Eben am Geldautomaten


Werbung lauert überall: Jetzt auch auf dem Bildschirm des Geldautomaten. Eigenwerbung von der Commerzbank. Ich lese also nach der Eingabe meiner Geheimnummer: »neuwahlen für ihre zinsen ... je höher die beteiligung an der bundestagswahl, desto höher ihre zinsen – z.b. 2,79 % p.a.*« Was für eine lächerliche Idee! Weiterlesen ...


Nun ist ja mein Verhältnis zu Banken seit dem Schulsparen extrem gestört. Damals fühlte ich mich von der Nassauischen Sparkasse betrogen, die mich über Monate Rabattmarken kaufen und in ein Sparheftchen kleben ließ, während das Mutterhaus bereits fleißig mit meiner Bareinlage arbeitete. Seit Erfindung der Geldautomaten habe ich keinem Bankangestellten mehr ins Gesicht geschaut, worauf ich Stolz bin: die schönste Belohnung für ein schuldenfreies Leben.
Und so konnte ich mir heute morgen ein schadenfrohes Schmunzeln über den Rohrkrepierer der Commerzbank nicht verkneifen. Auf so etwas Unpopuläres wie die kommende Bundestagswahl zu wetten zeugt von der Realitätsferne der Banker. Doch weil ich es mir mit unserer Hausbank nicht verderben möchte, schweige ich jetzt lieber ... jedoch nicht ohne der Bank und Ihren Beratern meine bescheidenen Marketingkenntnisse, erworben in einem kleinen mittelständischen Versandhaus, kostenlos im Rahmen eine Beratungsstunde anzubieten.



Heute morgen am Geldautomaten der Commerzbank, Berlin-Kreuzberg

PS.: Inzwischen haben sich Fachleute mit dem »Wahlzins«-Konditionen auseinander gesetzt, die ich nicht zu beurteilen mag. Weil es keiner so schön formuliert hat wie FAZ.net, möchte ich deren Bewertung hier kurz zitieren:
»Scheinbar klingt dieses Angebot verlockend lukrativ, liegt es doch deutlich über dem Tagesgeldsatz von 2,25 Prozent, den der Marktführer ING Diba derzeit zahlt. Daß die Wahlbeteiligung unter 25 Prozent liegen wird, dürfte unwahrscheinlich sein. Doch das auf den ersten Blick lukrative Angebot stellt sich rasch als Lockvogelangebot zum Kundenfang heraus, ...
Von den hohen Zinsen kann theoretisch die gesamte Weltbevölkerung, die derzeit auf 6,5 Milliarden Menschen geschätzt wird, profitieren – mit Ausnahme jener 7,9 Millionen, die schon Privatkunde der Commerzbank sind. Auch die Höhe des Sparbetrags ist beschränkt, und zwar auf 20000 Euro, was das Wahlrisiko für die Commerzbank überschaubar macht. Außerdem wird der Sonderzins auch nur drei Monate lang gezahlt. Dies bedeutet, daß der Sparer anfangs nur den Basiszins von 2 Prozent bekommt, dann drei Monate den Bonuszins und anschließend automatisch nur noch die mickrigen 0,5 Prozent, die auch schon die übrigen Commerzbank-Kunden erhalten ...
Zudem hat die Commerzbank, wie bei Sparkonten häufig noch üblich, die Kündigungsfrist auf drei Monate festgesetzt für alle Abhebungen von mehr als 2.000 Euro. Trotz aller Innovationsfreudigkeit im Marketing hält die Werbeabteilung der Bank an dieser Vorschrift von anno dazumal stur fest. Da die Sonderaktion am 5. Januar ausläuft, muß der Interessent spätestens zum 5. Oktober sein Konto wieder gekündigt haben. Er kann natürlich das Kündigungsschreiben auch gleich mit dem Antrag auf Kontoeröffnung abgeben.«
Und jetzt spricht mir die FAZ aus dem Herzen:
»Früher, als im Kreditgewerbe noch von Schalterhallen, Bankbeamten und Spareckzins gesprochen wurde, hatten die Angebote der Banken die Langeweile, aber auch die Solidität von Verwaltungsvorschriften. Heute haben die Marketingspezialisten entdeckt, daß sich Werbung nicht auf das allgemeine Ansehen mit Slogans wie ›Ideen nach vorn‹ beschränken darf, sondern sich an Produkten orientieren muß, die dem Kunden einen Zusatznutzen versprechen sollen - ›Added Value‹ nennen sie das dann. ... Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch meistens, daß es sich um Bauernfängerei handelt, die zum alleinigen Vorteil der Bank gerechnet und auf jeden Fall mit einer langen Liste von Einschränkungen gespickt sind. Silberpfeil-Sparkonto, Lotto-Sparen oder Bonus Volltreffer heißen einige dieser Sonderangebote. Mit einer FC Bayern Sparkarte kam die Hypo-Vereinsbank heraus. Bei diesem Produkt war die Verzinsung an die geschossenen Tore der Fußball-Elf und an den Gewinn der Deutschen Meisterschaft gekoppelt.
Immerhin hat die Commerzbank ihr Angebot nicht an einen Wahlsieg der CDU geknüpft, obwohl Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller schon mal stolz fallenläßt, daß er seit 1962 Mitglied der Partei sei. Bei Bankgeschäften gilt wohl weiter das Gebot der Überparteilichkeit.«

Herausgegeben: Do - August 25, 2005 at 08:31 vorm.         |


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