So nicht, liebe taz ...


Die Berliner tageszeitung versuchte sich jüngst in typografischer Werbung. Eine schöne Idee: Man nehme die Titel angesehener Konkurrenzblätter und verballhorne sie. Aus Frankfurter Allgemeine wird »konservative Allgemeinplätze«, aus Süddeutsche Zeitung »staatstragende Zeitungen«. Doch woher jene Buchstaben nehmen, die im Original-Zeitungstitel nicht enthalten sind? Schriftentwerfer leiten sie aus den vorhandenen Lettern ab. War wohl keine/r in der Nähe, und so wurden die Kalauer – zumindest visuell – zu Rohrkrepierern.


Peinlich? Nein, nur gruselig. Tatsächlich liegen alle Buchstaben, die hier ergänzt wurden, voll daneben. »Die Welt« funktioniert, weil man die Original-AllerWELTsschrift Times identifiziert und eingesetzt hat.
Den Kopf der Frankfurter Allgemeine hat im Jahr 2000 Günter Gerhard Lange reingezeichnet. Er enthält naturgegeben kein Versal-k, kein o, s, v, z, p – und genau diese Lettern sind es, die »Konservative Allgemeinplätze« als Grafikpfusch entlarven. Hier passt nichts zusammen, ein beabsichtigter Kalauer wird zur hilflosen Anstrengung.
Das gleiche Spiel bei der Frankfurter Rundschau. Hier sind das gemeine g und w zur Lachnummer geraten: Kleiderhaken gehören an die Garderobe, nicht ins Alphabet.



Wäre unser unbekannter Künstler mit offenen Augen an den taz-Job gegangen, hätte er/sie spätestens beim g in Süddeutsche Zeitung stutzig werden müssen. Warum sieht dieser Buchstabe so eigentümlich aus? Weil es beim Zeichnen eines Zeitungstitels um Gleichgewicht, Proportionen und Persönlichkeit geht. Und weil »Süddeutsche Zeitung« dummerweise mit dem einzig vorkommenden Unterlänge-Buchstaben endet, wurde das g zur leichtgewichtigen Kaulquappe, der Schwanz zu einem Schwänzchen. Auf eine solch geniale Lösung zu kommen, das zeichnet große Schriftentwerferinnen und -entwerfer aus. Anfänger ringen sich ein a wie in »Staatstragende« ab; das biegt einem die Fußnägel in die Höhe.
Beenden wir das grausame Spiel. Natürliche funktionieren auch die Zürcher Zeitung und Bild nicht: das relativ einfache a in »Bald« – ausgerechnet ein Antiqua-a? Au-weia.

Glücklicherweise ist die Typografie der taz ansonsten in guten Händen (Lucas de Groot). Und so tut es einem ein wenig Leid, dass die Eigenwerbung gestalterisch in die Hose ging. Das passt nicht zum Haus.

Sollten Sie in naher Zukunft etwas Ähnliches planen, fragen Sie ruhig mal bei FontShops Corporate Font Abteilung an (Manja Seltmann, 030-69596-0). Wir kennen die richtigen Entwerfer für typografische Mimikry und Parodie. Vielleicht erinnern Sie sich noch diese FontCard aus dem Jahre 1996:


Herausgegeben: Mi - Mai 25, 2005 at 02:55 nachm.         |


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