Brilliante Absage von Dieter Telfser


»Hiermit gebe ich bekannt auf der Typo 2006 in Berlin nicht sprechen zu werden, ...« schreibt der österreichische Designer Dieter Telfser heute in seinem Blog Reteid Resflet*05 Open Sources 1.5 – als Antwort auf unsere Einladung, auf der TYPO zu sprechen. Das ausgedehnte philosophische Statement lässt darauf schließen, das Telfser etwas zu sagen hat. Dass er die nicht vor Publikum tun möchte, ist sein gutes Recht, aber bedauerlich. Immerhin bleibt uns sein schwer verdauliches Manifest. Weiterlesen ...


Warnhinweis
Sie sollten sich die folgende Ansprache von Dieter Telfser auf der Zunge zergehen lassen ... doch Vorsicht, sie ist verdammt scharf. Bitte nicht in der Mittagspause und während der Arbeit lesen ... kann die Laune verderben und zum Nachdenken anregen:

Visual Gambling Equities! — Ethnische Versprechungen und seine sozialen Verpflichtungen im gegenseitigen Austausch. Kollegialität ohne Bühne für mehr Teilbarkeit der Gedanken. Qualität als glaubwürdiges, in die Zukunft ausgerichtetes Schnuppermerkmal und Kernsinn der gewünschten Kultur. — Typografische Onkolgie als elitäres Vorsorgemodell!



Marktwert ist ein dienliches Instrument für jene Dinge mit denen man sich auf die Bühne zu stellen bereit ist. Nun, ich bin es nicht. Schreibe daher diesen Text mit einer persönlichen Note von Verbitterung über die Verdreschung der gestaltenden Disziplin. Ob es nun »Haute Brillanterie« oder »SexAppeal« mit dem bemessenen Stück Content ist, ist nicht Sache, als vielmehr der gruppendynamische Effekt, der damit verbunden ist. Wie man das ändert, bringt wohl die Zeit, sicher aber nicht meine persönliche Präsenz und Faszination auf der Bühne, von welchem Institut auch immer. Hiermit gebe ich bekannt auf der Typo 2006 in Berlin nicht sprechen zu werden, weil ich nach langer Überlegung weder Plattform noch den inhaltlichen Austausch dort anerkenne.

Vielmehr veranlasst mich die Art und Weise der modernen Altersvorsorge von schaffenden und wunderbaren Gestaltern dazu diesen Text zu verfassen. Auf meiner Recherche nach jenen Gestaltern, die nicht auf die Bühne und ins Rampenlicht wollten, blieb ich überrascht übrig, mit ein zwei Büchern, die nichts darüber aussagten, ob es die in der Öffentlichkeit angekommenen bzw. auf dem Sockel stehenden auch leichter hatten, mit ihren persönlichen Schicksalen dahinter. Da fielen schon gewichtige Namen, und ich stellte fest, alle dokumentiert in Hochglanzbüchern und mit dem Hauch an sozialer Idee dahinter, die das Ganze noch nachhaltig verblumen sollte. Ich blieb übrig in meiner Gedankenwelt, in jener Form an was ich wohl beitragen könnte, und zwar sinnvoll, ohne mit Effekten zu verwischen.

Nichts, anscheinend, denn der sich stetig schließende Kreis an Schicksalen, die durch öffentliche Berühmtheit mehr aus sich gesogen hätten, verbrannte sich in der Illusion damit tatsächlich wirtschaftliche und seelische Vorteile verbinden zu können. Maßlos war das Licht in Watt und auch sonst lieferte Adobe und Apple zeitgerecht jene Instrumente, um das Wort Genie und Genialität so lange hochzuhalten, bis der leichte Geschmack an tastbarer Zukunft auch auf den Schreibtischen stand. Nun, mit Typografie scheint das einen ähnlichen Weg zu nehmen wie mit der Reduktion auf Spezialrythmen der Mathematik. Man verweigert die Intuition einer gruppendynamischen Nutzbarkeit und persifiliert Parablen solange, bis man daraus eine Art von Energie zumindest psychologisch nachvollziehen kann.

