Siegerin der Typo-Herzen


Verlierer gebärden sich als Sieger, Gewinner stehen im Abseits – verrückte Wahl 2005. Der wahre Champion ist eine junge Schrift namens Kievit. Sie hinterließ auf den Plakaten der CDU einen bleibenden Eindruck. FontShop weiß sogar, dass die CDU-Bundesgeschäftsstelle längst eine türkische Version der Kievit in der Schublade hat. Also doch mehr als eine privilegierte Partnerschaft? Weiterlesen ...


Die Familie FF Kievit ist ein Jungtalent unter den Schriften. Der US-Designer Mike Abbink begann bereits an der Hochschule mit der Arbeit an Kievit (1995), die er 2001 beendete. Zum ersten mal kamen einige Schnitte der Schrift 1999 zum Einsatz im Corporate Design des New-Economy-Unternehmens »Personify«.
Mike Abbinks Designmission lautet schlicht Lesbarkeit. Um dies zu erreichen, suchte er nach einem Kompromiss zwischen klassischer Buchstabenform und konstruierten Zeichen. Ein Bild aus der Anatomie fasst das Kievit-Geheimnis anschaulich zusammen: Grotesk-Fleisch auf Antiqua-Knochen. Das innere Bauprinzip der Kievit-Buchstaben basiert auf den bewährten Qualitäten klassischer Serifenschriften: große Mittellänge (x-Höhe), Kleinbuchstaben mit Oberlängen (außer t) überragen die Versalien, Antiqua-g, Mediävalziffern, ausreichend Kontrast in der Strichstärke. Ihre Konturen müssen sich mit großen humanistischen Vorbildern wie Frutiger oder Syntax messen lassen, die jedoch von der Konstruktion her geometrischer angelegt sind.



Geradezu mustergültig erfüllte die CDU-Schrift Kievit im Wahlkampf ihre Aufgaben: sie war bestens lesbar, stets wiedererkennbar und solide in großen wie auch kleinen Auftritten (Foto: Fontblog).

Vielleicht das auffälligste Merkmal der Kievit sind die großen runden Punkte bei Buchstaben und Satzzeichen. Ein nicht unbedeutendes Merkmal für eine Schrift, die in Deutschland, der Heimat der Umlaute, ihren Dienst tun soll. Ihre Wirkung für die Lesbarkeit tritt vor allem bei klein gesetzten Texten in Erscheinung. In den Riesen-Slogans der CDU leisteten sie ihren Beitrag zur Unverwechselbarkeit.



Geschliffen stand der Slogan »Ein neuer Anfang.« auf dem Großflächenplakat, optisch aufpoliert durch einen leichten Schatten nach rechts unten. Das Antiqua-g ist ein außergewöhnliches Merkmal der Kievit (Foto: Fontblog).

Seit Anfang 2004 setzt die CDU die beiden Strichstärken Book und Bold der Kievit-Familie ein. Sie sind essenzieller Bestandteil des neuen Corporate Designs, mit dem sich die Partei ein bundesweit einheitliches Erscheinungsbild geben will (siehe: Corporate-Identity-Portal der CDU). Bis dahin verwendete die Bundeszentrale eine Franklin Gothic, während in den Verbänden unterschiedliche Schriftarten zum Einsatz kamen. Eine gemeinsame, bundesweite Schrift wurde die Basis für optische Geschlossenheit.



Überdurchschnittlich große, runde Punkte in Buchstaben und Satzzeichen sind ein auffälliges Merkmal der Kievit (Foto: Fontblog).

Mehr zur Entstehung der FF Kievit (die in Deutschland exklusiv von FontShop vertrieben wird) ist auf den folgenden Seiten nachzulesen:
Typografie-Fanseite daidala.com von Jon Colz: Interview mit dem Schriftentwerfer Mike Abbink, Schriftmuster
Online-Design-Magazin Reservocation: Interview mit Mike Abbink plus Abbildungen
Type Directors Club Designwettbewerb 2001: eine der Gewinnerschriften ist FF Kievit

FontShops Corporate Font Abteilung hat die Bundes-CDU bei der Einführung ihrer neuen Hausschrift begleitet. Zum Beispiel mit der Entwicklung einer bildschirmoptimierten TrueType-Version und einer Sprachversion für die türkische Sprache. Hoppla ... Türkisch? Lässt die Schriftausstattung der CDU möglicherweise den Schluss zu, dass die distanzierte Politik gegenüber der Türkei vielleicht gar nicht so eisern gemeint ist, wie Unionspolitiker ständig betonen? Hoffen wir das Beste.



Die Türkische Version der CDU-Schrift Kievit liegt schlüsselfertig auf den Rechnern der Bundeszentrale (Schriftmuster: Fontblog)

Herausgegeben: Mo - September 19, 2005 at 10:29 vorm.         |


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