Das neueste Berlin


Tag der offenen Moschee und Tag der Deutschen Einheit, gleich zwei Gründe für einen ausgedehnten Streifzug durch die Hauptstadt. Die größte Moschee Berlins, am Flughafen Tempelhof gelegen, öffnete erstmals ihr Pforten für das christliche Publikum. Im Regierungsviertel konnten die Spaziergänger endlich die neu Spreeufer-Promenade begehen und waren begeistert. Weiterlesen ...


Heute öffneten bundesweit rund 1000 Moscheen ihre Pforten zum »Tag der offenen Moschee«. Diese in der Welt einzigartige Aktion geht auf eine im Jahre 1997 gestartete Initiative des Zentralrats der Muslime in Deutschland zurück und entwickelte sich im Laufe der Jahre zum Selbstläufer. Der bewusst gewählte Zeitpunkt am Tag der Deutschen Einheit soll das Selbstverständnis der Muslime als Teil der deutschen Einheit und ihre Verbundenheit mit der Gesamtbevölkerung zum Ausdruck bringen.



Zum ersten Mal zu besichtigen: der Gebetsraum der neuen Sehitlik-Moschee, mit Malereien und Kalligrafien an den Wänden (Abbildung: Fontblog)

Die neu erbaute Sehitlik-Moschee (Columbiadamm 128) liegt direkt am türkisch-islamischen Friedhof von 1866, ein Erbe des königlichen Preußens. Vor anderthalb Jahren kam der Rohbau in die Schlagzeilen, weil er größer ausfiel als die Baubehörde genehmigte. Der Architekt Hilmi Senalp entwarf Sehitlik nach traditionellem Vorbild im osmanischen Baustil. Die Grundsteinlegung fand 1999 statt, und bereits nach einem knappen Jahr stand der fertige Rohbau.



Kuppel und Deckengewölbe der größten und repräsentativsten Moschee in Berlin, heute erstmals zu besichtigen (Abbildung: Fontblog)

Der Hauptgebetssaal, den man über die zwei äußeren Freitreppen erreicht, bietet Platz für etwa 1000 Gläubige. Vor der Tür ziehen alle, die die Moschee betreten, die Schuhe aus, denn der Gebetsplatz muss sauber sein, so schreibt es der Koran vor. Der Boden von Sehitlik ist mit blauem Teppich ausgelegt, in den Längsstreifen eingewoben sind, die die Reihen anzeigen, auf denen sich die Versammelten einfinden. An der hinteren Wand, die nach Mekka zeigt, befindet sich die Gebetsnische.

Berlin hat einen Platz mehr. Im so genannten Regierungsviertel wurde am 30. September der »Spreeplatz« übergeben, sechs Jahre nach dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin. Der von der Spree durchflossene Platz verbindet durch den Verzicht auf Geländer am Ufer optisch das Paul-Löbe-Haus auf der einen mit dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus auf der anderen Seite.
Wir betreten die Promenade(n) zum Spreeplatz auf Höhe des Lehrter Bahnhofs. Verschiedene Fuß- und Radfahrerwege führen auf verschiedenen Ebenen an der Spree entlang, kreuzen sich, enden plötzlich oder münden in überraschende Grünanlagen. Naturgras-Rabatten bilden einen angenehmen Kontrast zur Kühle des Betons.



Die neue Fußgängerbrücke zwischen Spreeplatz-Uferweg und Lehrter Stadtbahnhof (Abbildung: Fontblog)

Der Spreeplatz ist der wohl ungewöhnlichste Platz in Berlin: er ist 100 mal 100 Meter groß und besteht fast ausschließlich aus Wasser, nämlich der Spree. Zu begehen sind nur die Platzränder am Ufer vor dem Löbe- und dem Lüders-Haus. Der Platz soll den Brückenschlag von Ost nach West symbolisieren und die Überwindung der Mauer. Hier verlief einst die Grenze zwischen den getrennten Stadthälften. Ein Geländer an den Ufern gibt es nicht. Treppen führen auf beiden Seiten zum Wasser – als wenn man über sie einfach zur anderen Seite rüberlaufen könnte.



Uferseite des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses mit einem Teil der »Spanischen Treppe« (rechts, Abbildung: Fontblog)

Brennpunkt der neuen Architektur bildet ein »Spanische Treppe« genannter Aufstieg zu einer 10 Meter hohen Aussichtsterrasse vor dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Mit 60 Stufen ist die Freitreppe allerdings etwas kleiner als das Original in Rom (136 Stufen). Wer auf der Berliner Treppe sitzt, blickt in Richtung Reichstagsgebäude.
Im Bibliotheksturm des Lüders-Hauses erinnert ein von Ben Wargin geschaffenes Mauer-Mahnmal an die Teilung der Stadt. Wargin hat auf die Betonteile die Zahl der Toten für jedes Jahr geschrieben. Künstler und Architekt lassen die Mauerreste dem ursprünglichen Verlauf der Mauer folgen und wie einen schmerzhaften Fremdkörper in die Architektur einschneiden.



Blick von der Fußgängerbrücke über den Spreeplatz in Richtung Brandenburger Tor (Abbildung: Fontblog)

Eine weiter Attraktion ist die Deckenbeleuchtung des Kasinos im Paul-Löbe Haus. Buntes Glas und Beton treffen hier aufeinander und bilden eine Symbiose. Wie Luftballons hängen die vielfarbigen Lampen an der Decke des Speiseraums, mundgeblasen, aus der Glasmanufaktur »Harzkristall« in Sachsen-Anhalt. Gestaltet hat die Lampen der in Cuba geborene Künstler Jorge Pardo. Er bringt damit einen Funken karibischer Leichtigkeit in die erdenschwere Sichtbeton-Architektur des Paul-Löbe-Hauses.



Die vom kubanischen Künstler Jorge Pardo geschaffene »Luftballon-Beleuchtung« im Kasinos des Paul-Löbe Hauses (Abbildung: Fontblog)

Einen weiteren farbigen Blickfang hat der Leipziger Künstler Neo Rauch für die Fassade des Paul-Löbe-Hauses geschaffen. Von der Ostseite des Gebäudes leuchten zwei je 10 Meter hohe Neonlichskulpturen weithin über die Spree. Die Lichtskulpturen sind Teil eines ambitionierten Kunst-am-Bau-Programms, das für alle drei Parlamentsbauten im Spreebogenbereich entwickelt wurde. Die zwei Figuren sind auf jeweils einer Außenwand gegenübergestellt und doch durch eine Glaswand getrennt. Sie stellen einen Mann auf einer Leiter in leicht variierter Haltung dar. Durch die Spiegelung im Glas erscheint eine dritte, virtuelle Figur.



Geschickt nutzt der Künstler Neo Rauch die Spiegelung einer Glaswand, so dass die Spaziergänger den beiden Leuchtskulpturen einen dritten »Mann auf der Leiter« hinzufügen können (Abbildung: Fontblog)

Herausgegeben: Mo - Oktober 3, 2005 at 08:50 nachm.         |


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