Warum keine Bühne? — Die Bühne ist eine wunderbare schwertführende Disziplin sozialer Themen, aber keine begleitende und vor allem auf eine Bühne zu stellende Zeiterscheinung von machtgenerierenden Instrumenten. Bedenkt man die damit verbundene Intuition, die Qualen dahinter und vor allem die damit verbundenen Persönlichkeitsbilder, braucht es schlicht und ergreifend keine einzige Gottheit um sich der Liebe des Details zu wähnen. Man kann ruhig übrig bleiben in einem Jargon der Spinner, Durchgeknallten oder sonstigen Wortverkränkungen um sehr schnell zu verstehen, dass Public Presence nicht unbedingt Public Audience darstellt.

Bedenkt man die Drehbarkeit des verwunderten Blickwinkels eines Beschauers fehlt mir die Autonomie, der persönliche und vor allem kritische Winkel des Betrachters. Nennt man Marktwert jene Disziplin, die nach einem Angestelltenverhältnis den Megavertrag bringen sollte, bleibt es trotzdem eines der dümmsten Diktate von Rechtsanwälten ohne besondere humane Kompetenz. »To keep yourself cute« ist lange keine Frage von Gesicht und Gewichtung als vielmehr von Strahlung und Heizwert vor jener Wattanzahl, der man gerademal standhalten kann. Dies unter der Prämisse »standhaft« und stetig freundliche Auskunft darüber zu geben, was man in seinen innersten Werten auch wirklich brauchbar für möglicherweise auch andere hält. Bedauerlicherweise stellte ich immer fest dass Information, bzw. die höfliche Verdrehung von persönlicher Entspiegelung im Zwischenmenschlichen immer nur jenen kurzen Moment der Wonne ausmacht, den man auch mit einem Rosenbad erledigen könnte.

Bewegung kommt erst in Gange, wenn das mehrere tun. — Freiwillig, unverbindlich, aus innerster Überzeugung und mit dem großen Stück Herzen und Liebe, die dann andere auch riechen und Saft am Stück Mut fassen und dazu ihren Körper tanzen lassen. So bleibt die persönliche Erlösung in der Sekunde immer nur ein Stück fehlendes Bild, welches die Medien noch nicht so gezeigt haben. Markt als persönlicher Wert dient also vorwiegend jenen Bluechips, die sich Ihrer Stabilität nicht im geringsten bewusst sind. Man kokettiert heute Vertrauen als Feinstofflichkeit, so als würde der Sitz eines Anzugs tatsächlich handgekordelt daher kommen müssen.

To be updated does not mean to date. Ich bin mir bewusst, dass eine heutige öffentliche Erscheinung nichts zur Öffnung von Herzen und Inhalten beitragen kann solange die Herzen dafür nicht bereit sind. Jegliche kommerziellen wie auch staatlichen Prämissen dies zu ändern entgelten nur den noch nicht bezahlten Vorsprung und sind ähnlich zu werten wie Börsengeschäfte in Asien mit deren europäischer Relevanz für Investoren, die das halt einem Institut bzw. einer Person mit Vison übergeben. Wie kommen wir aber zu mehr Austausch untereinander, zu mehr Besuchen und wirklich lehrhaften Treffen die uns weiterbringen?

Der Zufall ist ein Ansatz, das Licht eine Möglichkeit, die sonstigen vielen Millionen Wege eine der vielen vortrefflichen Gesangsmöglichkeiten, sich die Lockstoffe abzuluxen, die man sich gegenseitig als sogenannten Stimulus weitergeben möchte. Erbost stelle ich fest, dass man ältere Gestalter zum alten Eisen schmeißt und sich junge Gestalter, von sich selbst geflasht, vorwiegend in deren Communities zu suchen scheint. Von was wir in Zukunft leben bleibt aber noch nicht ausgesprochen. Es ist nämlich ein direkter und verbindlicher Beitrag für jene Themen, die sich tunlichst sämtlichen elektrischen Licht entziehen. Es bleibt das Dahinter jene Disziplin der Künste der Lichtverfremdung bereits zu beherrschen. Das setze ich bei einem Typographen voraus, der damit Machtinstrumente für die Zukunft entwirft.

