Sex, Type und VideoBei meiner letzten Führung durch die FiFFteen-Ausstellung tauchte die
unvermeidliche Frage auf: »Wird es immer neue Schriften geben oder
lässt das mal nach?« Ich verstehe diese Frage nicht wirklich, und
trotzdem begleitet Sie mich bald 15 Jahre, so lange ich Schriften verkaufe. Zum
Glück hatte FontShop-Beirat Jürgen Huber, der die Führung als
Tutor begleitete, die passende Gegenfrage parat: »Warum fragt eigentlich
niemand, ob es in Zukunft noch Pornofilme geben
wird?«
Adrian Frutiger pflegte auf die Frage nach der Schriftenvielfalt zu
antworten: »Warum gibt es so viele Weine?« Dieses historische Worte
zitiert auch mein Begleiter und der Kurator der FiFFteen-Ausstellung Jan
Middendorp am vergangenen Freitag.
Meine (seriöse) Antwort fiel vergleichsweise nüchtern aus. Ich erwähnte die niemals endenden technischen Herausforderungen der schriftlichen Kommunikation, auf die Schriftentwerfer meistens reagieren: Druckverfahren, Darstellungstechniken, Anzeige-Elektroniken, neue Kommunikationsmittel und so weiter. Schriften werden ganz selten aufgrund einer kreativen Eingabe entworfen, sondern aus einer technischen Notwendigkeit heraus. Am Ende der Führung kam dann Jürgen Huber zu mir und drückte sein Erstaunen über die Erkundigung aus. Seiner Meinung nach würde kaum jemand auf die Idee kommen zu fragen, ob irgendwann alle Schlager geschrieben seien oder keine Pornofilme mehr gedreht würden. Der Vergleich gefiel mir. Den erwähnten Branchen ist gemeinsam, das sie mit limitierten Variationsmöglichkeiten leben müssen. Wie das Schriftentwerfen. Und wie bei den Weinen. Trotzdem reichen die wenigen Parameter aus, einen unendliche Vielfalt von Spielarten herzuleiten. Beim Themas Schrift und Pornografie erinnerte ich mich wieder an die legendäre Publikation FUSE, die ebenfalls im Rahmen von FiFFteen ausgestellt wurde. Ausgabe 11 vom Herbst 1994 widmete sich dem Thema »Pornography«. Lucas de Groot steuerte einen Multiple-Master-Font namens Move Me bei, dessen Clou darin bestand, dass sich Großbuchstaben in erotische Illustrationen verwandelten. Üblicherweise boten Multiple-Master-Schriften damals Stilachsen an wie Buchstabenbreite oder Strichstärke, zwischen deren Extremwerten sich die Anwender ungezählte Zwischenstufen erzeugen konnten. Eine Jugendfrei-Achse war neu und blieb bis heute einmalig. Multiple Master ist tot, aber trotzdem gelang es mir, mit dem Original-Font in Indesign die hier gezeigten Illustrationen anzufertigen; der Quicktime-Film ist ebenfalls FUSE 11 entnommen, die im Rahmen einer Special Edition (6-14) sogar noch bei FontShop zu bestellen ist. Jürgen Siebert Herausgegeben: Mi - Juni 1, 2005 at 02:05 nachm. | |
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