgehen darf. Auch die SPD hatte ihrem alt bewährten Quadrat zwischen­zeit­lich eine dritte Dimension verliehen, das war zwar gestal­te­risch nicht ganz so plump ausge­führt, ist aber mitt­ler­weile auch Geschichte.
    Wie auch immer, mit diesem verkitschten Logo ging es jeden­falls nicht weiter. Da ist ein Redesign zu begrüßen. Ob die Rockwell beson­ders geeignet ist, die Werte der FDP zu verkör­pern, da bin ich mir relativ unschlüssig.
    Interessanter finde ich, was da inhalt­lich passiert: ‚FDP‘ ist mitt­ler­weile recht klein geschrieben, ‚Freie Demokraten‘ war bisher gar nicht Bestandteil des Logos und ist jetzt aber visuell zum eigent­li­chen Markennamen geworden. Von ‚liberal‘ ist gar nicht mehr die Rede, viel­leicht weil zu viele poli­ti­sche Mitbewerber mit dem Begriff Schindluder getrieben haben.

  8. Alfred

    bei dieser wilden konstruk­tion stimmt nun wirk­lich gar nichts mehr. eine furchtbar verhunzte wortmarke …

  9. Manfred

    „Auwei – Partei!“, kann ich da nur rufen. Schriftdesigner sind mir wesent­lich lieber.

  10. Peter Mahlmann

    Das Formale ist schon schlimm, schlimmer ist jedoch – wie bereits J. Tillessen anmerkte – das inhalt­liche Desaster. „Freie Demokraten“ als Abgrenzung von wem und was? Von gefan­genen Monarchisten? Das Liberale ist verschwunden; mithin der komplette philo­so­phi­sche Unterbau der Partei.
    Die Plakativität, die das alte Logo auszeich­nete, musste geschwät­ziger Prosa weichen.
    So kann es gehen, wenn die Gremien jede Positionierung in der Luft zereißen und die Werbeagentur des schnöden Mammons willen den Dienstleister gibt.
    Warten wir ab, was die Demoskopen sagen.

    • Joachim Tillessen

      Ich habe kein inhalt­li­ches Desaster fest­ge­stellt. Für mich stellt ‚Freie Demokraten‘ sehr wohl eine verständ­liche Abgrenzung dar – zum Beispiel zu ‚Sozialdemokraten‘ oder ‚Christdemokraten‘ dar, zu ‚Grünen‘, ‚Linken‘ oder ‚AfDlern‘ sowieso.
      Die maßgeb­li­chen Parteien in Deutschland unter­scheiden sich ja nicht in dem Sinne, dass die einen für Freiheit, Demokratie, Ökologie, Sozialstaat usw. und die anderen dagegen sind. Die Namen vermit­teln aber, welche dieser Werte in der jewei­ligen Weltanschauung Priorität haben.

    • Gerd F.

      Ja, zahlen wir den auch noch Schwätzer wie Demoskopen? Wie viele Leuter gibt es denn über­haupt noch, die wirk­lich arbeiten und nicht vom „Quatschen für Dämliche“ leben?

    • Gerd

      Ein „r“ muss weg, ein „n“ dazu und schon habe ich sinn­vol­lere Änderungen meines Textes durch­ge­führt, als jene Partei bezüg­lich ihres Pseudoauftritts. Und das bezahle ich auch noch mit meinem Steuergeld: Frechheit so was!

    • @ Joachim Tillessen

      Nein? Gibt es da Widerspruch oder nicht? Können Demokraten frei sein? Frei ist schließ­lich ja der, der von anderen unab­hängig agieren kann. Genau Demokraten können dies nicht – sie müssen stets andere berück­sich­tigen, was unfrei macht; hier herrscht der Konsens und wenn nicht, steht alles still.

      PS: Deshalb läuft China wirt­schaft­lich besser und kommt schneller voran als der demo­kra­ti­schere Vielparteienstaat Indien. Indien ist übri­gens fast schon ein Hyperparteienstaat.

      PPS: Demokratie: „Die Zeit steht still, so lang’ ich will“, soll ein Oppositioneller laut Gert G. einmal gerufen haben. Zumindest in dem Schriftstück das Gurke verfasst hat, welches leider mit anderen aus der Gedichtedatenbank des Joker-Verlages seit der Weltbildpleite mit tausenden anderen verschwunden ist. Ob die bei Websiteüberarbeitung alle wieder­kehren werden, bleibt weiter im Dunkel des Webs verborgen. Wünschenswert wär es für uns, aber Verlage leben schließ­lich auch von ihrer Rentabilität. Einige hab’ ich damals aber herun­ter­ge­laden. Darunter einige von diesem wenig bekannten Schreiberling.

  11. Armin

    Die Älteren werden sich erin­nern: „Raider heisst jetzt Twix“. Mehr fällt mir zu der ganzen Nummer auch nicht ein.

  12. Christian Lindner

    Wenn man diesen Artikel mit dem auf Designtagebuch vergleicht, kann man einiges über die „jour­na­lis­ti­sche“ Qualität von Fontblog lernen.

  13. christoph

    im kontext eines neuen erschei­nungs­bildes / einer neuen kampagne kann das so absolut sinn­voll sein. leben­diger und moderner als das extrem stati­sche quadrat­logo zuvor ist der schriftzug zweifellos. 

    das gedie­gende farb­kon­zept oran­ge­gelb + dunkel­blau in der gezeigten weise zu ändern (die grellen CMYK-farben jeweils in 100 %) scheint mir auch nicht dumm. strahlt schon weniger brüderle-gesetzt­heit aus als vorher.

    erst wenn man den schriftzug isoliert und sugge­riert, dass die partei und die agentur meinen, dass dieser neue schriftzug ein großer wurf sei, der alleine bereits viel bewirkt, entsteht der eindruck von etwas lächer­li­chem. dass wurde meines wissens nach aber nie behauptet.

  14. Gerd

    Heute habe ich den Schriftzug übri­gens auch schon in Magenta gesehen – auf gelbem Grund.

  15. michael koch

    o — langen­scheidt und reclam haben fusioniert?

  16. koni

    Die hier gezeigten Abbildungen sind inof­fi­zi­elle Interpretationen, ange­lehnt an die BILD-Fotos, die ich mit der Schrift Rockwell Bold nach­ge­baut habe.

    Gehts eigent­lich noch unseriöser?

  17. Kurt

    Verstehe nicht, wie der Name des 10 Schnittes lauten soll: Ich zähle auch unter den „Paketen“ besten­falls 9 Schnitte. Hä? Bitte um Aufklärung! Thx!

  18. Solche optischen Löcher wie

    bei der Rockwell, wie man sie oben sieht, Tests im FontShop funk­tio­nieren ja leider noch nicht, handelt es sich nicht um Webfonts, kommen in schwä­cherer Form auch bei der Memphis vor: https://​www​.font​shop​.com/​t​r​y​o​u​t​?​r​e​f​e​r​e​r​=​/​f​a​m​i​l​i​e​s​/​u​r​w​-​m​e​m​p​his – Interessant, dass diese Schriften trotzdem so beliebt sind. Schade um die schöne Formgebung beider; ich gäbe sie nach einem Kauf, bestä­tigt sich dies auch am Papier, sofort zurück. Wie kommt jemand dazu, dies bei Mengentext alles händisch nachzuarbeiten?

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