Es bleiben wohl Irische, Englische oder Niederländische Wurzeln, die sich das Detail von Freude am Kleinen noch vorbehalten, dazu gute Suppen kochen oder sich auch schon mal einen kleinen und größeren Fisch schnappen um über Kartoffeln solange nachzudenken, bis Ihnen selbst die Würze im Schlaf ausgeht. Ich bedauere außerordentlich, dass es ein Heer von dummen Nachzüglern geben muss, die sich dem Interesse Ihres inneren Interesses entziehen wollen. Es sind die Stillen und Schönen, die sich in den Winkeln solange vergraben, bis sich Essen mit Diät im Körper finanziell tauglich manifestiert. Sexualität ist heute der wichtigste Identitätsbotensoff und damit als Austauschfaktor auf jene Technik reduziert.

Dass man endlich Genforschung dazu zitiert bleibt eine Freundlichkeit von Quoten, die wir uns halt auch in Bildern vorstellen müssen. Das Dahinter von Machbarkeiten mündet derzeit in doofen SPAs oder tibetisch indischen Konzepten der persönlichen Endmündigung von Abstraktion. Träumen in Bildern unterliegt einem Hype der Farben in Formen auf Film. Die damit verbundenen Gefühle tragen als Duft jene mögliche Annäherung, die nichts bringt ausser Wärme, die man genauso essen könnte. Dreister werden die Kommentare, direkter das Wort das unter die Haut soll und schwieriger die Bildaufbereitung hierzu.

Typografie hat sich im Hintergrund zu halten, weil ansonsten Technik nicht mehr käuflich gemacht werden kann bzw. Wörter Ihre Riechbarkeit verlieren. Es ist so ähnlich wie mit einem viel zu süßen Wein, den man im Rahmen der toxischen Umnachtung plötzlich allen kundtun will, vergessend, dass die Wurzel davon nur die lang gepflegte Erde nutzt. Öffentliche Koketterie damit und auch persönlicher Erfahrenswert dient höchstens jenen Leidenswegen, die weitere stiftende Bilder nicht an die Oberfläche bringen kann. Wenn aus unseren Meistern Götter werden müssen, müssen sich wohl Stars dazugesellen und gar noch Gesicht dazu überlegt werden. Es vergammelt Content-Pflicht zu sozialem Bowling ohne der Farbe des Geschmacks, die wir dazu aber dringend bräuchten.

Es gibt ein einfaches Hausrezept dafür: Das verlorene Ei wird aus 2 Eiern, 1 EL Wasser, 3 EL Weißweinessig, 1 Lorbeerblatt und 2 Pfefferkörnen gemacht. Die Zubereitung denkbar einfach: Das Wasser mit dem Weißweinessig, dem Lorbeerblatt und den Pfefferkörnen in einem kleinen Topf bis zum Siedepunkt erhitzen. Die Eier aufschlagen, ohne das Eigelb zu verletzen und einzeln in eine Tasse geben. Ins Essigwasser gleiten lassen [falls die Eier am Pfannenboden haften bleiben, mit einem Spaten oder Löffel lösen]. Die Eier 3-5 Minuten gar ziehen lassen [das Eiweiß muss fest, das Eigelb jedoch weich sein]. Mit einer flachen Schaumkelle das Ei herausheben und der Öffentlichkeit servieren. Als Tipp empfiehlt sich auf Salz zu verzichten, weil das Eiweiß vollkommen auseinanderfallen könnte. Als Beilage empfiehlt sich Spinat in Butter oder gedünstete Gemüsestreifen.

Sollten Sie jetzt Ähnlichkeiten zur Typografie auf der Bühne entdecken, liegen Sie möglicherweise richtig, allerdings behält sich der Naturgeschmack jenem der gegorenen szenografischen mehr vor als man dann auf Licht erleben könnte. »No one in this world, so far as I know, has ever lost money by underestimating the intelligence of the great masses of the plain people.« [Henry Louis Mencken]

© Dieter Telfser 2005

Herausgegeben: Mo - November 14, 2005 at 09:18 nachm.         |


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