eBoy: »Kinder und Frauen sind immer heikel.«


Am Anfang war das Pixel. Dann schufen sie Menschen, Monster und Maschinen. Das Ende vom Lied: ein kindlich-brutaler Digitalkosmos, der sich unendlich weit ausbreitet. Das Bitmap-Babylon der Berliner Designertruppe eBoy gilt als die beste Pixel-Art im WWWeb. Das eBoy-Interview: über Jecken & Microjecken, Pixelkunst, Type und Toys.



Das Fontblog-Interview mit eBoy fand vor einer Woche per iChat-Konferenz statt (Text-Modus). Diese Technik hat unmittelbaren Einfluss auf die Form des Gesprächs: kurze Antworten, Stichwörter, SMS-Style. Da sich die Gesprächspartner keine visuellen Signale geben können, äußern sich alle Teilnehmer gleichzeitig. Fragen und Antworten mischen sich – auf den ersten Blick – zu einem Aneinandervorbeireden: es kommen meist zwei oder drei ähnliche Antworten auf eine Frage. Doppelte Inhalte, sich überschneidende Reaktionen und verzögerte Entgegnungen wurden in der Nachbearbeitung in den richtigen Kontext gebracht.




In ganzer Länge (and also in English) finden Sie das Gespräch in der Ausgabe 12 des Online-Magazins Encore:
Deutsches Encore Ausgabe 12
Englisches Encore Ausgabe 12
Hier im Fontblog konzentrieren wir unsere Befragung auf die Kunst der Minimal-Portraits, die »Jerks« (Jecken, Knallköpfe). Beim Preisausschreiben 15 Jahre FontShop hat die Berliner Designerin Catrin Schmitt ihr Portrait aus den Händen von eBoy gewonnen.



eBoy (Kai Vermehr, Steffen Sauerteig, Svend Smital, Peter Stemmler) und Frau Schmitt (Catrin)

Fontblog: Vor rund 3 Jahren habt Ihr eine Serie von Bitmap-Portraits im Maßstab 70 x 100 Pixel gestartet, die »Jerks«. Was war der Auslöser für diese Kunstform?

Kai: Die Fahndungsbilder zum Anschlag vom 11. September.
Steffen: Und ein Buchprojekt, zu dem wir eingeladen waren
Kai: Es gab eine eigens eingerichtete Website, auf der die Fahndungsbilder des FBI alle zu finden waren.

Fontblog: Die Fahndungsbilder gaben den Gesichtsausdruck vor. Wie kam es zu Format und Zeichentechnik?

Kai: Das Format kommt vom Passbild, der frontale Anblick ...
Steffen: ... die Technik ergab sich aus unserer Art zu arbeiten.



Die ersten (anonymen) Jerks: Fahndungsbildern nachempfunden

Fontblog: Sorry, falsch gefragt: Ich meinte die Auflösung der Jerks. Warum 70 x 100 Pixel?

Kai: Ich weiß auch nicht mehr warum ... Ich glaube, die Auflösung hat sich aus den Original-Website-Portraits abgeleitet. Unsere Jerks sollten etwa genauso groß sein.

Fontblog: Und die Auflösung ist direkt proportional zum Arbeitsaufwand ... das könnte auch eine Rolle gespielt haben: 140 x 200 heißt viermal mehr Arbeit, oder?

Kai: Das stimmt allerdings.

Fontblog: Könntet Ihr mal kurz die Arbeitsschritte einer Jerk-Produktion skizzieren? Der Ausgangspunkt ist ja wohl eine Fotografie, oder?

Kai: 1. möglichst frontales Foto, 2. Spiegeln um die vertikale Achse; dabei werden aber unterschiedliche Teilbereich gespiegelt: links das Auge, rechts das Ohr, etc. Ziel ist, dem Original wieder etwas näher zu kommen.

Fontblog: Ich habe selbst mal mit einem Passfoto herumgepixelt und gelernt, dass Eure Ergebnisse am Ende viel weiter weg sind von der Fotografie, als man glaubt. Manche Photoshop-Experten meinen, man könnte Jerks per Filter erzeugen ...

Kai: Man kann sich manchmal mit PS-Filtern helfen, aber am Ende ist alles Handarbeit.
Steffen: Das denken die Leute auch oft bei unseren übrigen Bildern, dass es da irgendwelche Filter gäbe ... da geht leider nichts automatisch.
Kai: Unsere Arbeit ist wie Teppichknüpfen.

Fontblog: Das Endergebnis ist eine Illustration mit photorealistischem Effekt und keine gepixelte Fotografie.

Kai: Ja genau. Allerdings gefällt mir der Begriff Illustration nicht ... er hat etwas Begleitendes. Jerks sind Bilder, Icons. Sie stehen für sich.



Freundschaftsdienste und Auftragsarbeiten: Paul Smith, Bruce Lee, der Fontblogger, seine Tochter Marie

Fontblog: Die Faszination für Jerks ist ansteckend. Ihr habt auch schon Auftragsarbeiten gefertigt: Paul Smith ... kam der zu Euch oder Ihr zu ihm?

Kai: Paul haben wir für Paul gemacht, als kleines Geschenk. Er hatte uns nach London eingeladen, zuvor besuchte er uns in Berlin.

Fontblog: Nette Akquise ... Daraus ist eine spannende Kooperation geworden.

Svend: Der Jerk war keine Akquise. Unsere Kooperation war schon vereinbart.
Steffen: Er hatte in einem Londoner Buchladen unser Poster gesehen und fragte den Händler nach unserer Adresse.

Fontblog: Hat Bruce Lee Euch auch eingeladen?

Kai: (lacht)
Svend: Bruce Lee war eine Auftragsarbeit ... für The Face, glaube ich.
Steffen: Es war für Arena. Spezialausgabe zum Todestag. Man hatte einige Künstler hierzu eingeladen.

Fontblog: Seit neuestem gibt es Microjerks. Warum das?

Kai: Wir mussten eine ganze Menge Figuren für ein PS2-Magazin in den USA machen.
Steffen: Die brauchten auf einen Schlag ganz viele Portraits. Mit der normalen Jerk-Technik wäre das zu aufwändig geworden.
Kai: Wir mussten die Auflösung verringern. Das Ergebnis hat uns so gut gefallen, dass wir es als eigenes Produkt definiert haben. An den großen Jerks sitzt man relativ lange, bis sie wirklich gut sind.



Microjerks, die neueste Erfindung von eBoy; die Portraitierten von links nach rechts: Masa Chatani, Larry Probst, Tetsuya Nomura, Tom Clancy, Kazunori Yamauchi, Ken Kutaragi, Ted Price und Fumito Ueda

Fontblog: Wie lange, wenn ich fragen darf?

Kai: Zwei bis drei Tage, manchmal sogar länger ... Dein Portrait war schwierig (lächelt).

Fontblog: Danke. Und meine kleine Tochter Greta, glaube ich.

Kai: Ja genau. Kinder und Frauen sind immer heikel. Das »tunen« kann viel Zeit kosten. Man muss ein Bild sacken lassen, und dann wieder dran arbeiten.

Fontblog: Wenn man die Auflösung weiter herunterfahren würde, landete man bei den Minipops Flipflopflyin ... gibt es Kontakte zu Craig Robinson?

Steffen: Ja, Craig ist ein Freund. Wir mögen seine Arbeit sehr.
Kai: Wir spielen ab und zu Bowling oder Quake.
Steffen: Und man trifft ihn oft auf Konzerten.



Minipops von Craig Robinson: Arnold Schwarzenegger, Jimi Hendrix, Audrey Hepburn (als Holly Golightly), die Beatles, Adolf Hitler, The B-52’s

Fontblog: Welche Bands?

Steffen: Zuletzt bei Queens of The Stone Age.

Fontblog: Habt ihr Euch gegenseitig beeinflusst oder seid Ihr unabhängig voneinander einen verwandten Weg gegangen?

Kai: Unabhängig würde ich sagen.
Steffen: Ja
Kai: Er hat schon seinen eigenen Stil. Einer der wenigen Pixelmenschen, die wirklich einen eigenen Weg gehen.

...

(mehr bei Encore)

Herausgegeben: Do - August 11, 2005 at 08:50 vorm.         |


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